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Ottendorfer Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »»n Inseraten bis »»rmittaz 4» Uhr. Inserate werden mit 10 Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 119. Sonntag, den 4. Oktober 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, 2. Oktober 1S03. — Für Freund Lampe schlug nun die Schicksalsstunde. Mit seiner beschaulichen Sorg losigkeit ist es vorbei. In seiner Ruhe ließ er sich in den letztoergangenen Wochen nur vor übergehend stören, wenn flintenbewaffnete Nim rode mit spürnasigen Hunden durch das Feld zogen und in die armen Rebhühnervölker hincinknallten. War das ein Lärm und Ge knalle, ordentlich atembeklemmend und auf regend I Doch Freund Lampe merkte bald, daß ihn die Geschichte eigentlich gar nichts anging. Daß da drüben die Rebhühner aus der Luft heruntergeholt wurden und tätlich getroffen in die grüne Flur fielen, war ja gewiß bedauer lich, schon weil Frau Rebhuhn eine so zierliche Nachbarin war, aber ändern konnte man doch die Sache nicht. Wenn er aber jetzt, da die ersten Schüße knallten und ihm die Schrote um Nase und Löffel sausten, erschreckt dachte: „Welch ein Irrtum! Da drüben sind doch die Rebhühner I", so wird ihm das nichts nützen, auch er muß jetzt „daran glauben", nachdem seine Zeit gekommen. — Der Lehrermangel in Sachsen ist nach Zeitungsmelüungen noch immer derart groß, baß man auch in diesem Jahre wieder etwa die Hälfte der Primaner sämtlicher Semi nare bereits vor Michaelis einer vorläufigen Prüfung unterziehen muß, damit sie als Mare an den Schulen Verwenvung finden können. — Seit dem 1. Oktober d. I. werden an den Kaffenstellen der sächsischen Staatsbahnen die Frankaturen und Überweisungen auf Send ungen nach beziehungsweise aus den Ländern der Frankwährung erfolgt. Die auf Sendungen von Deutschland haftenden Nachnahmen werden zum Kurse von 100 Frank gleich 80 M. 70 Pf. umgcrcchnet und an die Versender ausgezahlt. Dresden. Donnerstag morgen ließ sich in aller Stille in der katholischen Hofkirche Felix Schweighofer zum zweiten Male trauen und zwar mit einer langjährigen Freundin seiner verstorbenen Gattin, der auch schon im reiferen Alter stehenden Bühnenkünstlerin Fräulein Albrecht. — Der glückliche Gewinner des großen Loses der 10. Wohlfahrtslotterie, welches be kanntlich auf die Nummer 49560 in die hie sige Lotterie-Kollektion von Viktor Bischoff, an der Frauenkirche 22, gefallen ist, ist ein Markt helfer der hiesigen Mohrenapotheke auf dem Pirnaischen Platze. Derselbe, ein schon älterer Mann, spielt das Los allein, und so wird der Glückliche in den nächsten Tagen, nach Be endigung der gegenwärtigen Ziehung, einen Reinbetrag von 100 000 M. sein eigen nennen. — Die erste städtische Trinkerheilanstalt des Kontinents wurde am 1. Oktober von der hie sigen Stadt im nahen Klingenberg nur für männliche, in Dresden untelstützungswohnsitz- berechtigte Trunksüchtige, die sich freiwillig auf nehmen lassen, eröffnet. Die Anstalt wird vom Krankenpflegeamt verwaltet, durch einen von seiner Gatnn unterstützten und gleich dieser abstinenten Hausvater häuslich geleitet und vom Stadt-JrrenhauS aus ärztlich überwacht werden. — Große Obsttransportzüge gehen jetzt in Eilgüterzügen durch unsere Stadt. Der reiche Obstsegen stammt aus Österreich und geht nach Norddeutschland. Ebenso bedeutend ist der Obsltransport auf der Eibe, wo ein einziger Kahn manchmal die Ladung eines ganzen Eisenbahnzuges befördert. Die Schiffe gehen zumeist durch den Plauenschen Kanal in die Havelseen nach Berlin, oder aus der Havel weiter durch den Finowkanal nach Stettin. Radebeul. Am