Volltext Seite (XML)
Die „VUendorscr Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlicb , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm» v»n Inseraten bi» »»»mittag 10 Uhr. Inserate werden mit >o Pf. für die Spaltzrtl« berechnet Tabellarischer Satz nach br- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-VkriUa. 4. Jahrgang Nr. 140. Mittwoch, den 22. November 1905 Oertliches und Sächsisches. Vitendorf-VkrtUa, 21. November i»c>5. — Ein bedeutender Auftrag auf Bordeaux weine für Südwestafrika. Die altrenommierte Dresdner Weingroßhandlung Peyer und Co Nachfolger, Hoflieferanten Sr. Majestät des Königs von Sachsen, hat den bedeutenden Auftrag zur Lieferung von 10000 Flaschen Bordeauxwein für das Kommando der Schutz- truppen in Südwestafrika erhalten. Schon kürzlich konnte von einem ähnlichen Auftrag den diese Firma von demselben Kommando er hielt, berichtet werden. Der Auftrag ist für unseren gesamten sächsischen Weinhandel um deswillen erfreulich, weil durch seine Aus führung der Beweis geliefert wird, daß unsere Weingroßhandl»ngen in jeder Beziehung mit den norddeutschen Handlungen konkurrieren können. Radeburg. Am Sonntag Ab>nd gegen 8 Uhr ertönte Feucr-Aiarm in unserer Stadt; es brannte das Wohnhaus mit angebauten Stallgebäude des Zimmerpoliers Karl Ernst Burkhardt an der Prommnitz. Das Gebäude wurde vollständig eingeäschert. Vieh und Mobiliar konnte alles gerettet werden, nur ein kleines Quantum Heu und Stroh, welches auf dem Boden des Hauses lagerte wurde ein Raub der Flammen. Wie es schien, war der Brand auf dem Boden des Wohnhauses ent standen, ob durch einen Essendesekt oder aus anderer Ursache, konnte bis jetzt noch nicht sicher festgestellt werden. Boxdorf. Di. hiesige Gemeinde, die schon seit langer Zeit ohne Gemeindevorstand ist und von dem Gemcindeällesten Klotzsche verwallkt wird, weil ein schon viermal zum Gemeindevorstand von Boxdorf gewählter dortiger Einwohner ebenso auf seitens der Oberbehörde unbestätigt geblieben ist, gerät jetzt in Konflikt mit der Amtshauptmannschaft. Diese hat einen Sekretär mit der Beauf sichtigung der Boxdorfer Gemeindeverwaltung beauftragt, der auch von Aufsichtswegen den geheimen Gemeinderatssitzungen beiwohnen muß. Das dadurch Kosten erwachsen, ist ganz natürlich, und so übersandte die Amtshaupt mannschaft der Gemeinde eine Kostenrechnung In der letzten Gemeinderatssitzung wurde aber beschlossen, diese Kostenrechnung nicht an zuerkennen, sie vielmehr zurückzusenden. Wer wird nun die Kosten tragen? Weißer Hirsch. Auf die ausgeschriebene dritte Schutzmannstelle, die Ostern nächsten Jahres besetzt werden soll, sind 69 Gesuche tingegangen. Dürrwhknitz b. Kamenz. Von einem Schadenfeuer ist der Gutsbesitzer Heida heim gesucht worden. Während im Vorderhause eine Hochzeitsgesellschaft vergnügt tanzte, war hinten in dem großen massiven Stallgebäude Feuer ausgebrochen, welches das Gebäude in Asche legte. Crostwitz. In ernster Lebensgefahr wurden dieser Tage in Crostwitz die Insassen eines wendischen Hochzeitsgeschirrs, zwei wendische Hochzeitsjungfrauen und der Kutscher verletzt, als sie von der kirchlichen Trauung nach Hause fuhren. Infolge des lärmenden Gebührens vo Schulkindern scheuten die Pferde zwei noc jünge Tiere und gingen, das Geschirr um werfend durch. Hierbei trug der Führer des Geschirrs eine klaffende Wunde davon, währen die beiden Mädchen unverletzt blieben. Gersdorf. Am 5. November begab sich das Dienstmädchen Fiedler das im hiesigen Gasthofe „Zum goldenen Band" dient 22 Jahre alt ist, mit ihrem Geliebten zu einem Vergnügen, ist aber bis heute noch nicht zurückgekehrt. Alle polizeilichen Nachforschungen