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— 97 Monaco. Von I. Mädicke. Der Schienenweg durch den Mont Cenis ist vollendet, auch der von Genua westwärts, an dem das Stück von Savona über San Remo nach Mentone lange Zeit fehlte; die durch den Krieg und seine Nachwirkungen gestörte Reiselust ist seit Jahr und Tag wieder so rege als je zuvor. So kauu es nicht fehlen, daß die an den Städten Genua und Nizza endigende Riviera di Ponente auch aus Deutschland immer zahlreicheren Besuch an sich zieht. Viele werden diese Seeküste zum Reiseziel wählen, weil wohl kaum ein anderes Gebiet in Südeuropa auf engstem Raume einer solchen Fülle von schönen Landschaften und eines so paradiesischen Klimas sich rühmen kann, andere werden, öfter noch als bisher, ihrer Ungeduld, Rom und Neapel zu sehen, einige Tage für diesen Seitenausflug abge winnen oder ihn ihrem Rückwege einverleiben. Wir glauben daher nichts unwillkommenes zu thun, wenn wir unsere Leser cinladen, uns dahin zu folgen, und zwar nach Monüco. Doch zuvor ein paar Worte in Sachen Reisepläne. Diese sind zwar, fast eben so sehr wie die Wahl einer Lebensgefährtin, eine höchst persönliche Angelegenheit, in welche niemand sich gern dreinreden läßt. Was wir hier bemerken, will aber auch nur an einiges erinnern, das, eben weil es so nahe liegt, selten beachtet wird. deucht. Ein aus Deutschland Kommender dagegen wird sich einige Mäßigung leicht auferlegen, wenn er die Gründe für Beschränkung erwägt. Begnügt er sich vorläufig mit Oberitalien, so bieten ihm Seitenausflüge nach den vier Seen und der westlichen Meeresküste vortreffliche Gelegenheit, den Sinn zu erfrischen und für weitere Kunststudien in den Städten empfänglich zu machen. An der Ri viera di Ponente wird ihm auch schon, mehr als in irgend einem an deren Theile der Halbinsel, der volle Eindruck des Südens. Ueber die Reize desselben pflegt unter uns Deutschen viel ge stritten zu werden, denn das Vergleichen, Messen und Abwägen, Klassifiziren, Kritisiren und Besserwissenwollen, auch wo es nicht hingehört und nur den Genuß verdirbt, ist einmal unser Erbtheil. Kaum fühlen wir den überwältigenden Zauber italiänischer Sze nerie, so werfen wir, anstatt ihm ganz uns hinzugeben, alsobald die Frage auf: Hast du denn wirklich Veranlassung, entzückt zu sein? Ist eine deutsche Landschaft mit ihren lieblichen Bergwiesen und majestätischen Hochwäldern nicht doch schöner? — Ich Pflege in die ser letzteren Ansicht jeden zu bestärken, der nur auf kleine Touren in der Heimat angewiesen ist; mit allen jedoch, die im Süden sich an gesiedelt haben, dessen Luft, Himmel und Sonne, die Linien und das Ä der alten Zeit der Extraposten, Landkutschen, Schlagbäume, Ge leit- und Accise-Einnahmen rc. pflegten selbst günstig Gestellte selten Mn Vergnügen zu reisen. Entschloß sich jemand zu einer größeren Ncise, so machte er seinen Zuschnitt meist so, daß alles irgend er reichbare seinem Plane cingeschlossen ward. Der Zurückgekehrte Me ein strenges Examen zu erwarten über Aufmerksamkeit uud Reiß nnterweges; Angehörigen und Freunden mußte er über alles berichten können, was von Sehenswürdigkeiten in den besuchten Ländern vorhanden, denn jede Versäumniß konnte ihm als Stumpf en oder Ungeschick angerechnet werden. Das ist jetzt ganz anders geworden. Die Fahrt selbst beansprucht einen verhältnißmäßig ge ringen Aufwand an Zeit und Kosten, der Wohlberathene reist des halb lieber oft als lange, weil er mehr Frucht davon hat und die Eindrücke um so schwächer werden, je schneller sie auf einander fol gen. In den meisten Fällen dürften sich auch leichter mehrfach wie- osrholt einige Wochen Ferien für kürzere Ausflüge finden, als vier, tünf Monate für eine Reise. Darum thut jeder, der freie Wahl »nd nicht etwa besondere Gründe für das Gegenthcil hat, immerhin Wohl, sich demgemäß einzurichten, ganz besonders wenn es sich um k>n Gebiet ersten Ranges handelt, wie Italien. Wer aus Amerika mnber kommt, um von der Alten Welt das wichtigste zu sehen, so als möglich mit allem Cisatlantischen ein für alle Mal sich ab- vnden muß, mag in seine Weltfahrt hineinpressen, was ihm gut allen Welttheilen. IV. Jahrs. Kolorit der Berge, die immergrünen Laubbäume, den Reichthum der Pflanzenwelt, die malerische Bauart der Dörfer und die kleidfawen Trachten der Bewohner zu rühmen; endlich mit jenen, denen wie derholte Reisen vergönnt sind, einzustimmen in die Erfahrung, daß die Vorzüge des Nordens nnd des Südens erst durch die Kontrast wirkung zu voller Geltung kommen, gleichzeitig aber daran zu mah nen, daß, je häufiger und weiter wir reisen, um so mehr Grund ist, vor dem verbreiteten Touristenlaster des Zuvielsehenwollens (sür welches die Amerikaner den Ausdruck ZiglitsooinA-trsn^- erfunden haben) uns zu hüten; und daß andererseits wieder einer, je weniger er Zeit zum Reisen hat, um so thörichter handelt, wenn er sie sich durch Uebertreibungen verdirbt. —- Die Gründung Monaco's schreibt die Sage dem Herkules zu, nach welchem es portus lloreulis Nonoeous hieß. Erwähnung der selben thun Virgil, Lucan u. a. Schriftsteller des Alterthums. Im früheren Mittelalter hatten sich hier die Sarazenen angesiedelt. Kaiser Barbarossa schenkte dieses Gebiet der Republik Genua. Jahr hunderte hindurch, namentlich während der Guelfen- nnd Ghibel- linenkämpfe, diente es, eben so wie andere feste Punkte dieser klip- pen- und buchtenreichen Küste, Piratenfahrzengen zum Bollwerk und war der Schrecken aller das Mittelmeer befahrenden Völker. Später kam das Ländchen in den Besitz des genuesischen Geschlechts der Grimaldi, Nachkommen Pipin's von Heristal. Einer dersel- 13