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Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich l Mark. Durch die Post bezogen p20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »an Inserat«, bis vormittag zo Uhr. -Inserate werden mit >o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach br- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 6. Mittwoch, den 14. Januar 1903. 2. Jahrgang. wörtliches nnd Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, Z2. Januar 1903. Das am Sonntag Abend im Hanta'schen Saale abgchaltenc Stiftungsfest des hiesigen Naturheilvereins war in allen seinen Teilen als ein sein' gelang, ns zu, bezeichnen und war der Verlauf desselben folgender. Nachdem der Vorsitzende die Anwesenden im Namen des Vereins herzlichst begrüßt nnd Fräulein Elsbeth Georgi den Festprolog sehr gut verständlich gesprochen hatte, wurde von Herrn M. Dreßler- DreSden ein Vortrag über Magen- und Darm krankheiten deren Ursachen und Heilung ge halten. Eingangs erläuterte der Vortragende kurz die hauptsächlichsten Nahrungsmittel deren Zusammensetzung nach Nährwert und mineral ischen Bestand mit Hinweis wie man einige derselben zur Heilung der oben angeführten Krankheiten anzuwenden hat und gab die Er klärung daß die Milch mit das nahrhafteste und gesündeste Nährmittel in kranken und ge sunden Tagen sei. Weiter erklärte Herr Dreßler in sehr verständlicher Weise den Prozeß unserer Ernährung durch Speisen und Getränke von dem Augenblicke an wo wir selbige im Mund nehmen bis wieder zum Verlassen des Körpers nach erfolgter Verdauung und wies auf die Arbeiten der einzelnen Verduuungswerkzeuge, sowie deren Krankheiten und Heilung hin. Da augenblicklich im hiesigen Orte die Masern herrschen, erklärte der Vortragende auch diese Krankheit in kurzen und belehrenden Worten. Es war dieser Vortrag wirklich ein sehr lehr reicher und wäre es daher sehr erwünscht, wenn sich recht Viele dem hiesigen Naturheilverein anschließen würden, um unsern Ortseinwohnern öfters solche lehrreiche Vorträge bieten zu können. Auf der Bühne des Saales war von Herrn Klempnermeister Conrad ein Spring brunnen angebracht und war derselbe von Herrn Matthes durch grüne und blühende Pflanzen äußerst schön dekoriert, so daß das Ganze einen sehr guten Eindruck machte. Nachdem der für Jedermann belehrende Teil beendigt war hielt ein sehr gemütliches Tänzchen, zu welchem die Musik von der beliebten LehNert- schen Kapelle gespielt wurde, die Anwesenden noch längere Zeit in heiterster Stimmung bei sammen. — Gleichzeitig wollen wir nicht ver fehlen darauf hinzuweisen, daß der Herr Vor tragende Ende Februar einen Lehrkursuü über die AnwendungSformen der Naturheilmethode abhalten wird und ist die Beteiligung an dem selben auch Nichtmitgliedern gestattet. An meldungen nimmt Herr W. Hanta, sowie Herr F. Matthes gegen Hinterlegung von vorläufig 1 Mark entgegen. Näheres wird z. Z. durch Inserate bekannt gemacht. Von gestern Montag ab hat der Früh güterzug von Königsbrück nach Schwepnitz an allen Werklagen Personenbeförderung, jedoch nur in IV. Wagenklasse. Seine Abfahrt er folgt von Königsbrück früh 4 Uhr 4'- Min. — Die Länge der sächsischen Staats eisenbahnen (einschließlich der gepachteten und ausschließlich der verpachteten Strecken) belief sich am Ende des Jahres 1902 auf 3114,26 Kilometer. Gegen Ende des Jahres 1901 sind dies 56,06 Kilometer mehr. Hier von waren 2698,67 Kilometer (mehr 50,66 Kilometer) vollspurig und 415,59 Kilometer (mehr 5,40 Kilometer) schmalspurig. Dem Personen- und Güterverkehre dienten 3045,43 Kilometer, nur dem Güterverkehre 68,83 Kilo meter. — Seitens der sächsischen Staatsbahn verwaltung wird für diejenigen Tiere und Gegenstände, welche auf den Kunstausstell