sind ergebnislos geblieben, auch die Ver nehmung ihres Geliebten führte zu keinem Resultat. Letzterer ist nun verhaftet worden, aber, wie verlautet nicht wegen dieser An gelegenheit, sondern um eine ihm vom Land ¬ gericht Bautzen zudiktierte dreimonatige Ge- ängnisstrafe zu verbüßen. Zittau. Die fieberhafte Jagd nach dem Verüber des kürzlichen Lustmordes in Görlitz, dem 32jährigen Arbeiier Hermann Pallmia, wt ihr Ende. Am Donnerstag hat sich der Mörder auf dem Heuboden des Schmaltzschen Gutes in Hennersdorf bei Görlitz erhängt. Er war, als er sich verfolgt sah, in den Guts- ;of geflüchtet; bevor man ihn festnehmen onnte, hatte er sich an einem Balken auf geknüpft. Schandau, Die Folgen der russischen Virren machen sich auch in unserem Bade- tädtchen bemerkbar, allerdings in angenehmer Leise. In einem hiesigen Hojel ist kürzlich eine aus 10 Personen bestehende reiche russische Familie zu längerem Aufenthalt eingetroffen. Weitere Flüchtlinge werden in nächster Zeit erwartet. Neustadt i. S. Die Heilstätte Hochwald deren Inbetriebnahme gemeldet war, ist bis letzt noch nicht mit Kranken belegt worden- Der Termin der Eröffnung und erstmaligen Zelegung ist zwar in nächster Zeit zu er warten, steht jedoch noch nicht fest. Die Heilstätte ist nicht zur Aufnahme von Privat personen bestimmt, sondern lediglich zur Aus nahme von solchen männlichen Lungenkranken, die der Jnvalidätsversicherung unterliegen. Wilfdenhain. Am Sonnabend Abend 8 Uhr wurde die - Jagdgenossenschast Wilden hain zu einer Versammlung einberufen, und war wegen Abtretung der hiesigen Jagd vom etzigen Pächter Herrn Winkler an Seine Majestät den König Friedrich August. Die erste große Treibjagd findet Anfang Dezember tatt- Truppenübungsplatz Zeithain. Am Mittwoch Vormittag ist in einem Wasserbassin )er Rekrut Ulan Müllrr auf unaufgellä'te Weise ertrunken. Derselbe war revierkrank und hatte, als die Rekruten ausgerückt waren, den Stall zu fegen. Wahrscheinlich ist er beim Wasierschöpfcn in den Bassin hineingerutscht. Zu Mittag erst wurde die Leiche des Müllers gefunden. Er wird auf dem Friedhöfe zu Lichtensee beerdigt. Elsterwerda. Am Dienstag Abend zwischen 6 und 7 Uhr wurde während des Rangierens auf dem Oberlausitzer Bahnhofe zu Elsterwerda der Rangierarbeiter Wilhelm Schmidt aus Bichla mit gebrochenen Genick zwischen den Gleisen liegend tot aufgesunden. Schmidt hatte die Bremse bedient und ist vermutlich dabei vom Wagen gefallen. Der Bedauernswerte ist 29 Jahre alt und hinter läßt eine Frau mit zwei Kindern im Alter von 1—3 Jahren. Döbeln. In der Döbelner Gegend be treiben unter scharfer Konkurrenz die Essig fabrikanten Boden aus Riesa und Kaubitzsch aus Döbeln den Hausierhandel mit Essig. Letzterer versuchte nun seinem Riesaer Konkur renten dadurch das Feld abzutreiben, daß er seine Leute anwies, bei den Kunden sich als im Auftrage Bodens aus Riesa kommend, auszugeben. Als Boden nun davon Wind erhielt, strengte er gegen seinen Konkurrenten einen Prozeß wegen unlauteren Wettbewerbs an, in dem Kaubitzschs Angestellte auf dessen Veranlassung als Zeugen geladen wurden. Diese verschwiegen jedoch unter ihrem Eide, daß sie von Kaubitzsch angehalten worden waren, sich als Angestellte des Essigfabrikanten Boden aus Riesa auszugeben. Dadurc brachten sich der Privatus Höhne aus Döbeln und der Kutscher Wittig wegen wissentlichen Meineids ins Zuchthaus. Doch auch Kaubitzsc selbst hat das Schicksal ereilt; er erhielt wegen Verleitung zum Meineide vom Schwurgerich Freiberg drei Jahre Zuchthaus. Leipzig. Bei der Ueberführung aus der städtischen Jrrenklinik nach der Jrrenklinik in Herzfelde bei Berlin entsprang der „Reisende" Andreas