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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Tpiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zo Uhr. Inserate werden mit za Pf. 'für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für dis Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Freitag, den 27. November 1903. Nr. 142. 2. Jahrgang. Die VM- Gemeinderechnungen -VW für 1902 liegen von heute ab 4 Wochen im Gemeindeamt während der Geschäftszeit aus, was hiermit zur öffentlichen Kenntnis gebracht wird. Ottendorf-Moritzdorf, am 25. November 1903. Der Gemeindevorstand. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, 2S. November 1903. — Diesen Donnerstag über vier Wochen ist Weihnachts-Heiligabend, der nächste Sonntag ist bereits der erste Advents- Sonntag. Die Zeit ist dahingeranscht. nun ist es so weit, wir haben und halten die frohe, die schöne, die selige Weihnachtszeit, ob es auch noch eine Reihe von Tagen hin zu ihr ist. — Das „Chemnitzer Tageblatt" schreibt: „Von einigen sächsischen Blättern ist die Nach richt verbreitet worden, daß aus Dresden eine den höchsten Kreisen der Aristokratie angehörende Dame (eine Gräfin) mit ihrem Kutscher durch gebrannt sei. In keinem der Kreise, die von einem derartigen Vorkommnis Kenntnis haben müßten, ist aber auch nur das Geringste be kannt, waS zu obiger Meldung Anlaß gegeben haben könnte. Es ist sonach bestimmt anzu nehmen, daß die pikante Nachricht von einem sensationslüsternen Reporter erfunden ist." So ganz aus den Fingern eines sensationslüsternen Reporters gesogen ist aber die Nachricht doch nicht gewesen. Sie dürfte vielmehr absichtlich von interessierter Seite lanciert worden sein und auf Prinzessin Alice von Bourbon Infantin von Spanien, verehelichte Prinzessin Schönburg- Waldenburg, früher auf Schloß Gauernitz bei Meißen, Bezug gehabt haben. Die Dame hat seit längerer Zeit einen Ehescheidungsprozeß angestrengt, und es würde ihre Prozeßschancen wesentlich verschlechtert haben, wenn die Mit teilung von dem Durchgehen mit einem Kutscher wahr gewesen wäre. Natürlich war die Ge schichte erfunden. Die Frau Prinzeß lebt mit einer älteren Baronin aus Dresden als Gesell schafterin im Süden und denkt nicht an so was, wie die Meldung besagte. Der Gemahl der Prinzeß ist der Prinz Schönburg, der seinerzeit wegen seines Uebertritts vom Protestantismus zum Katholizismus weiteren Kreisen bekannt wurde. — Offenbar im Zusammenhang mit der Notiz schreibt in seiner letzten Nummer der „Pirnaer Anzeiger" unterm 22. Novbr.: „Die schon kurz angedeutete, später aber als erfunden bezeichnete Skandalaffäre, durch die eine hohe sächsische Adelsfamilie insofern in Mitleiden schaft gezogen sein soll, als eine junge Ehe durch das Verschwinden der Gattin zerstört worden se', bewahrheitet, wie wir aus authen tischer Quelle erfahren, sich doch. Nur hat sie nicht in Dresden ihren Schauplatz, wobl aber in einem nur wenige Stunden von Dresden entfernten Schlöffe. Die betreffende Adels familie machte schon bei der Eheschließung des hohen Aristokraten mit einer südländischen Fürstentochter durch den Uebertritt zur katho lischen Kirche von sich reden. Das junge Ehepaar stand mit der ehemaligen Kronprinzessin in freundschaftlichen Beziehungen." Das „Gr. Tgbl." bemerkt hierzu, daß trotz der angeblichen „authentischen" Quelle die Geschichte vom Durch gehen der betreffenden Prinzeß mit einem Kutscher nach unseren sehr guten Information doch erfunden gewesen ist. Tie Prinzeß lebt schon längere Zeit in freiwilliger vorläufiger Ehetrennung in Italien mit einer Dresdner