ungen in Bremen (vom 1. Februar bis 15. März) und in Königsberg i. Pr. (vom 8. März bis 19. April), auf den Geflügel ausstellungen in Oberlungwitz (12. Januar), Langreinsdorf bei Crimmitschau (12. Januar), Kamenz i. S. (1. Februar), Auerbach i. V. (2. Februar), Markranstädt (9. Februar), Strahwalde bei Herrnhut (10. Februar), Rade berg (10. Februar) Bcerwalde bei Schweikers- hain (16. Februar) und Colditz (16. Februar), sowie auf den Kaninchenansstellungen in Ehren friedersdorf (26. Januar), Buchholz i. S. (22. Februar) und Oberwürschnitz i. E. (23. Februar) ausgestellt werden, frachtfreie Rück beförderung auf den ihr unterstellten Linien unter den üblichen Bedingungen gewährt. jU— Die Zahl der Auswanderer ist ebenso wie in Bremen auch in Hamburg Ende des Jahres weiter gestiegen. Im Laufe des ganzen Jahres wurden über Hamburg 123 555 Auswanderer befördert, dagegen 1901: 92692, 189,: 35049. Unter den Auswanderern waren die Hälfte Russen, 17 854 Deutsche. L a u s a. Die dem Prinzen von Schön burg-Waldenburg auf Hermsdorf gehörigen Teiche scheinen schon längere Zeit von Fisch dieben heimgesucht zu werden. In der Nacht zum Freitag gelang es Herrn Mühlenbesitzer Felchner, drei Mann am Mühlteich in der besten Arbeit zu überraschen. Sie entflohen in der Richtung nach Weixdorf zu, Angelgeräte und die bereits gefangenen Karpfen zucück- lassend. — Die älteste Person der hiesigen Gegend dürfte die in Weixdorf wohnhafte Lehrcrswittwe Frau Christiane Böthig sein. Sie vollendet am kommenden Mittwoch ihr 98. Lebensjahr in geistiger und körperlicher Frische. Klotzsche. Zu dem bereits in unserer letzten Nummer erwähnten blutigen Ehedrama, welches sich am vergangenen Donnerstag Nach mittag zwischen 4 und 5 Uhr im Hause Königs brücker Straße 43 abspielte, ist noch zu er wähnen, daß sich die Ehefrau des Selbst mörders Haufe, welche bekanntlich durch fünf Revolverschüsse von ihrem Gatten niedergestrcckt worden war, außer Lebensgefahr befindet. Sämtliche fünf Kugeln sind gefunden worden, sie hatten glücklicherweise in der Hauptsache nur Fleischwunden verursacht. Frau Haufe befindet sich zur Zeit in ihrer Wohnung in ärztlicher Behandlung. Es bestätigt sich, daß eheliche Zwistigkeiten wohl die Hauptursache zu dieser blutigen That bilden. Die Hauptschuld hieran scheint den Mann zu treffen. Die beiden Eheleute, welche nur ein Kind und zwar einen Knaben haben, der kommende Ostern die Schule verlassen soll, waren erst vor einiger Zeit von Meißen nach hierher verzogen und hasten ein Delikatesten- und Wurstwarengeschäft angefangen. Die Blutthat selbst hat sich denn auch in dem Laden abgespielt. Als um die angeg bene Zeit beide Ehegatten sich im Lokal befanden, feuerte plötzlich der Ehegatte auf seine Frau die fünf Revolverschüsse ab, die auch sämtlich trafen. Die Frau hatte jedoch noch so viel Kraft, sich bis zur Ladenthüre zu schleppen, während der Mann in der Meinung, die zu sammensinkende Frau sei tot, schnell die Ja lousien an seinem Laden herabließ, sich vor den Spiegel stellte und sich eine Kugel durch den Kopf schoß. Er war, wie auch die Frau, zirka 40 Jahre ult. Dresden. In der Nacht zum Sonn tag ivurde von Beamten der hiesigen Kriminal abteilung in einem Cafä der Vorstadt Löbtau eine Gesellschaft veim verbotenen Spiele „Pokern" aufgehoben. Es waren größtenteils als Spieler bekannte Personen, die seinerzeit ihre Tätigkeit nach Löbtau verlegt hatten. — Die Mitteilung, daß die Dresdner Polizeidirektion den Verkauf der Ansichts postkarte mit dem Doppelbildnis der Kron prinzessin und Girons verboten habe, bestätigt sich nicht. Die Karte ist nur in Leipzig wegen eines preßgesetzlichen Vergehens beschlagnahmt worden. Es war übersehen worden, den Namen des Herstellers und