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Die „Vttcndorser Zeitung" «scheint Dienria.z, Donners- tag und Lonnabcnd abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme van Inseraten bis vormittag za Uhr. Inserate werden mit ,0 Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 66. Mittwoch, den 3. Juni 1903. 2. Jahrgang. Oertlichrs und Sächsisches. Vttendors-Dkrilla, 2. Juni 1903. Am Freitag abend wurden die Pferde eines Seifersdorfer Milchgeschirrs auf hiesiger Radebe.gerstraße durch Herabfallcn eines Milch- krugeS scheu und gingen durch. Der Kutscher des Geschirrs, der Sobn einer hiesigen Witwe, stürzte hierbei vom Wagen und erlitt durch überfahren einen doppelten linken Armbruch. Die Pferde wurden von herzugceilten Personen zum Stehen gebracht. " Vergangene Woche hatten zwei Rad fahrer in allernächster Nähe unseres Ortes einen eigenartigen Unfall. Dieselben fuhren infolge der Dunkelheit so gegeneinander, daß beide beim Stürzen das linke Schlüsselbein brachen, auch die Räder sollen fast ganz gleichmäßig beschädigt sein. — Der Juni bringt uns nach Falb in der ersten Hälfte ziemliche Trockenheit, in der zweiten Hälfte jedoch bedeutende Niederschläge mit Gewittern. Während die Temperatur an fangs normal bleibt, soll sie später stark sinken. Den 10. bezeichnet Falb als einen kritischen Termin 3., den 25. als einen solchen erster Ordnung. Dem hundertjährigen Kalender nach dürften die ersten acht Tage des Juni rauh, danach jedoch schön und warm werden bis zum 21. Vom 21. bis 24. soll regnerisches, windiges Wetter eintreten, in den letzten sechs Tagen aber abwechselnde Witterung herrschen. Dresden. Der Freitag abend ist an beiden Orten, wo sich an den vorhergehenden Tagen Tumultszenen abspielten, ohne weitere Zwischen fälle abgelaufen. Die Polizei hatte in der umfassendsten Weise Maßregeln getroffen, doch brauchte sie nirgends ernstlich einzuschreilen. Für alle Fälle war auch die gesamte berittene Gendarmerie bereit gestellt, konnte aber, ohne Angegriffen zu haben, in der 11. Stunde ab rücken. Wie wenig die ganze Sache mit dem Bauhandwerkel streike zu tun hatte, geht daraus hervor, daß die Verhüteten zum kleinsten Teile Bauhandwerker sind. Dresden. Der französischen Schauspielerin Sarah Bernhardt, die am Freitag abend zum letzten Male mit ihrem Ensemble im hiesigen Zentraltheater debütierte, ist während der Vor stellung aus der Theater - Garderobe ein Brillantschmuck im Werte von mehreren Hunderttausend Mark gestohlen worden. Von dem Täter, sowie von den Kleinodien fehlt noch jede Spur, doch hat die Kriminalpolizei sofort eine fieberhafte Tätigkeit entfaltet, der cs hoffentlich gelingen wird, den Dieb festzu nehmen. — Das Anklagematerial gegen die hier seit Wochen in Untersuchungshaft befindlichen Wett vermittler bei Rennen hat sich dermaßen an gehäuft, daß zur Abwicklung des bevorstehenden Prozesses voraussichtlich drei Tage sich nötig Machen werden. Die bis jetzt noch nicht ab geschlossene Untersuchung gestaltet sich äußerst kompliziert, da auch auswärtige Rennplätze und Auftraggeber mit in Frage kommen. Die Ge winne der verhafteten Vermittler sollen ganz bedeutend gewesen sein. Blasewitz. Die in einem Zeiträume von Mehreren Jahren von Herrn Schneidergehilfen Kempe kunstvoll in Tuch hergestellten und in Btldform gehaltenen großen, mit den Bildnissen Ihrer Majestäten des hochseligcn König Alberts und der Königin-Witwe Carola geschmückten Transparente, die als Geschenke für das zu erwartende golüne Hochzeitsjubiläum geplant waren, aber wegen des vorzeitigen Ablebens des Königs Albert nicht zur Überreichung ge langten, sind jetzt Residenzstraße 