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Ottendorfer Zeitung. Vic „Vtlcndorjci,-cüm»g' erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm» von Inseraten bi« vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. fLr die Spaltzetle berechnet Tabellarischer Satz nach b». sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 141. Freitag, den 24. November 190S 4. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf.Vkrilla, 23. Nov«nber t405. — Warnung vor Haarfärbemitteln! Wieder holt ist es in letzter Zeit vorgekommen, daß Personen, die Haarfärbemittel gebraucht haben, an Entzündung der Haut des Kopses, des Gesichts, de» Halses, zuweilen auch der Brust und der Arme, mitunter begleitet von nervöser Erregung, ernstlich erkrant sind. Insbesondere sind solche Fälle bei der Verwendung von „Nucin" und „Nutin,, beobachtet worden. Die Bezeichnung dieser Mittel soll an Nußsaft erinnern und auf den Etiketten und Umhüllungen wird die Versicherung gegeben, daß „Viteks Nucin" Nußextrakt sei und nur aus unreifen Wallnußschalen zubereitet werde, „Nutin" aber als unschädliche giftfreie Nußfarbe an zusehen sei. Statt dessen enthalten diese Mittel keine Spur von Nußextrakt, sondern nach der auch hier vorgenommenen chemischen Unter suchung einen früher zur Färbung von Pelz werk verwendeten, wegen seiner gesundheits schädlichen Wirkung auf die Arbeiter wieder aufgegebenen chemischen Körper, das „Paraphen ylendiamin", vor dessen Gebrauch zum Haar färben schon in anderen Ländern gewarnt worden ist, — Bei Erfüllung der nöligen Formalien steht der Erbauung von Krematorien im König reich Sachsen nichts mehr entgegen, denn ent gegen der seitherigen Auffassung der Staats regierung hat das Oberverwaltungsgericht in einer neuerlichen Entscheidung ausgesprochen, daß für das Königreich Sachsen ein gesetzliches Verbot der Leichenvcrbrennung (Feuerbestattung) nicht bestehe, dabei jedoch die Frage unter welchen Bedingungen die Benutzung von Krematorien (LeickenverbrennungS - Anstalten) zum Zwecke der Leichenverbrennung gestattet werden könne und alle unberührt gelassen und überhaupt alle Erwägungen ousgeschieden, welche vom sanitären, kriminalistischen und christlichreligiösen Standpunkt aus für oder gegen die Zulassung der Feuerbestattung sprechen. Die in den letzteren Richtungen bei Anwendung dieser Bestattungüform zu berück sichtigenden, das allgemeine und öffentliche Interesse in hervorragendem Maße berührenden Fragen werden nach Ansicht der beteiligten Ministerien im Wege der Landesgesetzgebung zu regeln sein und ist das diesfalls Erforderliche bereits etngeleitet worden. Sollten inzwischen Gemeinden, Vereine oder Private zur Er richtung und weiteren Ausgestaltung von LeichenverbrennungS-Anstalten verschreiten, so ist von deren Ingebrauchnahme bez. vor Ge stattung derselben zunächst unter Beifügung der bezüglichen Unterlagen, insbesondere auch der Gutachten gehörter Sachverständiger Bericht an die zuständige Kreishauptmannschaft und durch diese an das Ministerium des Innern zu er statten. Dresden. Am Sonntag traf ein Gendarm auf dem Postplatze einen jungen Mann mit vollständig durchnäßter Kleidung und brachte ihn auf die nächste Bezirkswache. Hier gab der junge Mensch an, daß er ein Malerlehrling aus einem Nachbarort sei, gegen 3 Uhr nachts in selbstmörderischer Absicht in den Palaisteich im Königlichen Großen Garten gesprungen sei, sich aber wieder an das Land gearbeitet habe und seitdem in der Stadt umher gezogen sei. Alles dies habe er unternommen, weil er mit einem ^Freunde seinen 8 Mark betragenden Wochenlohn vertan habe und sich vor der Strafe fürchte, die ihm von seiner Mutter bevorstehe. Ec wurde in das SiechenhauS