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zur Belehrung und Unterhaltung. Nr. Dresden, den 12. December rgn» 95. Gedanken über das Alter. (Von Bouflers.) ^^as Alter ist kein neuer Gegenstand für einen Schriftsteller; von Cicero und Seneka bis ans unsere Zeiten herab haben Mehrere mit Geist und Welterfahrung darüber ge schrieben und den Alten treffliche Rathfchläge gegeben. Aber ich fürchte, die Alten möch ten sie ungefähr so aufnehmen, wie Reiche, welchen man Almosen anbieten wollte. Das Alter ist von Natur nicht sehr geneigt, feine Sitten zu ändern; man glaubt keines Ra- thes zu bedürfen; man glaubt unterwegs al len nöthigen Rath von der größten Lehrerin, die man befragen kann, von der Erfahrung, erhalten zu haben und selbst berechtigt zu seyn, Andern zu rächen. Die Alten sind ent weder noch nicht gestimmt, fremden Rath zu empfangen, oder nicht mehr im Stande, den selben zu nutzen. Haben sie auch gewisserma ßen nicht Recht, zu glauben, daß sie eines Lehrers entbehren können? Wenn er noch jung ist, was giebt ihm Derns zum Lehren? Wenn er alt ist, wer verbürgt ihm, daß er . nicht ins Blaue hinein schwatze? Ferner, er ermahnt entweder, es zu machen, wie er's ge ¬ macht, stellt sich als Muster auf, und feirr Stolz macht uns ihm abhold; oder er hat nicht gethan, was er empfiehlt, und was soll man alsdann von feiner Lehre denken? Ec bestreitet seine Lehre durch sein Beispiel; aber seine Nathschläge sind nur Worte, seine Bei spiele Sachen. Was ist denn das Alter, und warum will man's gewissermaßen als eine Lebenszeit für sich betrachten, da eS doch nur die Fortsetzung des Lebens ist? Das Leben ist ein mehr oder minder langer Tag, der gegen Abend gewöhn lich kalt wird; dies; ist das ganze Gehumniß. Man muß also bei Zeilen sich darauf einrich ten, damit man so wenig als möglich dabei leide. Um ohne Kummer dem Alter entge gen zu gehen und ohne Langweile alt zu seyn, muß man — naturgemäß leben und also während des ganzen Lebens das Ziel im Auge haben; denn bei dem Eintritte in die Renn bahn muß ein kluger W ttlä fer Kraft und Athen, sparen, um bis zu Ende damit aus zukommen. — Die Fehler, welche man den Alten vor wirft, sind in der That dem Alt r nicht so ausschließend eigen, daß nickt auch die übri gen Lebensstufen ihren Antheil daran hätten. Ceccc