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«MM ük UMilß Warandt, Woffen, Siebmleßn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzosgwalde mit Landberg, Huhndorf, Kausbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Nev« tanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdori bei Wilsdruff, Noitzsch, Nothschönbsra mit Perne, Zachsdori Schmiedewalde, Sora. Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach b. Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Pog bezogen 1 Mk. 55 Pf Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. - Jnsertionsvreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Druck und Bcrlaq vvn Marlin Berner in Wilsdruff. — BerantwortNcb für die Redaktion Martin Berger daselbst. No 142. Sonnabend, den 1. Dezember 1900. 58. Jahrg DMUnk-HMmg. Für den Monat Dezember werden Bestellungen auf da« FiOMlt für KikSulsi eic.' für die Stadt Wilsdruff bei unterzeichneter Geschäftsstelle, für auswärts bei den Kaiserlichen Postämtern, sowie Landbricfträgern zu entgegengenommen. Hochachtungsvoll Geschäftsstelle des Amts- und Wochenblattes für Wilsdruff. M. llio vorombor /zbonnonton vrimitsn vilwn1901sr Wsnäliswnüvi- gratw. Ium l. Advent. Ephes. 3, 15—17: Er, der der rechte Baier ist über Silles, ivas da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, Er gebe euch Kraft nach dem Reichthum. Seiner Herrlichkeit, stark zu werden dur-ch Seinen Geist an dem inwendigen Menschen, und Christum zu wohnen durch den Glauben in euerem Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden. Die Wünsche sinds, lieber Leser, die dir hiermit dargebracht werden zum neuen Kirchenjahre, dem ersten im neuen Jahrhundert. Für manchen, der es jetzt noch nicht ahnt, ist es das letzte seines Levens. Mein Freund, wenn dies neue Kirchenjahr das letzte ist, das du hiniedeu anfängst, wenn du am nächsten Todlen- feste auch unter deinem Hügel da draußen schlummerst, — bist du bereit, deinem Gott bald zu begegnen? Brauchst du diese Begegnung nicht zu scheuen? Wenn du gerüstet sein willst, dann laß dir heute wünschen und erbitte dir es selber, was der Apostel Paulus seinen Ephesern wünscht in unserm Texte. Das erste, was wir bedürfen, ist dies: wir müssen stark weiden am inwendigen Menschen. Wir müssen es werden, denn wir sind es von Natur nicht. Wir sind schwach und ohnmächtig zum Guten, in die Gewalt des Teufels verkauft. Und dies Starkwerden steht auch nicht in unserem Vermögen. Aber Gott hat für uns Kräfte, und die will er uns geben. Der treue, himmlische Vater, der nur das Veste Seiner Kinder im Auge hat, der will diese Kraft dem geben, der sie haben will, der sie nöthig hat. Wer sich selbst für stark hält, bekommt die Kraft von oben nicht. Aber wer seine Armuth und Schwachheit er kannt hat und es mit herzlichem Seufzen dem Vater sagt, der bekommt Kraft. Diese Kraft von oben ist der heilige Geist. Der macht uns stark am inwendigen Menschen, daß wir die Sünde klar als Sünde bekennen und ihr widerstehen. Und dann bereitet der heilige Geist in unserm Herzen dem Herrn eine Wohnung, daß wir getrost sagen können: Ich lebe aber, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Das soll der einzige Miether sein in deinem Herzen; nur Christus soll im Herzen wohnen, das besagt hier unsere Stelle. Darauf arbeitet der heilige Geist hin, alles andere zu beseitigen, was sonst im Herzen ist, um uns den vollen, reichen Segen der Jnnenwohnung Christi zu verschaffen. Und wo das der Fall ist, daß Christusk wirklich Besitz von einem Herzen ergriffen hat, da wurzelt auch die Liebe immer fester und tiefer. Das Feuer des Herzens muß ausstrahlen in herzlicher Nächsten- und Bruderliebe. Das wünsche ich dir, lieber Leser, und mir zum Be ginne des neuen Kirchenjahres: Stark zu werden am in wendigen Menschen, nur Christum zu beherbergen im Herzen und zuzunehmen in herzlicher Liebe. Gott helfe diesen Wünschen zur Erfüllung. Heldenseelen. Roman von B. Riedel-Arens. 