übergeführt. — Der in Oberlößnitz im Alter von 80 Jahren verstorbene Rentier Rudolph Steinbach, der als edler Wohltäter der Lößnitz durch seine reichen Stiftungen große Wohltaten erwiesen hat, hat die Verwaltung seines gesamten Nachlaßes im Werte von mehreren 100 000 Mark den hiesigen Rate testamentarisch übertragen. Das hinterlassene Vermögen besteht auger barem Gelde aus mehreren prächtigen Villen mit prachtvollen Zier- und Obstgärten, sowie ausgedehnten zu Bauplätzen sich eignenden Ländereien. HainSberg. Ein eigenartiger Unfall trug sich unweit des hiesigen Bahnhofs zu. Ein Arbeiter aus Dresden, der mit den 7 Uhr 18 Min. abends von Rabenau abgehenden Personenzuge nach Hainsberg fuhr, wurde unterwegs von einem Schwindel befallen und stellte sich, um sich zu erholen, auf die Platt form des von ihm benutzten Wagens. Während der Fahrt von Coßmannsdorf nach Hainsberg ist er von dem Wagen abgestürzt und in die jetzt ziemlich viel Wasser führende Weißeritz gefallen. Ein Weichensteller half den voll' ständig Durchnäßten aus seiner gefährlichen Lage und führte ihn dem Hainsberger Bahn hose zu. Mit dem 9 Uhr 8 Minuten abends von dort abgehenden Personenzuge konnte der Verunglückte seine Fahrt nach Dresden fort setzen. Außer einigen Hautabschürfungen im Gesicht hat er von dem Sturze keine weiteren Verletzungen davongelragen. Pirna. Mit dem Submissionswesen be schäftigte sich erneut die hier ins Leben ge rufene Vereinigung der Handwerksmeister. In einer an den Stadtrat gerichteten Petition war gewünscht worden, daß bei öffentlichen Wettbewerben der Mindestfordernde, sowie Be werber, deren Preisangebote um mehr als 10 Prozent hinter dem Durchschnittspreis der Angebote zurückbleiben, für gewöhnlich aus geschlossen werden und eine Berücksichtigung nur aus besonderen Gründen zulässig sei. In seiner Antwort hierauf erklärte der Rat, daß das Prinzip, die Arbeiten hiesigen Gewerbe treibenden zu übertragen, von ihm auch in Zukunft festgehalten werden solle, daß im übrigen aber die Steuerzahler einen Anspruch darauf haben, daß die Arbeiten so gut und auch so billig als möglich ausgesührt werden. Es werde von der Uebertragung einer Arbeit an den Mindestfordernden in ver Regel nur dann abzusehen sein, wenn aus den Umständen erhelle, daß die Arbeit für den geforderten Preis gut und sachgemäß nicht zu liefern ist oder der Betreffende sonst keine Gewähr für eine sachgemäße Ausführung bietet. Mit dieser Antwort hat sich nunmehr die Handwerks- Meisterschaft nicht für befriedigt erklärt, sondern beschlossen, weitere Schritte zur Besserung des Submissionswesens zu unternehmen. Herrnskretsch en. Unter Vorsitz des Herrn Amtshauptmanns aus Pirna fand hier eine Besprechung mit denjenigen Holzhändlern statt, die insbesondere an der Flößerei auf der oberen Elbe beteiligt sind. Es galt dabei, Vorschläge entgegen zu nehmen, die den Bau von Glbebuhnen zwischen der Landesgrenze bis nach Pirna hinunter betreffen. Um die dabei in frage kommenden Stellen die bereis ab gesteckt waren- in Augenschein zu nehmen, fand am Montog nachmittag von hier aus eine gemeinsame Dampfschiffahrt von Herrnskretschen dis nach Pirna statt, Meißen. Als am Sounabend Nachmittag der Pächter der fiskalischen Weidenpflanzungen Herr Leuteritz, mit seiner Frau und seiner verheirateten Tochter von der Güldenen Aue nach der Karpfenschänke in seiner eigenen Schaluppe überfuhr, fuhr er an einen dort liegenden Frachtkahn derartig an, daß die Schaluppe Wasser schöpfte und unterging. Die drei Insassen fielen in den Strom, konnten sich aber glücklicherweise an der Ankerkette des Frachtkahnes festhalten, bis auf ihr lautes Hilferufen Schiffer und Arbeiter herbeikamen und alle drei