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Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich i Mark. Durch die j)ost bezogen i,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zo Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. — Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 19. Freitag, den 19. Februar 1903. 2. Jahrgang. Bekanntmachung. Hiermit wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß auf die Jahre 1903 bis mit 1905 äee UntevLeichnete als Gemeinäe^veisenrat und der Gemeindeälteste Herr Gutsbesitzer brnkt Mssback als Stellvertreter vom Königlichen Amtsgericht für den hiesigen Gemeinde bezirk in Pflicht genommen worden sind. Ottendorf-Moritzdorf, am 10. Februar 1903. Der Gemeindevorstand. Lincke. Die Ehescheidung des Kron prinzen von Sachsen ist gestern, Mittwoch, den 11. Februar 1903, nachmittags 4 Uhr 20 Minuten von dem mit der Angelegenheit betrauten Sondergericht in Dresden ausgesprochen worden. Der Urteils spruch, der öffentlich verkündet ward, während die Verhandlung geheim war, lautete: Im Namen des Königs! Die am 21. November 1891 geschloffene Ehe der Parteien wird wegen Ehebruchs der Frau Beklagten mit dem Sprachlehrer Andre Giron vom Bande geschieden. Die Frau Beklagte trägt die Schuld an der Scheidung. Die Kosten des Verfahrens werden der Frau Beklagten auferlegt. Damit ist rechtlich jene Angelegenheit zum Abschluß gelangt, deren tragische Konsequenzen von vornherein festgestanden. Nach Lage der Sache konnte das Urteil nicht anders lauten. Der Ehebruch war evident. Die Form der Trennung entspricht der allerdings erst seit dem 12. Jahrhundert in der katholischen Kirche geltenden Anschauung über die Ehe, die von der katholischen Christenheit als eigentlich un auflöslich angesehen wird. Dadurch, daß die Entscheidung des Kronprinzen von Sachsen und seiner vormaligen Gemahlin „vom Bande" ausgesprochen worden ist, ist die schärfste der zulässigen Formen gewählt worden. Diese Ehescheidung vom Bande bedeutet die dauernde Trennung von Tisch und Bett. Keiner der geschiedenen Ehegatten kann aber, solange er in der katholischen Glaubensgemeinschaft verbleibt, wieder heiraten, es sei denn, daß er hierzu vom Papste die besondere, äußerst selten erteilte Einwilligung einholte und erhielte. Nun, keiner der im vorliegenden Falle in Frage Kommenden dürfte wohl überhaupt an eine anderweitige Eheschlie ung denken. Die beklagenswerte Prinzessin, die im Zustande unbegreiflicher Willensmorosität über sich selbst Schmach und Verderben, über all ihre Angehörigen unnenn baren Jammer, über ein ganzes Volk Schande heraufbeschworen hat, weilt im Jrrenhause, das sie wohl kaum je wieder verlassen wird. In geradezu erschütternden Bildern hat die Zeitgeschichte der letzten zwei Monate wieder einmal erwiesen, daß gerechte Strafe der Sünde folgt, daß niemand, wo er auch stehe, sich er haben dünken darf über die ungeschriebenen Sätze der Moral der Sitte, der Zucht. Der einzige Trost, wenn es ein solcher ist, der bei dem ganzen unerquicklichen Geschehen in der letzten Zeit verblieb, war und ist der, daß die jenige, die den Mittelpunkt und die Ursache der Tragödie, welche sich vor den Augen der staunenden Mitwelt abspielte, nicht im vollen Besitze normaler Geisteskraft gewesen ist, da sie tat, was sie getan hat. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, Februar 1903. ):( Am Sonnabend, den 7. Februar, gab Herr Fabrikbesitzer Schifft, anläßlich seiner Vermählung, seiner Arbeiterschaft ein Fest im Gasthof zum Hirsch, Groß-Okrilla. Festlich prangte der Saal, Festslimmung war auch in den Herzen der ca. 250 Teilnehmer, die sich an reichbesetzten Tafeln niederließen und dem vorzüglich bereitetem Mahle tapfer zusprachen. Anregende Trinksprüche wurden gehalten, heitere Weisen der Eckenbrecht'schen Kapelle ertönten und der hiesige gemischte Chor sang reizvolle Lieder. Ein Tänzchen hielt die Teilnehmer bis Mitternacht in animiertester Stimmung beisammen. Noch lange wird man von dem schönen Feste reden, welches Zeugnis davon ablegte, wie beliebt Herr Schiffl bei seiner Arbeiterschaft ist. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist hier ei > ideales; denn Liebe erzeugt Gegenliebe. — Das Königliche Ministerium des Innern hat an alle Bürgermeister, Gemeinde vorstände und Rittergutsbesitzer Fragebogen versandt, in denen alles das verzeichnet werden soll, was sich im Königreiche Sachsen noch an alten Orts- und Flurnamen bis auf den heut igen Tag erhalten hat. — Weiter ist vor einigen Tagen beim Königlichen Ministerium ein Bericht des Herrn Professor Dr. Deich müller über den Stand und die Erfolge der laut Verordnung vom 31. Mai 1901 ein geleiteten Inventarisierung der vorgeschichtlichen Altertümer im Königreiche Sachsen emgegangen. Diesem Berichte nach sind die bisher erzielten Erfolge sehr bedeutend. — In einer neuerdings ergangenen Ver fügung wird das Verhalten der Postbeamten an den Schaltern und bei Bedienung dec Fern sprechapparate zum Gegenstand eingehenoer Dar stellung gemacht und von der Postoerwaltung Veranlassung genommen, ihren Beamten höf liches Benehmen gegenüber dem Pudutum ein zuschärfen. Soweit diese Verfügung den Dienst an den Schaltern betrifft, entspricht sie zum Teil wörtlich den bereits im Dezember 1875 erlassenen grundsätzlichen Bestimmungen in der gleichen Sache. Neu ist, was über das Ver halten der Beamten im Fernsprechverkehr ge sagt ist. „Der Dienst bei den Fernsprech- Vermittlungsanstallen", so heißt es dort, „bringt die Beamten fortgesetzt in die Lage, mit Per sonen d^r verschiedensten Stände in unmittel baren Sprechverkehr zu treten. Ln Wahr nehmung dieses Dienstes erfordert ein be sonderes Maß von Aufmerksamkeit und Ge wandtheit auf feiten der beteiligten Beamten; denn die Eigenart des meist in groger Eile sich abwickelnden Fernsprechverkehrs bringt es mit sich, daß die den Fernsprecher benutzenden Personen leicht in Erregung geraten und dann geneigt sind, geringe Unregelmäßigkeuen und unvermeidliche Vorkommnisse, wie zum Beispiel kurzes Warten auf die Herstellung einer Ge sprächsoerbindung, mangelhafte Verständigung, vorzeitige Trennung einer Verbindung und der gleichen, hinsichtlich ihrer Bedeutung zu über- Ichätzen. Aufgabe eines VermittluagSbeamten wird es jederzeit sein, durch bereitwillige sach gemäße und erschöpfende Auskunftserteilung heftigen Auseinandersetzungen vorzubeugen. Wenn dennoch leicht erregbare Personen am Fernsprecher zu Aeußerungen des Unwillens sich Hinreißen lassen, so soll der Beamte auf solche Aeußerungen nicht in gleichem Lone er widern, sondern durch sachliches und taktvolles Benehmen eine Steigerung der Erregung nach Möglichkeit fernzuhalten bestrebt sein." — Frühlingsartiges Welter hat sich jetzt eingestellt. Frühlingsstürme durch- braufen das Land und wollen den Winter vertreiben. Leider ist durch die wiederholten milden Perioden in dem überaus schwankenden Welter dieses Winters die Entwickelung der Pflanzen in Feld und Garten schon so weit gefördert, daß ein etwa noch kommender starker und langanhaltender Frost großen Schaden zur Folge haben würde. Wenn also auch noch nicht auf eine ununterbrochene Fortdauer des srühlingsartigen Wetters gerechnet werden kann, so ist doch zu wünschen, daß die mit