1.) (Nachdruck verboten.) 1. Ein sonnig freundlicher Oktobermorgen leuchtet über den Straßen der großen Hansestadt, in denen das bunt bewegte Treiben des geräuschvollen Tages sich in seinen ersten Anfängen zu regen beginnt. Vom Venloer Bahnhof herkommcnd fuhr eine Droschke, die vor einem der stattlichen Paläste der Ferdinandstraße auhielt; etwas zögernd wurde der Schlag geöffnet und eine junge Dame stieg aus; sie war in Trauerkleidern, und der schüchterne Ausdruck ihres auffallend lieblichen Gesichtes, aus dem zwei tiefblaue Augen kindlich rein und befangen blickten, ließ erkennen, daß sie fremd an diesem Platz und rathlos dastand. Im selben Moment wurde jedoch die schwere Haustyür geöffnet, und auf der Schwelle erschien hastig Fräulein Ruth, die ältere Schwester der Erwarteten. Lange hielten sich die Beiden umschlungen. „Meine liebe Leah, welch ein freudiges Wiedersehen! Du kannst Dir denken, wie schmerzlich auch mich der Verlust des Großvaters getroffen hat, mit dein unser einziger Ver wandter aus dem Leben schied! Nun sind wir beide ganz allem und wollen deshalb doppelt innig zu einander halten, nicht wahr? mein Kind," fügte sie, liebkosend die rosig zarte Wange der Jüngeren streichelnd, hinzu, „wie mag es Dir zu Muthe sein, so aus dem stillen Kreise Eures zurückgezogenen Lebens plötzlich hcrausgerissen und in die fremde, kalke Welt hincingestoßen zu sein." „Großvater hat während der letzten Monate seines langsamen Hinsterbens so sehr gelitten, Ruth, sosehr, daß er den Tod als eine Erlösung willkommen hieß; das war es auch, was mich den Verlust standhaft ertragen und mit dem Gedanken meiner Zukunft unter Fremden allmählig vertraut machen ließ." „So ist's recht, meine Leah, Kopf oben! O, mir ist ja auch gar nicht bange um Dich, Du hast den Fond in Dir, überall den rechten Weg zu finden. Aber nun komm hinauf — da ist Jette, sie wird die Koffer besorgen — wir gehen zuerst in meine eigene kleine Stube, wo wir Zeit haben, ein halbes Stündchen gemüthlich zu ver plaudern. Morgen ist nämlich der Geburtstag unseres GcheimrathS, wir haben große Gesellschaft, und da kannst Du Dir vorstellen, was als Hauptführerin des weit läufigen Hausstandes alles auf meinen Schultern ruht." „Wissen Geheimraths, daß ich so ganz arm und schutzlos dastehe, Ruth?" Sie hatte diese Worte so leise gesprochen, als ob sie sich der Frage vor der Schwester schäme, während eine leichte Röthe ihr Antlitz überhauchte. „Ja, Leah, sie wissen Alles; siehst Du, mit dem Ver tuschungssystem ists nichts, mau gerät!; da allzu leicht in schiefe Lagen; ich habe gelernt, es mit der einfachen Wahr heit zu halten, das ist die leichteste Rolle und hat den großen Vorzug, dem Menschen ein ruhiges Gewissen zu geben." L>ie hatten unterdessen die breiten Treppen zum zweiten Stock erstiegen, wo der Professor Geheimrath Ludwig von Winkler wohnte, der vor mehreren Jahren mit seiner zahlreichen Familie von Berlin nach hier ver zogen war. Sie befanden sich gleich darauf in Ruths Zimmer, das