5 ausgestellt und können käuflich erworben werden. Großenhain. Der abends 9,16 Uhr hon hier nach KottbuL abgehende Personenzug ist Freitag abend bei Drebkau-PeterShain da durch zur Entgleisung gebracht worden, daß IÄose Hände eine Schwelle zwischen die schienen gezwängt haben. Zwei Personen- und ein Packwagen sind vollständig zertrümmert. Leider ist auch ein Menschenleben zu beklagen. Ein Hilfsbremser stürzte herab und wurde förmlich in Stücke gerissen. Schwer verletzt sind auch der Packmeister und ein Brems wärter, während der Zugführer mit leichteren Verletzungen davonkam. Am Sonnabend war das Gleis für den Verkehr wieder frei. Leicht verletzt sind drei Reisende, von denen zwei aus Kottbus, einer aus Dresden sind. Die Maschine ist bis zu den Kesselwänden in den Sand ge fahren. Seußlitz. Am Freitag nachmittag ereignete sich im hiesigen Orte ein bedauerlicher Unglücks fall. Beim Transport einer 2 Meter großen Sandsteinplatte, welche mit starken Ketten unter einsm Wagen befestigt war, sprang die Platte in Stücke. Das eine Stück schlug nach hinten und traf den Maurerpolier K-, welcher hinter dem Wagen herging, auf den rechten Fuß und schlug vier Zehen entzwei. K. mußte sofort zum Arzt gefahren werden: der Arzt ordnete aber an, den Verunglückten in das Krankenhaus zu überführen, was auch denselben Abend noch geschah. Mühlberg a. d. E. Einen recht dummen „Spaß", der sehr üble Folgen haben konnte, erlaubte sich hier ein Unbekannter. Der Maurer K. befand sich, ein Bund Stroh auf dem Rücken tragend, auf dem Wege von Boragk nach Mühlberg. Ohne daß er es be merkte, steckte ein hinter ihm her Gehender mit einem Streichholze das Bund Stroh in Brand. Bald loderten die Flammen lichterloh auf, wo durch dem Manne das Haar am Hinterkopfe abgesengt und der Hut verbrannt wurde. Der Mann hätte, wenn nicht zufällig Passanten in der Nähe gewesen wären, schwere Brand wunden davontragen, unter Umständen sogar verbrennen können. Döbeln. Infolge eines Unfalles erlitt am Freitag nachmittag der 4 Uhr 42 Minuten von hier nach Riesa abgegangcne Personenzug vor dem Bahnhofe zu Ostrau einen Aufenthalt. Kurz vor Ankunft des Zuges waren auf der stark abschüssigen Lommatzscher Straße, welche am Bahnhof Ostrau den Bahnkörper kreuzt, die Pferde des Gutsbesitzers Horst in Clanzsch- witz mit einem beladenen Lastwagen durch gegangen, hatten die Barriere durchbrochen und waren auf dem Bahngleis gestürzt. Dem Schrankenwärter gelang es durch lebhafte Zu rufe, den Lokomotivführer dicht vor der Unfall stelle zum Halten zu bewegen. Nachdem die Pferde wieder auf die Beine gebracht waren, konnte der Zug weiterfahren. Leipzig. In zahlreichen Fällen sind hier in letzter Zeit falsche Silbermünzen ungehalten und eingezogen worden. Teilweise sind die Falsifikate als sehr gelungen zu bezeichnen. — In einem Garten der Vorstadt GohliS spielte ein zweijähriges Kind wenige Augenblicke un beobachtet. Um sein Spielzeug wieder zu er langen, welches in ein mit Wasser gefülltes Faß gefallen war, hat sich das Kindchen jeden falls zu tief gebückt und ist in tum Fasse er trunken. Glauchau. Ein halbbekleideter, vom Kopf bis zu den Füßen vollständig tätowierter Mann wurde in einer der letzten Nächte bei der hie sigen Polizei eingeliefert. Der Unbekannte, dem angeblich die Oberkleider gestohlen worden waren, gab schließlich zu, daß er seine Kleider weggeworfen habe. Die Stadtverwaltung mußte ihn deshalb, und das hatte der Mann auch beabsichtigt, vollständig neu ausstaffieren. Stollberg. Ein gefährlicher Zusammen stoß zwischen Zigeunern und Einwohnern spielte sich am Donnerstag nachmittag in dem be nachbarten Neuwiese