Sicher heit noch ausstehenden Fröste nicht allzu stark werden und daß sie nicht allzu lange anhalten! — Die letzten sonnigen Tage haben im Elbtale auch die ersten Frühlingsboten hervorgelockt. An sonnigen Stellen blühen bereits die Haselräupchen, auch das graue Pelzchen des Palmkätzchens sprengt seine braune Hülle, die gelben Himmelsschlüssel haben Knos pen angesetzt und an geschützten Stellen blühen, wenn auch noch vereinzelt, die ersten Schnee glöckchen. — Eine für das Bauwesen interessante Entscheidung ist vom Königlich sächsischen Ober verwaltungsgericht gefällt worden. In Tabelle 1? zu Z 29 der Ausführungsverordnung zum allgemeinen Baugesetz ist bestimmt, daß Giebel und Brandmauern in den Obergeschossen eine Stärke von 25 Zentimetern haben müssen. Von der Amtshauptmannschaft Leipzig war jedoch, wie das „Leipziger Tageblatt" be richtet, in einem besonderen Falle für ein frei stehendes Hinterhaus angeordnet worden, daß die Stärke sämtlicher Umfassungsmauern, also auch der Giebel und Brandmauern, 38 Zenti meter zu betragen habe. Der vom Bauunter nehmer hiergegen eingelegte Rekurs wurde von der Kreishauptmannschaft verworfen, und eben so verwarf das Oberverwaltungsgericht die ein gelegte Anfechtungsklage. In den Entscheidungs gründen wird ausgeführt, daß die in Tabelle 1? vorgesehenen Mauerstärken nur auf die bau liche Sicherheit sich beziehen. Wenn in ge sundheitlicher Hinsicht wegen der Lage des Ge bäudes weitergehende Ansprüche gestellt werden so sei diesen vom Bauunternehmer Rechnung zu tragen. Dresden. Vom Balkon des ersten Stockwerkes einer Villa in der Pohlandstcaße fiel am Sonnabend Nachmittag eine Dame in folge Nachgebens des Geländers vier Meter hoch herab auf einen gepflasterten Weg und erlitt einen so schweren Schädelbruch, daß sie bald darauf starb. Dresden. Am vergangenen Montag Nachmittag fuhr nach mehrwöchentlicher Pause erstmalig wieder ein aus dem Raddampfer und vier Zillen bestehender Schleppzug elb aufwärts von hier ab. Abgesehen von einigen Sandsteinkähnen sind talwärts hier noch keine Schiffe angekommen. Bis zur Landesgrenze sind sämtliche Fähren wieder im Gange. — Las aus der Zeit Vater Augusts stammende große Schäfereigebäude in Dresden-Friedrich stadt sollte vom Königlichen Finanzministerium auf Abbruch verkauft werden; jedoch wurden die Angebote nicht angenommen. Jetzt sollen nun zwischen dem Finanzministerium und dem Rate zu Dresden Unterhandlungen wegen An tauf des Schäfereigrundstückes durch die Stadl schweben. Dresden. Am Dienstag vormittags 9 Uhr verschied hier nach kurzem Leiden un 69. Lebensjahre der königlich sächsische General major z. D. Hans Adolf von Kirchbach. Der Verstorbene, am 26. Oktober 1834 in Dresden geboren, trat am 1. April 1853 als Portepee- sähnrich beim vormaligen 16. Jnfanteriedataillon ein und wurde noch in demselben Jahre Leut nant. Hauptmann wurde er am 20. Juli 1866, Major am 23. Mai 1873, Oberst leutnant im Jahre 1878 und Oberst am 1. April 1881. Nachdem er am 31. Januar 1882 zum Kommandeur des 9. Infanterie- Regiments Nr. 133 ernannt worden war, wurde Herr von Kirchbach am 15. März 1887 als charakterisierter Generalmajor zur Disposition gestellt. Der Verewigte hat in den Feldzügen von 1866 und von 1870/71 rühmlich mit gekämpft. Schandau. Bei heftigem Sturmwind und etwas erhöhtem Wafserstande brach am Montag in der Nacht um 1 und gegen 2 Uhr der ElSschutz zwischen Herrnskretschen-Mittel- grund-Laube auf. Trotzdem die Eisfahrt während der Nacht erfolgte, haben die Eis- masfen wenig Schaden an den Elchahrzeugen angerichtet. Am Dienstag ging hier die Elbe mit losgebröckelten Landeismaffen, die