am äußersten Ende des langen Korridors lag und auf graue Nachbarsmauern sah; ein Bett hinter grünem Schirm, zwei Kommoden, ein runder Tisch vor dem altmodischen Roßhaarsopha, ein ziemlich abgenutzter Teppich, mehrere Stühle und einfacher Lilderschmuck bil deten das Mobilar; nur an dem einzigen Fenster stand als hervorragende Zierde noch ein riesiger Blumentisch mit ungewöhnlich üppigen und wohlgepflegten Blatt pflanzen, Palmen und Schlinggewächsen, dem Auge ein angenehmer Ruhepunkt. Aus dem Ganzen sprach trotz aller Schlichtheit geistige Anmuth der Bewohnerin. „Hier sind wir bei mir; ganz nett, nicht wahr, Leah? Wie gefallen Dir meine Pflanzen, sind das nicht wahre Prachtexemplare? Und wie dankbar für das bischen Blühe sie sind die man sich mit ihnen giebt! Ja, siehst Du, ich habe auch meine Freuden." Auf dem Tische lag eine schneeweiße Decke, das blau- gemusterte Kaffeegeschirr stand bereit, daneben ein Körbchen mit frischen Semmeln. Ruth fing an, Leah zu bedienen, deren Schönheit jetzt, nachdem sie den verhüllenden Krepp hut abgethan und die reiche Fülle des goldblonden Haares das ovale fcingeschnittene Antlitz frei umgab, noch besser zur Geltung gelangte. „Also die Aussichten sind immer recht gute sür Dich, mein Herz; Du kommst in ein vorzügliches Haus," be merkte Ruth, indem sie ein Rundstück mit Butter bestrich und es der Schwester hinschob. Ruth Kaiser, eine sympathische Erscheinung von mitt lerer Größe in hellgrauem Kleid und weißem Latzschürzchen, sauber und gewandt, mochte zu Ausgang der Zwanziger stehen; sie trug das volle aschblonde Haar schlicht, doch geschmackvoll um ein blaßes schmales Gesicht geordnet; in den Hellen, freundlichen Augen lag zuweilen etwas müdes, abgehetztes. Ruth hatte die Gewohnheit, von Zeit zu Zeit diese müden Augen zu schließen, und in solchen Minuten lag auf ihren einnehmenden Zügen eine tödt- liche Erschlaffung. „Ich fürchte nur, da ich kein Examen gemacht habe, werden meine Kenntnisse den Anforderungen nicht genügen, obgleich mir die Aussicht, in ein so vornehmes Haus zu kommen, recht verlockend erscheint." „Deine Kenntnisse, Leah! Die werden doch ausreichen, einem sechsjährigen Kinde Lesen und Schreiben zu lernen, und der alten Dame, Frau.Gisela v. Birken, die noch dazu einst unserer seligen Mutter beste Freundin gewesen, ist und zudem ein lebhaftes Interesse für Dich hegt, vor zulesen! Als ob wir nicht wüßten, daß der gute Groß papa seine Abende dort in Eurem abgeschiedenen Winkel beiBergcdorf damit verbrachte, Dich im Lateinischen und, Griechischen und was sonst noch au gelehrten Dingen in seinem klugen Kopfe steckte, zu unterrichten, und Du ihm eine aufmerksame Schülerin warst; jetzt kommt Dir das zustatten, heutzutage muß jeder lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Und was den Ort anbetrifftZ— die Besitzung Friedensheim an der Ostsee —, so läßt sich herrlicheres kaum denken, ich kenne sie genau, weil wir jedes Jahr dort ein paar Wochen bei der jungen Frau Marianne v. Birken, unseres Geheimraths Schwester, verbringen; eigenkhümliche, großartige Menschen und eine besondere Welt, wo Du gerade hinempaßt, und ich bin überzeugt. . ." Hier unterbrach ein furchtbares Gepolter die Rede denk unterdrücktes Kinderlachen folgte. Ruth sah sich ent setzt um, als auch schon nach kurzem Klopfen die Thür halb geöffnet wurde und durch die Spalte, neugierig Leahs Gestalt erspähend, der ausdrucksvolle Kopf des dreizehnjährigen Quartaners Eberhard erschien.