herausbrachten. Ob das kalte Bad für die Verunglückten ohne gesundheitliche Gefährdung vorübergehen wird, bleibt ab zuwarten. Alle drei Personen waren bis an die Schultern im Wasser und von der Kälte ganz starr geworden. Zittau. Am Sonnabend Abend gegen */z7 Uhr entgleisten auf der Station Zittau- Schießhaus beim Rangieren des Oybin — Zittauer Güterzuges Nr. 5058 zwei geladene Güterwagen von der Weiche 1, wodurch der Verkehr nach Zittau-Bahnhof gesperrt wurde. Der nachfolgende Personenzug Nr. 5036 konnte deshalb nur bis zur Station Zittau-Schießhaus abgelassen werden, während bei dem 7 Uhr 40 Min. abends von Zittau-Bahnhof nach Oybin fällige Personenzuge Nr. 5037 der Verkehr durch Umsteigen aufrecht erhalten wurde. Weitere Störungen sind durch den Unfall nicht eingetreten. Zittau. Eine recht unangenehme Wendung hat der in den hiesigen Phänomenfahrrad werken von Gustav Hiller ausgebrochene Streik für die beteiligten 465 Arbeiter genommen. Der Zweck des Streiks war zunächst nur der, einige Verbesserungen von BctriebSeinrichtungen zu errüchen, und die auf dem Rathause ge führten Verhandlungen zwischen den Parteien führten in dieser Richtung auch zu einer Ver ständigung. Die Fabrikleitung trat jedoch hier-- auf mit einer teilweisen Verminderung der Akkordlohnsätze hervor, die sie schon lange be absichtigt habe. Sie habe nur deshalb davon Abstand genommen, weil sie die Arbeiter nicht in Erregung setzen wollte; jetzt sei aber durch den Streik der Arbeiter diese Erregung er zeugt worden und nun wolle die Fabrikleitung ihre längst ^gehegte Absicht durchführen. Die Fabrikleitung erklärte außerdem, daß sie nur mit jedem einzelnen Arbeiter bezw. mit jeder Branche verhandeln wolle. Dies wurde jedoch in einer Versammlung der Streikenden ein stimmig abgelehnt und beschlossen, weiter zu streiken, Strehla. Die Untersuchung gegen den inhaftierten Gemeindebeamten Stecher in der dortigen Baumeister Obenausschen Schleusen bauangelegenheit scheint für ersteren belastend ausgefallen zu sein, denn es ist wider ihn das Hauptverfahren eröffnet worden. Die An gelegenheit zieht aber jetzt noch weitere Kreise. Der dortige Bürgermeister ist vom Amte suspendiert worden. Freiberg. Eine stürmische Stadtvertreter- Sitzung gab es in Freiberg. In vergangenen Jahre wurde bei der dasigen Gasanstalt eine Wassergasanlage errichtet und an dem alten Werk manches verändert, wozu die städtischen Kollegien 150000 Mark bewilligt hatten. Nachdem nun die Arbeiten vollendet waren, stellte sich heraus, daß 38176,84 Mark mehr aufgewandt worden sind. Von den Ueber- schreitungen ist jedoch seitens der Gaswerk direktion die eine gewisse Selbständigkeit in der Verwaltung ihres Betriebes besaß, weder dem Stadtrat noch dem Stadtverordneten-Kollegium Mitteilung gemacht oder eine Nachbewilligung beantragt worden. Da die Anlagen zweck entsprechend ausgesührt sind, blieb dem Kollegium nichts weiter übrig, als die Mehr kosten aus dem Staatssäckel zu übernehmen. Ueber dem Haupte des Gaswerksdirektors ent lud sich aber in der Debatte ein gelindes Un wetter. Als Grund für die Ueberschreitungen wurde von einigen Rednern der Umstand er blickt, daß die Voranschläge nicht genügend durchgearbeitet und geprüft worden sind. Leipzig. Ein aus Halle gebürtiger Handelsmann ward am Sonnabend früh ver haftet, weil er als Hehler bei einem großen Juwelen-Diebstahl fungiert hatte, welcher in der Nacht zum 30. Oktober iu Berlin verübt wurde. Wertsachen in Höhe von 25000 Mk. waren leider den Dieben dabei in die Hände gefallen. — Unter der Anklage des versuchten Raub mordes standen am Dienstag der Laufbursche Schulze, der Metallarbeiter Schlichtung und der Schuhmacher Preska, 16, 19 bez. 