noch in großen Mengen an den Ufern aufgelürmt liegen. Man erwartet nun noch das Eis der Moldau und der kleinen Elbe, das sehr zusammen geschmolzen sein dürfte. Meißen. In der Nacht zum Sonntag um 1 Uhr brach in dem Bodenräume des auf dem Lehmberge in Obermeisa gelegenen, dem Zimmermann Moritz Wittig gehörigen Wohn hauses auf bisher unermittelte Weise Feuer aus. Da der Brand bald bemerkt und in folgedessen genügender Alarm geschlagen wurde, so waren sehr schnell hilfsbereite Ortsbewohner zur Stelle, um den bedrängten Bewohnern bei zustehen. In dem Vorder- und Seitengebäude wohnten fünf Arbeiterfamilien, von denen drei nicht versichert waren. Der ohne Unterbrech ung anhaltende Sturm fachte das Feuer fort gesetzt von Neuem an, so daß während des ganzen Tages und auch in der folgenden Nacht eine Feuerwache zum Ablöschen am Brand platze verbleiben mußte. Chemnitz. Am Sonnabend Abend in der achten Stunve fuhr hier der Führer eines zweispännigen Rollwagens im Trabe die Schiller straße entlang. Während der schnellen Fahrt versuchte der Geschirrführer, der erst auf dem Wagen saß, sich zu erheben und auf letzteren zu stellen. Dabei stürzte der Mann herab auf die Straße und blceb bewußtlos liegen. Ler Verunglückte, der zwei klaffende, bis auf den Knochen reichende Stirnwunden und einen Nasenbruch erlitten hatte, wurde in das Stadt- kcankenhaus eingeliefert. Leipzig. Gegen die Eisenbahntarif reform in unserem engeren Heimatlande er klärte sich energisch der hiesige Fremdenverkehrs verein und auch der „Verband reisender Kauf leute Deutschlands" wird eine Protestbewegung in die Wege leiten. — Die Sängerin Bella Monti, welche am letztvergangenen Freitag zum Revolver griff, ist nun doch noch ihren Ver letzungen erlegen. Die Aermste hatte, wie so viele ihrer Kunstgenossinnen, mit Sorgen und Entbehrungen zu kämpfen gehabt. Warnend sei die Stimme erneut erhoben gegen die Er greifung eines künstlerischen Berufes auf dem Gebiete der Musik; denn nur eminente Talente finden noch Beachtung in der wilden Flut von Konzerten und ähnlichen Veranstaltungen! Treuen i. V. Am Montag Nachmittag ist die vom Oelsnitzer Wochenmarkte zurüä- kehrende erwachsene Tochter des Pferdeschlächters Wecke hier auf dem Wege unweit Neuensalz von einem Dlenstknechte überfallen, gewürgt nnd ihrer gesamten Einnahme beraubt worden. Der unbekannte Mann ist leider entkommen. Schneeberg. Der Gemeinderat der großen Landgemeinde Zschorlau hat den in Lresden aktiv dienenden Feldwebel Kindler zum Gemeindevorstande gewählt. Zur engeren Wahl standen noch ein kaiserlicher Landrent- mecster a. D. und ein königlicher Zeughaupt mann a. D. aus Preußen. Aussig. Infolge einer Fahrpreiserhöh ung bei der Aussig-Teplitzer Eisenbahn haben die alldeutschen Abgeordneten Harich, Kliemann und Hofer nachstehende Eingabe an das Mini- steriumm gemacht: „Seit dem 1. Januar 1903 wurden die Fahrpreise der Aussig-Teplitzer und der Buschtihrader Eisenbahn in ganz ungerecht fertigter Weise, und zwar im Gesamtaufschlage um 40 Prozent erhöht. Bei dem Umstande, daß diese beide Bahnen zu den ertragfähigsten gehören und dadurch diese Erhöhung nament lich den Landwirten und Gewerbetreibenden ungebührliche, nicht zu rechtfertigende Lasten auj erlegt, die Bevölkerung auch nicht dazu da ist, um sich durch die schamlose Raubgier der Dividendenschinder dieser beiden Bahnunter nehmungen wehrlos ausplündern zu lassen, so stellen die Gefertigten die Anfrage: „Ist Seine Exzellenz geneigt, über diese unerhörte Volks- begaunerung Erhebungen pflegen zu lassen und die Abänderung des dermaligen hohen Per- sonentanses umgehend zu veranlassens"