Verlegers auf der Karte anzugeben. Sache der Händler wäre es nunmehr, auf den Verkauf dieser geschmack losen Karte zu verzichten. — Der sächsische Vertreter der Frau Kron prinzessin, Herr Rechtsanwalt Dr. Felix Zehme, ist am Sonnabend Nachmittag nach Genf abgereist, um mit dem schweizerischen Vertreter der Kronprinzessin, Advokat Lachenal, und dem Vertreter des Kronprinzen, Justizrat Dr. Körner-Dresden, in Verbindung zu treten und die bisher schriftlich geführten Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Im Laufe der in Genf zwischen den Rechtsanwälten Dr. Körner und Lachenal geführten Verhandlungen beginnt, wie das „Neue Wiener Tageblatt" wissen will, sich in den Entschließungen der Frau Kron prinzessin Luise ein Umschwung zu zeigen. Die Kronprinzessin soll angeblich nicht mehr abgeneigt sein, sich von Giron zu trennen, nachdem ihr von allerhöchster Stelle völlige Bewegungsfreiheit zugesichert und ihr gestattet worden sei, ihrer Entbindung in einem öster reichischen Schlöffe entgegenzusehen. Bereits in den allernächsten Tagen müsse die end gültige Entscheidung fallen. — Nach einer weiteren Meldung hegt man auch in toskanischen Hoskreisen die sichere Erwartung, daß die Kronprinzessin sich definitiv von Giron trennen und nach Oesterreich zurückkehren wird, um in einem der österreichischen Schlösser ihrer Ent bindung abzuwarten. Bärwalde bei Radeburg. Am 7. dieses Monats wurde die im Laufe des letzten Jahres in der Nähe der altertümlichen Orts kirche erbaute neue Schule dem Gebrauche übergeben. Sie ist nach dem Plane des Herrn Baurates Adam in Dresden von Herrn Bau meister Dietz in Radeburg errichtet. — Auf der Zschierener Flur wurde am Montag Abend der königliche Hegemeister Noack aus Klein-Zschachwitz von Wilddieben an- geschofsen und am rechten Arme erheblich ver letzt. Die Schrotkugeln konnten noch am selben Abend vom Arzt entfernt werden. Von dem Thäter hat man bis jetzt noch keine Spur- Bautzen. Durch Selbstmord aus dem Leben geschieden ist am Mittwoch früh der Seifenfabrikant Hermann Lehmann. Wie ver lautet, hat er sich im Keller seines Hauses die Kehle durchschnitten. Lehmann, der als ein sehr wohlhabender Mann gilt, stand erst im 61. Lebensjahre. Die That soll er in einem Anfalle von Schwermut begangen haben. Löbau. Erschaffen aufgefunden wurde am Dienstag gegen Abend in der Nähe der Zuckerfabrik zu Löbau ein junger, etwa 28- jähriger Mann. Wie aus den vorgefundenen Papieren zu ersehen war, ist der Selbstmörder, der sich in die rechte Schläfe geschaffen hatte, ein junger Kaufmann namens Michler, dessen Mutter, eine Wittwe, in Herrnhut wohnen soll. Sebnitz. Das Jahr 1903 hat für eine Anzahl hiesiger Industriellen einen recht schlechten Anfang genommen, indem die Kunde von dem abermaligen Fallissiment einer amerika nischen Firma anlaugte, mit welcher Blumen fabrikanten von Sebnitz und Einsiedel in ge schäftlicher Beziehung standen. Handelt es sich nun auch nicht gerade um bedeutende Summen im Stile der modernen Pleiten, so sind die Verluste für die Betreffenden doch recht fühlbar. Geising, 9. Januar. Gestern früh brach im Erbgericht zu Fürstenau ein großes Schadenfeuer aus. Das Seitengebäude mit dem eingebauten Tanzsaal wurde ein Raub der Flammen. Als Brandstifter wurde der im Erbgericht bedienstete Kleinknecht festgenommen. — In Obercrinitz bei Kirchberg hat sich ein schweres Unglück ereignet. Es sollte bei dem Gutsbesitzer Ungethüm eine reparirte Dreschmaschine geprüft werden. Als nun der 'Maschinenbauer die an den Göpel gespannten Zugtiere antrieb, um die Maschine in Gang zu setzen, ist Herr Ungethüm, der, ohne ein Ahnung von dem Vorhaben des Maschinen bauers zu haben, so fürchtertich verletzt worden, daß er nach kurzer Zeit starb. Buchholz, 