25 Jahre alt und alle drei wiederholt vorbestraft, vor dem Schwurgericht. Sie beschloßen am 23. August, sich unter allen Umständen Geld zu verschaffen, stahlen einen Revolver und eine Reptierpistole und planten deu Mord einer Lützener Marktfrau, fanden aber zur Aus- ührung des Verbrechens nicht die gewünschte Gelegenheit. Schlichting machte deshalb den Vorschlag, seine Großmutter umzubringen und u berauben, in der Wohnung der alten Frau anden sie aber keinen Einlaß. Am 25. August drangen die drei Banditen auf der Lukasstraße in den Laden der Trödlerin Nothnick, schlugen und würgten die Ueberfallene deren Hilfegeschrei jedoch noch rechtzeitig den Sohn der Frau herbeiführte, sodaß die Strolche flüchten mußten. Preska ward so gleich verhaftet, die beiden anderen am nächsten Tage. Das Urteil lautete für Schulze auf 5 Jahre und für Schlichting auf 5 Jahre 4 Monate Gefängnis, für Preska aber auf 9 Jahre Zuchthaus, 10 Jahre Ehrenrechts verlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. — In einem Fabriksaale (Johannisgasse Nr. 30) wollte am Dienstag früh eine dort leschäftigte Frau Müller ein Fenster öffnen, wobei sie von der im Gange befindlichen Transmission erfaßt wurde. Der Unglücklichen wurden die Haare mit der Kopfhaut vollständig abgerissen; schwerverletzt brachte man sie ins Hospital, Sayda. Der Schmiedemeister Jendretzky wurde verhaftet, er hat nach vorläusigeu Fest- teklungen etwa ein Dutzend Wechsel gefälscht- unter denen sich einer in Höhe von 2000 Mk. refinden soll. Der Mann führte einen flotten Lebenswandel, mit Vorliebe unternahm er Reisen in die Großstädie. Kurz vor seiner Verhaftung machte er sein Maschinenlager usw. u Gelde, um ins Ausland zu flüchten, doch vereitelte die Polizei seinen Plan. Kirchberg. Freigesprochen wurde vom Landgericht Zwickau der Lehrer Weinhold in Kirchberg von der Anklage der Körperverletzung. Er hatte einen Schulknaben der ihn auf der Straße nicht gegrüßt hatte, mit ins SchulhauS genommen und dort gezüchtigt. Johanngeorgenstadt. Das bisher einer belgischen Gesellschaft gehörige, seit längerer Zeit außer Betrieb stehende Grubenwerk de» ogenannten „Geschüb", beim sächsischen Edel- nulstollen bei Joachimsthal gelegen, beabsichtigte eine französische Bergbaugesellschaft wieder aufzukaufen; um dort den Betrieb dieser Grube, die nach neueren Forschungen ziemlich reich an Wismut und Silbererz ist, wieder aufzunehmen. Plauen i- V. Der 20 Jahre alte ledige Sticker Keck der in der Pfingstwoche seine Ge liebte zu ermorden versuchte, ihr aber nur einen geringfügigen Schnitt am Halse bei brachte, wurde wegen versuchten Totschlags zu zwei Jahren sechs Monaten Zuchthaus ver urteilt. — In dem Plauener Vergnügungs etablissement „Kyffhäuser" in dem Hunderte von Personen anwesend waren, geriet am Sonntag Abend gegen 10 Uhr eine auf der Bühne angebrachte Blätterlaube in Brand. Dadurch entstand eine Panik; alles stürzte den Türen zu, wobei eine Kellnerin zu Boden ge- rissen wurde, sodaß sie einen Beinbruch erlitten hat. Torgau. Vor dem Hause des Artillerie- Depots erfolgte am Montag ein Gasrohrbruch, was zur Folge hatte, daß das entwichene Gas sich durch das Erdreich hindurch nach dem Wohnhause zu einen Weg bahnte und unter den Dielen der Parterrezimmer sich an sammelte. Als zwei Familienangehörige des Zeugfeldwebels Brohm gegen */,7 Uhr das Wohnzimmer mit einer brennenden Lampe betraten, erfolgte eine furchtbare Detonation. Die Zimmerdielen wurden aufgerissen, die Fenster zertrümmert und die Türpfosten weg gerissen; die Möbel stürzten durcheinander, ein wüstes Chaos bildend. Es ist ein wahres Wunder zu nennen, daß die beiden Personen mit ziemlich ungefährlichen Verletzungen davon- kamen.