Donnerslag früh gegen Uhr erfolgte in der chemischen Fabrik von Heyden eine Explosion, wodurch das Gebäude in Brand gesetzt wurde. Derselbe wurde noch m Entsteh en von der Fabrikfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr gelöscht. Die in dem Raume, wo die Explosion erfolgte, beschäftigten Arbeiter August Walther aus Wahnsdorf und Otto Ludwig aus Mikten sind schwer verletzt. Sie wurden mittels Krankenwagens in das Krankenhaus der Diakonissenanstalt zu Dresden übergeführt. Großenhain. Vom Zuge überfahren wurde Mittwoch mittag halb 4 Uhr unweit Nasseböhla eine Kuh. Der Kuh, welche tragend war, wurde das Hinterteil abgefahren. Wunder barerweise lebt das Kalb. Stolpen. In der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch geriet der mehrfach mit Ge fängnis bestrafte Knecht Heyl hierselbst in Streit mit dem Knecht Seiferth, und stieß diesem dabei sein Messer in den Rücken. S. hatte sich offenbar über das laute Gebühren H.s aufgehalten und diesen dadurch gereizt. Kurze Zeit nach seiner Verwundung starb der Bedauernswerte. Der Täter wurde flüchtig, ist jedoch bereits Mittwoch abend von zwei Gen darmen im Amtsgericht Pegau eingeliefert worden. Kamenz. Förster Nehde in Milstrich er legte dieser Tage einen Bussard von 130 Zenti meter Flügelspannung. Dorf Wehlen. Einen unwillkommenen und seltenen Besuch erhielt in einer der letzten Nächte der Gehilfe des Schmiedemeisters B- hierselbst. Dieser Gehilfe schlief in seiner Kammer den Schlaf des Gerechten, als er durch Nagen an seinem Kopfe wach wurde. Zunächst legte er sich auf die andere Seite, um weiter zu schlafen. Als sich die Nagerei noch zweimal wiederholt, stand er auf und brannte Licht an. Zu seinem nicht geringen Erstaunen sah er am Kopfende seines Bettes einen Steinmarder sitzen, der ihn mit mord gierigen Augen anglotzte und der, wahrscheinlich geblendet durch das jähe Licht, nicht sofort die Flucht ergreifen konnte. Durch das am Tage offenstehende Kammerfenster hatte sich der Marder Eingang verschafft. Schnell ergriff nun der Gehilfe ein an der Wand hängendes Gewehr und erschlug damit den frechen Ein dringling. Puschwitz. Eine grausige Tat hat das Dienstmädchen Löschau, das hier beim Töpfer meister Barchmann in Diensteu stand, verübt. Das 18jährigs Mädchen hat ihr neugeborenes Kind im Garten lebend verscharrt und hierauf mit einer Hacke darauf zugeschlagen. Nach dieser Tat ist die entmenschte jugendliche Mutter ruhig ihrer Beschäftigung nachgegangen. Die Ursache zu dieser verzweiflungsvollen Tat dürfte darin zu suchen sein, daß die Löschau am 1. Oktober ihren Dienst verlassen sollte, und außerdem war ihr der Zutritt zur elterlichen Wohnung verboten worden. Pirna. Im Laufe des Monats Oktober gelangt hier wieder eine große Karpfenprahme zur Abfertigung. Da diesmal 2000 Zentner Karpfen, die aus Teichen in der Kamenzer Gegend und in der Lausitz entnommen und nach hier mit der Bahn befördert werden, zur Verladung kommen, so macht sich noch eine Vergrößerung der Prahme gegen früher nötig. Der Karpfentransport ist nach Hamburg be stimmt. Rechnet man im Durchschnitt auf den Zentner 20 Stück Fische, so kommen hier etwa 40 000 Karpfen zur Umladung. Sie stellen, einen Preis von 80 M. für den Zentner an genommen, einen Wert von etwa 150000 bis 160 000 M. dar. Zittau. In einem verlassenen Wetterschacht auf dem früheren Gerlachschen Kohlenwerke bei Olbersdorf ist der 59 Jahre alte Berg arbeiter Lange aus Oberullersdorf tödlich ver unglückt. Dem Verunglückten ist vermutlich etwas in den Schacht gefallen» was er herauf holen wollte, denn er hatte eine Lener hinein gestellt. Mit den Füßen an