9. Januar. In der Kühl anlage des vor einem Vierteljahr eröffneten städtischen Schlachthofes ist in der vergangenen Nacht die von einer auswärtigen Firma ge lieferte Decke niedergebrochen. Es ist eine so genannte balkenlost Decke, wie sie neuerdings viel angewendet werden. Auch für die anderen Gebäude des Schlachthofes hat man diese Kon- truktion gewählt. Olbernhau, 12. Januar. Ein Opfer eines Berufes geworden ist der hiesige, in veiten Kreisen überaus beliebte Arzt Or. msä. Bertrand, der sich am 14. vorigen Monats bei einer Operation eine Blutvergiftung zuzog, die seinen Tod herbeiführte. Werdau, 10. Januar. Ein hiesiger Einwohner begab sich von hier zum Besuche einer Eltern nach Zwickau, wurde dort plötzlich zeistesgestört, sprang in die Mulde und ver- chwand io den Fluten. Sein Leichnam ist noch nicht gefunden worden. Glauchau, 9. Januar. Der nach Unterschlagung von über 1000 Mark Spar geldern des hiesigen Militärvereins „König Albert" flüchtig gewordene Kassierer, Drechsler Gohr, hat sich in Zwickau der Polizeibehörde gestellt. — Eine auswärtige mechanische Weberei beabsichtigt, ihren Betrieb nach hier zu verlegen. Meerane, 10. Januar. In drei Ver- ammlungen der Streikenden wurde beschlossen, am Montag die Arbeit wieder auszunehmen. An Streikgeldern sind bis jetzt (der Streik hat ein volles Vierteljahr gedauert) 200 000 Mk. ausgezahlt worden. In den letzten Tagen hatten zwischen Vertretern beider Parteien Verhandlungen stattgefunden und ein Ergebnis gezeitigt, das die Hoffnung auf eine Einigung erwarten ließ. — Der Fabrikweber Hermann Müller, der in der Hohenneujahrsnacht den Schutzmann Aaron im Verein mit mehreren Personen thätlich angriff und ihn hierbei seiner Mütze und seines Seitengewehres beraubte, hat in der Nacht zum Freitag im hiesigen Amts» gerichtsgefängnis Selbstmord durch Erhängen begangen. — Etwa 360 aus dem hiesigen Konsumverein „Haushalt" ausgetretene Mit glieder beabsichtigen einen neuen Konsumverein zu gründen. Meerane, 11. Januar. Der nun mehr beendete Streik der Fabrikweber ist von den Arbeitern nicht ganz vergebens geführt worden. Nach dem von beiden Seiten an genommenen einheitlichen, für alle Webereien gültigen Mindestlohntarif haben die Weber eine Aufbesserung ihrer Löhne von durschnittlich 10—15 Prozent erreicht. In den beiderseitig getroffenen Vereinbarungen heißt es, daß die Arbeit Montag früh 8 Uhr wieder ausgenommen wird und Maßregelungen der Arbeiter nicht stattfinden. Wo bisher höhere Löhne als nach dem Tarif, welcher in allen Webereien auszu hängen ist, gezahlt wurden, sollen sie auch weiter beibehalten werden. Die Kommission wurde ferner beauftragt, dahin zu wirken, daß dieser neue Lohntarif auch in Glauchau aner kannt wird. Die Fabrikanten haben sich ver pflichtet, solange in Meerane Arbeiter zu haben sind, keine auswärtigen einzustellen. Von den rund 1900 Ausständigen waren mit wenigen Ausnahmen alle für Wiederaufnahme der Arbeit. Der Streik hat mit der heute Sonn tag erfolgenden letzten Auszahlung die runde Summe von 200 000 Mark gekostet. Neben einer kleinen Lohnerhöhung haben die Arbeiter ferner noch erreicht, daß eine siebengliedrige Kommission eingesetzt wird, welche etwaige Differenzen bezüglich des Lohntarifs oder all gemeine Fragen erledigen soll. Diese Kommission besteht aus einem Ratsmitgliede als unpartei ischen Vorsitzenden, drei Fabrikanten und drei Arbeitern. In einer am 3. Januar in Zwickau stattgefundenen Versammlung ist ein Verband der sächsisch-thüringischen Webwaren fabriken gegründet worden, der die Städte Meerane, Glauchau, Reichenbach, Mylau, Netzsch kau. Greiz, Gera und Ronneburg umfaßt. Dieser Verband bezweckt, allen ungerechtfertigten Forderungen der Arbeiter gemeinsam entgegen zutreten.