Baronin als Gesellschafterin. Außerdem ist die betreffende Dame mit der ehemaligen Kron prinzessin von Sachsen nicht nur befreundet, sondern sie ist deren Kousine. Niederlößnitz. Ein jähes Ende nahmen die Vereinigungsverhandlungen zwischen Kötzschen- broda und Niederlößnitz. In der lctz'en Ge- meinderatssitzung hierorts sollte eine Ergänzungs wahl für die sünsgliederige Vereinigungskommission vorgenommen werden. Nach lebhafter Debatte stellte ein Mitglied den Antrag, von den Ver einigungs-Verhandlungen überhaupt abzusehen. Geheime Abstimmung ergab Stimmengleichheit, und die Stimme des Vorsitzenden gab für den Antrag den Ausschlag. Sörnewitz. Ein sehr bedauerliches Un glück traf Sonnabend früh den Gutsbesitzer Heinrich Vetter hier. Beim Antreiben der Dreschmaschine zerriß am Geschirr ein Strang. Der angezogene Dreschbaum federte zurück und zerschlug dem dahinterstehenden. Besitzer dicht unter dem Knie ein Bein. Riesa. Von einem empfindlichen Ver luste ist die Pure Oil Company, welche am Ausgange des neuen Zollhafens in Gröba zwei Petroleumtanks besitzt, betroffen worden. Aus noch unaufgeklärter Ursache ist eine Flanschen- Dichtung des einen Auslaufhahnes plötzlich ge platzt, nachdem dieselbe noch kurz zuvor auf ihre Haltbarkeit geprüft und tadellos befunden worden war. Da der Schaden erst nach Stunden bemerkt wurde, sind gegen 80 000 lc§ Petroleum ausgelaufen und somit zum größten Teil verloren gegangen. Roßwein. Mit einem trotz seiner Jugend geradezu unheimlichen Raffinement, das seines gleichen sucht, machte der zehnjährige Schulknabe Mißbach unsere Stodt unsicher. Es verging fast kein Tag, an dem er nicht einen Diebstahl ausführte. So versuchte er am Montag wieder bei einem Geschäftsmann die Ladenkaffe zu plündern, nachdem er durch die Wohnung in den bereits geschloffenen Laden gelangt war, mußte aber unverrichteter Sache das Weite suchen, während es ihm gleich darauf gelang, bei einem anderen Geschäftsmann zirka 7 Mk. zu rauben. Die Polizei hat den Burschen vorläufig in Haft genommen, um ihn später in eine Besserungsanstalt abzuschieben. Auf das Konto des Mißbach werden jetzt auch die viel fach in letzter Zeit vorgekommenen Taschendieb stähle gesetzt. Copitz. In eine äußerst fatale und zugleich auch ziemlich gefährliche Lage geriet am Sonn abend in einem Grundstücke der Schulstraße ein Dienstmädchen, als dasselbe ein heimliches Oertchen besuchen wollte. Das Mädchen hatte nicht beachtet, daß der Besitzer mit Düngen beschäftigt war und die Grube zum Teil ge öffnet hatte. Die Bedauernswerte stürzte infolgedessen in das ziemlich tiefe Loch hinein und geriet bis unter die Arme in den Kot. Pirna. In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag ist der dem Schiffseigner Eduard Hiecke aus Horta in Böhmen gehörige Schlepp kahn durch den herrschenden starken Sturm bei Posta umgeschlagen worden, sodaß der Kahn mit dem Boden nach oben zeigt und auf Pirnaer Seite liegt. Die Ladung bestand aus Braunkohlen und sollte nach Dresden trans portiert werden. Die Kohlen wie auch der Kahn sind versichert. Kleinpostwitz bei Wilthen. Hier ist am 23. d. M. ein an Mund und Nase und an der linken Halsseite von Getier bereits an- gefreffener Mensch erfroren aufgefunden worden. Ueber die Persönlichkeit und das Alter ist nichts zu ermitteln gewesen. Ostritz bei Zittau. Am Dienstag wurde hier in der Kirche des Klosters St. Marienthal wieder die Einkleidung einer Anzahl junger Nonnen vollzogen. Sieben Novizen legten nach absolviertem Probejahr ihren Profeß ab und drei junge Damen wurden als Novizen ein- gekleidet. Der Feier