derselben liegend wurde er tot aufgesunden. In dem Schachte war so schlechte Lust, daß ein anderer Berg arbeiter, der herunterstieg, um den Verunglückten an ein Seil zu binden, ebenfalls die Besinn ¬ ung verlor. Ebenso erging es dem Kohlen werksbesitzer Buchheim. Beide konnten lebend jerausgezogen werden. Cottbus. Die 47 jährige, seit einiger Zeit geistesgestörte Frau Amalie Schütze aus Strölitz m Cottbus entfernte sich am Freitag aus ihrer Wohnung und nahm das zweijährige, ihr zur Pflege übergebene Kind ihrer Tochter mit sich. Am 'Sonnabend fanden sie ihre ängstlich suchenden Angehörigen mit dem Kinde bei dem Orte Kolkwitz in einem Chauffeegraben sitzend vor. Das gänzlich entkräftete Kind lag im Sterben, denn die Irre hatte es wiederholt in das Wasser eines nahe liegenden Teiches unter- getaucht. Der hinzugezogene Arzt konnte das arme Wesen nicht mehr am Leben erhalten. Oschatz. Ein betrübender Unglücksfall hat sich im benachbarten Lonnewitz ereignet. Die Frau verw. Aurich, die vor zirka 4 Jahren ihren Mann verlor, und seitdem sich redlich bemühte, für die ihr hinterlaßenen zehn Kinder, von denen noch sechs schulpflichtig sind, zu sorgen, kratzte in voriger Woche ein im Gesicht befindliches Blütchen auf. Gar schnell schwoll das Gesicht an, sodaß man die Frau in das hiesige Stadtkrankenhaus brachte. Jede Hilfe war schon vergebens, die Frau starb infolge von Blutvergiftung. Zschopau. Einem Unglücksfall zum Opfer gefallen ist in Wolkenstein der Spinnereibesitzer Max Ahner. Er glitt infolge eines Fehltritts am Ufer des Betriebsgrabens der Spinnerei aus, stürzte in das Wasser und ertrank. Leipzig. Durch Selbstentzündung gerieten auf einem Boden im Stadtteil Eutritzsch 300 Zentner Heu in Brand, den die Feuerwehr erst nach einstündiger Tätigkeit unterdrückte. Leipzig. Unsere Stadt wird nun doch noch einen Bärenzwinger erhalten, nachdem sich die Stadtverordneten, entgegen dem Ratsbeschlusse, einstimmig für die Annahme des für die Er- Achtung eines solchen ausgesetzten Mairothschen Legats in Höhe von 20000 M. erklärt haben. — Wechfelfälschungen in bedeutendem Um fange hat der Baumeister Heßner in dem Vor orte Böhlitz-Ehrenberg verübt» er ward ver haftet. Mittweida. Von einer feinen Pleite hier gibt die Veröffentlichung eines Konkursverwalters Kunde. Im Konkursverfahren über die Brauerei Erlau sind 800 M. verfügbar bei einem Schuld- bestande von 87 000 M. Hohenstein. Ein scheußliches Verbrechen ist kürzlich hier versucht worden. Der frühere Bäcker und jetzige Garntreiber Schubert daselbst hatte das noch nicht 14jährige Mädchen seines Hauswirtes, das er schon seit mehreren Wochen belästigt hatte, auf dem Oberboden gegen ein Geldgeschenk zu unsittlichen Handlungen zu überreden versucht. Derselbe wurde in Haft genommen. Olbernhau. In der jüngsten Stadt gemeinderatssitzung wurde die Erneuerung ,der Petition um Errichtung einer Försterschule in Olbernhau und die Einreichung einer Petition um Berücksichtigung unserer Stadt bei Er richtung eines neuen Königlichen Seminars be schlossen. Annaberg. Die aufstrebende Bewegung im Geschäftägange der erzgebirgischen Posa mentenindustrie macht sich in der zunehmenden Ausfuhr der Posamenten-Erzeugniße nach den Vereinigten Staaten von Amerika bemerkbar. So betrug der deklarierte Wert der Posamenten im abgelaufenen driten Kalendervierteljahr rund 200 000 Dollar. Der Ausfuhrwert des Be zirkes Annaberg beziffert sich insgesamt auf 261 539 Dollar, das ist gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres ein Mehr von 65 992 Dollar. Crimmitschau. Auf die abermalige tele graphische Beschwerde des Streikkomitees be- zügleich