Woywade seinen Transporteuren. Er ist spurlos verschwunden und hält sich wahrscheinlich in Leipzig versteckt. Woywade ist ein gefürchteter Einbrecher, zuletzt stahl er in dem Mode-Welthaus Pölich in Leipzig für zirka 3000 M. Waren. In der Untersuchungs haft spielte er den „wilden Mann." — Wieder einer, den die Trunksucht ab wärts geführt hatte, wurde am Donnerstag tot un Straßengraben nahe beim Monarchenhügel aufgefundsn. Aus dem Papieren, die er bei ich führte, ging hervor, daß er Bautechniker und vorher 7 Jahre aktiver Offizier gewesen war. Seit längerer Zeit trieb er sich bettelnd umher. Der Name konnte aus den Ausweisen nicht sestgestellt werden. Leipzig. In einer Verhandlung die von nachmittags 2 Uhr bis abends 7 Uhr unter Ausschluß der Oeffentlichkeit geführt wurde, ist )ie russische Schriftstellerin Zinaida Smoljamiow wegen versuchten Verrats militärischer Geheim nisse zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis und 1500 Mk. Geldstrafe verurteilt worden, auch wurde auf Polizeiaufsicht erkannt. Als Zeugen waren Angehörige der ersten Berliner Kreise geladen, die mit der Angeklagten verkehrt haben. Die kurze Begründung des Urteils besagte, daß die Angeklagte sich Schriftstücke verschafft hat, die als geheim zu betrachten waren, um diese Schriftstücke einem Offizier einer fremden Macht zu übermitteln. Chemnitz. Der sozialdemokratische Reichs agabgeordnete Schippel. der den 16 sächsischen Reichstagswahlkreis vertrat, hat sein Mandat niedergelegt. Zwickau. Vor dem Kgl- Landgericht wurde am Sonnabend gegen die am 4- No vember 1887 in Marienweiler in Bayern ge borene Dienstmagd Margarete Schneider wegen der in Hohenstein-Ernstthal am 5, Oktober d. I erfolgten Kinderaussetzung verhandelt. Die lngeklagte war geständig. Die unnatürliche Mutter wurde unter Anrechnung von drei Wochen Untersuchungshaft zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Aus der Woche. Am Dienstag fand in Nürnberg die Ein weihung eines Denkmals für den alten Kaiser Wilhelm statt. Der Kaiser wohnte als Gast dem Festakte bei, den der Prinz-Regent Luitpold durch eiue Weiherede einleitete. Der Beinamen „der Große", den der jetzige Kaiser seinem Großvater beigelegt hat, scheint sich außerhalb Preußens nicht einbürgern zu wollen denn das Nürnberger Denkmal stellt „Kaiser Wilhelm I." dar uud in Hamburg hat man das Kaiser Wilhelm-Denkmal ganz ohne In schrift gelassen. Aber nicht dieser Umstand gab der Nürnberger Feier das Gepräge. Der geschichtliche Geist vielmehr, der die Festlichkeit umschwebte, und sich doch mit keiner Silbe äußerte, machte die Vorgänge merk würdig. Dreihundert Jahne, bevor die Grafen von Zollern (später Hohenzollern) nack der Mark kamen, waren sie schon Burggrafen von Nürnberg und wenn auch Friedrich VI. im Jahre 1427 dem Rate der Stadt Nürnberg seine im Stadtgebiete gelegene Burg für 120000 Gulden verkaufte, so blieb doch die weitere Umgegend, die Markgrafschaften von Ansdorf uud Baireuth, bis zum Wiener Frieden im Besitze der Hohenzollern und ihrer Nebenlinien. Bei der großen Landverteilung in Wien hat Preußen merkwürdiger Weise ziemlich leicht auf seine fränkischen Lande zu gunsten Bayerns verzichtet und beim Friedens schluß 1866 machte Bismark lebhafte Versuche Preußen wenigstens wieder in den Mitbesitz der Nürnberger Hohenzollernburg zu bringen; Bayern wies diese Forderung damals als um erörterbar zurück. Und so kam es, daß Kaiser Wilhelm Gast sein mußte auf einem Gebiete, auf dem schon vor 800 Jahren seine Vorfahren herrschten. — Die internationale Politik der Woche war von der gegen die Türkei geplanten Flottendemonstrationen be- jerrscbt. Diese