wohnte auch die Frau Prinzessin Johann Georg bei. Freiberg. Ein Opfer des Schneesturms, der in der Nacht zum Sonntag herrschte, ist der Fleischer Karl Gottlieb Klemm aus Voigts dorf geworden; man fand ihn am Sonntag früh im Straßengraben der von Brand nach Zug führenden Straße tot auf. Er ist wahrscheinlich bei dem Unwetter vom Wege abgekommen. Crossen. Im Schornstein erstickt ist am Montag gegen Mittag der 19 Jahre alte, beim Schornsteinfegermeister Fabian in Zwickau-Pölbitz in Arbeit stehende Schornsteinfegergehilfe Franz Högner aus Limbach, als er im Schulhause die Esse reinigen wollte. Högner war in den Schornstein eingestiegen und ist durch Einatmen der darin befindlichen giftigen Gase erstickt. Die Bergung der Leiche war sehr beschwerlich, da sie nur mittelst Seiles aus der Esse entfernt werden konnte. Ehrenfriedersdorf. Bei einem „zum Spaß" veranstalteten Ringen unter Kollegen kam der Schuhmacher Fritsche zum Stürzen und brach das linke Bein. Crimmitschau. In den Dienstag ab gehaltenen sechs Textilarbeiter-Versammlungen wurde folgende Resolution gefaßt: „Die ver sammelten Textilarbeiter weisen das Anerbieten des Verbandes der Industriellen, sich für etwaige Dienste als Arbeitswillige mit einer Prämie entlohnen zu lassen, entrüstet zurück. Sie ver urteilen auf das entschiedenste jeden Treubruch am Verbände und der Arbeiterklasse und ver sprechen, mit aller Kraft den Kampf forlzuführen, bis ein ehrenvoller Abschluß erreicht ist. Gleich zeitig erklären die Versammelten, daß sie nach wie vor bereit sind, Verhandlungen in irgend einer Form einzugehen." In Verhandlungen mit den Ausständigen werden sich die Fabrikanten kaum einlassen, da sie hierzu nach ihrer wieder holten Erklärung erst nach Aufnahme der Arbeit bereit sind und bereits mit einer großen Anzahl von Arbeitswilligen den Betrieb aufrecht er halten könneu. Zwickau. Am Dienstag hat sich hier eine Witwe durch Ertränken in der Mulde ge tötet. — Ein hiesiger Gärtner hatte nachts die Petroleumlampe brennen lassen, war eingeschlafen und ist durch den von der Lampe ausgegangenen Petroleumdunst erstickt. Plauen i. V. Die Firma Gebr. Schneider, erste Oelsnitzer Spitzenfabrik in Oelsnitz, erklärte, ihre Zahlungen einstellen zu müssen. Berlin. Im Kindesunterschiebungsprozeß Kwilccki wurden alle fünf Angeklagten f r e i g e s p r o ch e n. Ein starkes Schutzmanns aufgebot hält die Treppen des Justizpalastes besetzt, da das Polizeipräsidium angeblich am Schluffe des Prozesses polnische Demonstrationen befürchtete. Die Vlutsaat. Von Karl Pauli. (Nachdruck verboten.) Es war im letzten Decennium des zur Rüste gehenden achtzehnten Jahrhunderts, da trieben zwei Männer scheu und vorsichtig eine kleine Herde Ziegen und Lämmer über den bewaldeten Rücken eines Ausläufers der Berglinie, die sich vom Innern Serbiens nach der Save hinzieht, ein Greis und ein Jüngling. Beide trugen die gewöhnliche Kleidung der serbischen Landleute. Der Alte, gebückt von der Last der Jahre, kam nur langsam vorwärts, müde, auf seinen Stab gestützt, zögerte er mit jedem Schritt, der ihn der Landesgrenze näher brachte, mehr und mehr. Der Jüngling, ein hochgewachsener Mann mit dunklem Gesicht, schwarzem, lockigen Haar und tiefschwarzen strahlenden Augen trieb mit finsterm Stirnrunzeln den Zögernden zur Eile an. Aber seine heftigen Worte nützten nichts, auf einer Waldlichtung, die den Blick hinüber in das österreichische Gebiet freigab, setzte sich der Greis nieder und erhob stehend seine Hände: „Laß mich hier bleiben, Georg, mein Sohn!" rief er, „laß mich hier sterben im Vaterlande, ich bin ein