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»vr Belehrung und Unterhaltung. Dresden, den 29 July i8n. 56» A s m 0 l a n. (Eine Erzählung.) ^»^chah Nelsir, der Beherrscher von Per- stcn, war durch manche glanzende Vorzüge ausgezeichnet, die ab r durch größere Fehler verdunkelt wurden. Er war mutbvoll, aber zuweilen grausam und hart; er liebte und achtete die Tugend, aber er wollte sie nicht anerkennen, wenn sie mit seinem grenzenlosen Hange zu willkührticher Gewalt in Wider streit gerieth. Wie jeder seiner Unlerthanen, wie jeder Mensch, ward er von dem Verlan gen beseelt, glücklich zu seyn. Mit tapfer er kämpften Lorbern bedeckt, G bicter eins gro ßen blühenden Reichs, umringt von Schmeich lern, die ihn wie einen Gott anzubeten schie nen, berauscht von ihrem Wethrauche, Desi, tzer des schönsten Harems, glaubte Schah Nesi sir, mehr als irgend ein anderer Anspruch auf Glück zu haben, und doch kannte er das Glück nicht. Langweile und Uebervruß, die steten Begleiter jedes Genusses, den das Herz nicht theilt, saßen neoen ihm auf seinem Throne uno auf den purpurnen Teppichen, die von Gold und Perlen glanzten. Vergebens suchte man Abwechselung in seine Vergnügungen zu bringen; aber auch in der neuen Gestalt, worunter man sie ihm darbot, behielten sie für ihn ihr ewiges Einerlei. Nicht die ei gennützigen Lobsprüche seiner Schmeichler, nicht der Glanz seines Ruhms, nicht die Lieb kosungen der schönsten Frauen Asiens, konn ten ihm das Gefühl nehmen, daß er nicht glücklich war. Er ward finster und unfreundlich, und bald seufzte Persien unter dem Zoche empö render Willkühr. Das schöne Land ward durch gehässige Bedrückungen verwüstet, das leiseste Murren mit dem Tode bestraft, und besoldete Ausspäher drangen bis in das In nere des häuslichen Kreises, um dort die ge heimsten Regungen des Herzens auszufor schen. Man seufzte heimlich und fürchtete sich, selbst seine Thranen sehen zu lassen. Weil ich unglücklich bin, schien Schah Nesstr zu sich selber gesagt zu haben, fo soll es jeder mann seyn. Man soll nicht sagen können, d^ß einer meiner Umerthanen sich eines Scha tzes rühme, den ich nicht zu erlangen vermag. Aber stolz, wie er war, wollte er nicht, daß dieser beschämende Gedanke von seinen Oplern errathen würde; er wäre erröthet, wenn er den Zustand semes Herzens gezeigt