gemeinschaftlich« Knndgebung )er Mächte gegen den störrischen Großherrn ollte einen durchaus friedlichen Charakter jaden. „Wasche mir den Pelz, doch mach« ihn nicht naß." Deutschland wird sich daran nicht beteiligen, weil es keine Kriegsschiffe zur Verfügung hat; es ist die ewig junge Geschichte von der Frau, die nichts anzuziehen hat, — In Norwegen wurde die Monarchie durch Volksabstimmung mit Fünssechstel - Mehrheit aufrechtzuerhalten beschlossen. Man sagt, die Kaufleute hätten den Ausschlag gegeben, di« leschäftlichen Rücksichten würden durch di« lufrechlerhaltung des Königtums bester ge wahrt, als Gegenstück dazu kann die beauf- ichtigte Kundgebung der Fabrikanten und Arbeiter von kirchlichen und religiösen Artikeln gelten, die in Paris vor der Kammer und )em Senat gegen die Trennung von Kirche und Staat stattfinden soll. Der nackte Geschäftsstandpunkt sollte doch in so tief greifenden Fragen bescheiden zurückbleiben, Sein Betragen fördert nicht die von ihm ver tretene Sache denn „da merkt man die Absicht und man wird verstimmt. — Aus dem „namenlosen Rußland" liegen noch immer -eine sicheren Nachrichten über eine Wendung zum Bester» vor, das Blutvergießen und namentlich die Judenverfolgungen sind noch immer an der Tagesordnung und immer, wenn es nichts kostet, zeigt England sein gutes Herz 0 hat es sich auch für die in Rußland leben den Juden, die englische Untertanen sind, ver wandt und selbstverständlich die Versicherung erhalten, daß die russische Regierung alles auf bieten werde . . . usw. Man kennt das ja M Genüge. — Die österreichischen EistN« mhner haben mit ihrer „passiven Resistenz" ihren Willen durchgesetzt, sie sind erfolgreicher gewesen, als ihre italienischen Kollegen, die das Mittel erfunden, wenigstens zum ersten Malt angewendet haben. Durch die Gewährung des allgemeinen Stimmrechts, das die öster reichische Regierung wenigstens versprochen hat, ist auch Oesterreich in die Reihe der konstitut ionellen Staaten moderner Art eingetreten und ist dahin dem Beispiele — Montenegros ge folgt, das ja auch demnächst l die wonnige Er regung allgemeiner Wahlen kennen lernen wird In Europa bleibt nur bloß noch die Türkei mit selbstherrlichen Regiment übrig. Dort ist das Selbstherrschertum, wie bislang in Ruß land, auf der Religion begründet. Die ge festigten Anschauungen, in denen der gläubige Alttürke dahinlebt, hoffen die Jungtürken all mählich durch Bombenwürfe zu erschüttern. In Pera, der Fremdenstadt Konstantinopels, ist dieser Tage wieder eine solche Bombe ge platzt, die dem hauptstädtischen Polizeimeister galt, aber ihr Ziel verfehlte. In der türkischen Hauptstadt gibt es aber hartnäckige Zweifler, die an die Echtheit der neuesten Bombe zweifeln- Sie erzählen ganz ungeniert, di« enormen Geldmittel, die zur Entdeckung des kürzlichen Bombenwurfes bei Selamlik des Sultans ausgeworfen worden waren, seinen verbraucht und die Sultankaste zur Spende weiterer Summen zu bewegen, sei polizeilicher seits der neue Bombenwurf in Szene gesetzt worden. Wenn seine Majestät der Sultan von einem Bombenattentat gehört, fährt ihm immer ein heilloser Schrecken durch die er lauchten Knochen und ihm scheint dann keine Wurst zu teuer, um den kühnen Werfer zu entdecken und an den Galgen zu liefern. Darauf spekuliert seine Polizei und wenn die armenischen oder jungtschechischen Bösewichter zu faul oder zu feige sind, die modernen Hilfs mittel der Wissenschaft" gegen den groß- herrlichen Despotismus ins Treffen zu führen nun^— dann helfen sie eben ein bißchen noch. Die türkische Polizei muß doch leben, und bringt daher ihre Notwendigkeit durch geeignete Mittel in hochgeneigteste Erinnerung.