Greis, ich kann Dir nicht in die Fremde folgen!" „Schwachsinniger Alter!" rief der Jüngling heftig, „Du willst nicht, Du mußt! Weißt Du nicht, daß die Türken uns suchen? weißt Du nicht, daß Du dem Tode verfallen bist, wenn sie Dich finden? Dem qualvollen Marter tode, wenn sie Dich fangen ohne mich, Deinen Sohn, ihrem größten Feinde? Soll ich meinen Vater den Händen der Peiniger überlassen?" „Sie werden mich töten, mein Sohn, sie werden mich töten und ich werde sterben auf dem Boden meines Vaterlandes! Ich bin alt und müde, was liegt daran, laß mich sterben und flieh', Du bist jung, Du kannst dem Vater land nützen, was liegt an mir!" „Ich Dich in die Hände der Feinde fallen lassen? Meinen Vater der Blutgier der Türken ausliefern? Nie!! Nie!! Komm, raff Dich auf oder beim heiligen Isaak, ich töte Dich selbst!" Er hatte bei diesen Worten eine Pistole aus dem Gürtel gezogen und sie drohend auf den Alten gerichtet. Aber die Drohung hatte keine Wirkung, der Greis rührte sich nicht. „Töte mich, Georg, töte mich!" rief er, „besser durch Deine Hand fallen, als durch die Hände der Würger! Besser auf dem Boden des Vaterlandes sterben, als in der Ver bannung!" In ratloser Wut blickte der Sohn zum Himmel. „Du kommst!" schrie er, „sollen wir beide verderben?" „Nicht einen Schritt weiter, töte mich, es ist meine letzte Bitte!" Auf dem nächsten Bergrücken tauchten Ge stalten auf — Janitscharen — sie suchten das Paar — der Jüngling sah sie, er maß die Entfernung mit den Augen, jedes Zögern brachte den Tod, mit einer verzweiflungsvollen Geberde hob er die Waffe. „Du willst es? Ich kann nicht anders!" Der Schuß krachte, entseelt sank der Greis auf den Boden der Heimaterde, die sein Herzblut trank. Noch einen Blick warf der Jüngling auf den Toten, dann floh er wie ein gehetztes Wild durch die Büsche, hinab zum Fluß, den er durchschwamm. Drüben war er in Sicherheit. Das war Georg Petrowitsch, genannt Karad- jorde der schwarze Georg, unter welchem Namen ihn ganz Serbien kannte. Er trat ins öster reichische Heer. Mit zusammengebissenen Zähnen ertrug der freie Sohn der Berge den damals wahrlich nicht leichten österreichischen Kamaschen- dienst, ohne mit der Wimp r zu zucken, beugte er sich unter die Fuchtel des Korporalstocks, aber auf dem Exerzierplatz, auf dem Manöver felde verwendete er kein Auge von den Haupt leuten und Obersten, er sah, beobachtete und lernte. Er wußte warum, so still er schien, nichts entging ihm, jedes Ereignis im Vater lande beobachtete er mit wachsamem Auge, von seiner Kasernenstube aus leitete er die Vor bereitung zum Aufstand in Serbien, nnd als derselbe ausbrach, eilte er, sich an die Spitze der Empörer zu stellen. Mit Jubel empfing man ihn im Vaterlande. — Obwohl man wußte, welche Schuld auf seiner Seele lastete, trotzdem vielen vor dem Vatermörder schauderte, bestritt ihm niemand die Führerschaft in dem Kampfe, jeder vertraute ihm und rechtfertigte das Vertrauen; wie ein antiker Held flog er von Sieg zu Sieg, die kampfgewohnten türkischen Truppen vor sich herscheuchend wie eine Herde Lämmer. Wo er war, war der Sieg; in kurzer Zeit waren die Janitscharen aus Serbien vertrieben. Die Einnahme Belgrads, das „er mit stürmender Hand nahm, beendete vorläufig den Feldzug. Es gab in Serbien nur einen Helden — Karadjorde. Aber sein Glück sollte sein Unglück werden, das Volk liebte ihn, aber unter den Führern desselben herrschte Neid und Eifersucht, man haßte den schwarzen Georg um seines Glückes willen und als der Krieg von neuem ausbrach, taten die Unterführer alles, um ihm entgegenzuarbeiten. (Forts, fotzt).