des Streikpostenstehens hat das Mini sterium des Innern Bescheid gegeben, daß es sich nicht bewogen sehen kann, im Sinne dieser Depesche aufsichtswegen etwas zu verfügen, da nach Ausweis der Akten hierzu keine Ver anlassung vorliegt. Falkenstein. Am Donnerstag abends 8 Uhr ertönten hier wiederum Feuersignale und Sturmgeläute. Das dem Fabrikweber Heinrich Gläsel gehörige Wohnhaus im Oberen Anger ging plötzlich in Flammen auf, und das Feuer teilte sich auch dem Nachbarhause des Webers Sandner mit, beide Gebäulichkeiten binnen kurzer Zeit in Asche legend. Die Feuerwehr war bis in die späten Abendstunden mit Ab löschen des Feuers beschäftigt. Bis jetzt sind zusammen 12 Wohnhäuser eingeäschert worden. Ruppertsgrün b. Elsterberg. Eine Luft schaukel stürzte hier zusammen, als sie eben in Betrieb gesetzt war. Die Insassen wurden herausgeschleudert, und während ein Knabe einen schlimmen Beinbruch davontrug, wurde einem Mädchen die linke Hand zerquetscht. Reichenbach. Aus Unvorsichtigkeit wurde hier einem spielenden Mädchen von einem jungen Burschen Kalk ins Gesicht gespritzt und dadurch das eine Auge schwer verletzt. Plauen i. V. Eine Belohnung von 300 Mark ist von der hiesigen Staatsanwaltschaft auf die Ermittlung des Täters, der am 9. September abends in der Nähe von Wernitz grün den Gastwirt Wappler erschoßen hat, ausgesetzt worden. Plauen i. V. Die Hauptstadt des Vogt landes ist seit Donnerstag Garnisonstadt. Nachmittags 5 Uhr 10 Minuten traf auf dem oberen Bahnhof das 10. Königlich Sächsische Infanterieregiment Nr. 134 hier ein. HWIanH räumt üie Mandschurei. Herr W. v. Hanneken, der tüchtige China kenner und langjährige deutsche Instrukteur der chinesischen Armee schreibt der „Tägl. Rundsch." über die bevorstehende „Räumung" der Man dschurei seitens Rußlands: Es naht ein Umzugstag in Ostasien. Der Russe soll am 8. Oktober die Mandschurei ver lassen. Erst will man Mukden, d. h. die Pro vinz Schinking räumen, dann Kirin und zu guterletzt Ho-lung-kiang mit Zizicha. China, der Wirt, ist in einer peinlichen Lage, denn erstens dürfte die Räumung etwas langsam von statten gehen, und wenn nicht alle An zeichen trügen, bleibt ein ziemlich großer Teil der russischen Mietspartei wohnen, ohne weitere Miete zu entrichten. Das sind döse Aussichten für den Wirt- Gerichtsvollzieher wären eine Zeitlang zur Verfügung gewesen, aber gerade jetzt, wo man sie brauchen kann, ist keiner zu finden. Sie sind anderwärts ziemlich stark be schäftigt. Ganz werden sie dennoch nicht aus- bleiben. Wenn der Ruße noch mitten im Ziehen ist, dürften sie die Forderung der Offen stellung von Mukden und Wi-tsju präsentieren. So ähnlich wenigstens wird der Verlauf der Dinge sich wohl gestalten. Wie eine tatsäch liche Räumung der Mandschurei überhaupt möglich sein soll, ist schwer zu ersehen. Schon jetzt hat Rußland doch nur die sogenannten wichtigsten Plätze besetzt, wo es sich um den Schutz von Bahnen, Telegraphen und sonstigen wichtigen Wegen handelt, und das soll ja nach dem Vertrage auch so bleiben. Was für „Räumungen" also vorgenommen werden, wird interessant sein, zu beobachten, und auch die Richtung, nach welcher die eventuellen Truppen abmärsche stattfinden, wird man beachten müßen; geht es gen Osten, so bleiben sie immer ein Bestandteil der Armee des Statthalters Alexejew. Bis jetzt hört man nur von militärischen Maß nahmen Rußlands, die auf das gerade Gegen teil einer Räumung Hinweisen. An vielfachen guten Versicherungen und angeblichen Vorbe reitungen zum Auszug aus der Mandschurei wird Rußland eö gewiß nicht fehlen laßen. Es ist aber zu befürchten, daß es nie damit fertig wird.