ab. In der Nähe des GasthnfeS hatte sich eine etwa 30 Köpfe starke Zigeunerbande gelagert, die im Laufe des nach mittags mit Einwohnern in Streit geriet. Dieser artete, als der Hauptkrakehler verhaftet weiden sollte, gefährlich aus, indem 6 bis 8 Zigeuner mit Dolch und Revolver auf die Einwohner losgingen. Im Verlauf dieses Kampfes, bei dem 2 Zigeuner verhaftet und in das Stollberger AmtsgerichtSgefängttiS ein geliefert wurden, erhielt der Bäckermeister Bauer einen tiefen Dolchstich in den Unterleib, der ihn tödlich verletzte, während ein anderer Ein wohner einen Nevolverschuß in die Brust, ein dritter einen solchen in den Oberschenkel erhielt. Die Zigeuner entflohen dann schleunigst, um sich den vorausgefahrenen Genossen wieder an zuschließen. Doch gelang es der zahlreich auf gebotenen Gendarmerie und Polizei von Stoll berg, Lößnitz und Alsnitz i. E., auf der fis kalischen Lößnitz-Stollberger Straße bei Gablenz die ganze Zigeunerbande dingfest zu machen und nach Stollberg zurück zu eskortieren, wo noch 6 Mann festgenommen, gefesselt und ins Königliche Amtsgerichtsgefängnis eingeliesert wurden. Scheibenberg. Trotz aller Versuche des Herrn Bürgermeisters, die Eltern der noch nicht konfiermiertcn einigen 30 jungen Leute ver söhnlicher zu stimmen, sind diese sämtlich auf ihren Standpunkt verharrt, ihre Kinder durch den Herrn OrtSpfarrer als selbständige Glieder in die christliche Glaubensgemeinschaft nicht auf nehmen zu lassen. Unter Berufung auf ihre an die vorgesetzten königlichen Behörden ein gereichten Beschwerdegründe bestehen die Eltern auf Stellung eines anderen Geistlichen. Zwickau. Von dem nachmittags Vs 2 Uhr von Chemnitz hier eintreffenden Güterzuge ist am Freitag bei der Einfahrt in den hiesigen Bahnhof die Lokomotive entgleist. Glücklicher weise hatte der Unfall keine ernsten Folgen. Die Störung war gegen 4 Uhr nachmittags wieder behoben. Plauen i. V. Vor dem Hause des Stickerei fabrikanten von Albert Schwarz ereignete sich Donnerstag vormittag eine bedeutende Benzin- Explosion, bei der die Flammen bis zum ersten Stockwerke empo: schlugen. Ein Arbeiter, der Schuld an der Explosion war, verbrannte sich an den Händen, auch wurde das HauS beschädigt. Bad Elster. Unter den Hühnern einiger hiesigen Federviehbesttzern ist jetzt eine an steckende Krankheit ausgebrochen, der bereits eine größere Anzahl Tiere zum Opfer gefallen sind. Den Tieren fließt ununterbrochen Speichel aus dem Schnabel und in wenigen Stunden tritt der Tod ein. Der Kamm und der ganze Körper sehen bei den verstorbenen Tieren karmoisinrot aus. Man nimmt an, daß die Krankheit aus Böhmen eingeschleppt worden ist- Nus der Woche. Wie Goethe seinen Reinecke Fuchs einer längst vor ihm bekannten altdeutschen Dichtung „nachempfunden" hat, so muten einen auch die meisten Pfingstbetrachtungen als Nachempfindung der Eingangsverse jenes Goetheschen Poems an. Nur ein kleiner Unterschied besteht: während Goethe eine Tierfabel ihrem Inhalte und ihrer Form nach auf die denkbar höchste Höhe der Poesie hob und das Pfingstfest nur nebenher feierte, gelingt es seinen Epigonen nicht, Besseres darübeo zu sagen, als der Altmeister. Und die Schlauesten sind noch diejenigen, die Goethes eigene Worte, das „Pfingsten, das liebliche Fest" zitieren. Der Feiertagsfriede wird in diesem Jahre durch die politischen Er eignisse nicht allzuarg gestört, wenn auch in Deutschland die Nähe der Reichstagswahlen die sonst um diese Jahreszeit ziemlich idyllische Verschnaufpause der Parlamente vermissen läßt, — wenn auch in Macedonien kleinere Banden gefechte aufgeführt werden und in Marokko die Prätendentschaft BuhamaraS durch eine solche Sidi Mohammed den Elhassan Essimlalis ab gelöst worden ist, so ist doch keine dieser Tat sachen imstande, stärkeres und allgemeineres Interesse auf sich zu vereinigen. In dieser Beziehung hat in vergangener Woche ein Ge schehnis nichtpolitischer Art den Vogel ab geschossen: die Automobilfahrt Paris-Madrid. Feinere Beobachter der Volksseele sprechen von einer Degeneration unserer Zeit, die man bis vor dritthalb Jahren mit km äe siools be zeichnete. Die von Anstrengungen, Aufregungen und verfeinerten Genüssen strapazierten Nerven der Kulturmenschheit fordern zu ihrer Neu belebung immer stärkere Anreizmittel und so ist man denn, ausgehend von der Geist und Körper erfrischenden einfachen Form des Reit-, Rad-, Schwimm- rc. Sports zu den über triebensten Formen gelangt und ihren Gipfel punkt haben diese Uebertreibungen wohl im Automobilsport gefunden. Für dieses Jahr hatten sich die Pariser Automobilisten für eine Fahrt nach Madrid entschieden, die indes nicht zur vollen Durchführung gelangte, denn bereits am ersten Tage der Fahrt kamen acht Menschen zu Tode und 24 wurden mehr oder minder verletzt. Sowohl die französische wie die spanische Regierung verboten hierauf die Fort setzung der tollen Fahrt. Was diese unsinnigen Wettfahrten auf der Landstraße für einen Zweck haben sollen, ist nicht recht ersichtlich. Kann der auf einem übelriechenden und Staub aufwirbelnden Wagen sitzende Fahrer, der seine Augen zudem gegen den scharfen Zugwind mit verglasten Scheuklappen bewehren muß, sich am Anblick der grünenden Wälder und Auen er freuen? Hat er auch nur Sinn für dieselben, da er seine ganze Aufmerksamkeit dem prusten den und fauchenden Ungetüni widmen muß, auf dem er dahinrast? Wenn aber für Degenerierte das schnelle Fahren an sich den erwünschten Nervenkitzel bietet, so mögen sie diesem Sport in geschlossenen Rennbahnen fröhnen, wo sie nur selbst ihre Haut zu Markte tragen, ohne harmlose Spaziergänger, spielende Kinder und das sich auf der Landstraße ab rackernde Arbeitervolk in Mitleidenschaft za ziehen. Tageskalender für Mtendorf-Moritzdorf. Kaiserliches Postamt: Ottendorf-Okrilla, Radebergerstraße, geöffnet an Wochentagen von 7 Uhr bis 12 Uhr vormittags und 3—6 Uhr nachmittags. An Sonn- und Festtagen: 7 bis 9 Uhr vormittags und mittags von 12 bis 1 Uhr. Königliches Standesamt: Groß-Okrilla, Königsbrückerstraße. Königliche Gendarmeriestation: Gendarm, Köhler, Hermann, Radebergerstraße 25 L. Königliche Schlachtsteuereinnahme: Ein nehmer: Knöfel, August, Radebergerstraße. Königlicher Bezirksarzt: Hesse, Walther, vr. meä. Geh. Medizinalrat, Dresden- Strehlen, Julius-Ottostratze 11. Königlicher Bezirkstierarzt: Beier, Otto Dresden-Neustadt, Löbauerstraße 14. Gemeindeamt: Radeburgerstraße, Geschäfts zeit 8 Uhr Vormittags bis 1 Uhr Mittags, 3 bis 6 Uhr Nachmittags an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen von 8 Uhr ununterbrochen bis 3 Uhr Nachmittags. Die Gemeindekaffe 8 bis 1 Uhr, schließt bereits 5 Uhr und expediert an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen nur bis 2 Uhr. Schule: Radeberger- und Dresdnerstraße. Vorsitzender des Schulvorstandes: Ge meindevorstand Lincke. Schuldirektor End ler, Dresdnerstraße. Geschäftszeit: An den Wochentagen von 9 bis 10 Uhr Vor mittags, sonst unbestimmt. A erzte: Theurich, Hugo, vr. rnoä., Radeburger straße 78o. Kleikamp, Gustav, vr. meä. und Jmpfarzt, Kirchstraße 370. Wissenschaftliche Fleis chbeschauer: Slom- ke, Oskar, Amtstierarzt u. Roßarzt; Barthel, Roßarzt, Königsbrück. Stellvertreter: Neu mann, Carl, approb. Tierarzt, Radeberg. Bezirksschornsteinfeger: Püschel, Hermann Radeberg-