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zur Belehrung und Unterhaltung. Nt. Dresden, den 22. Januar 1812. 6. Ueber das fühlbare Bedürfnis; und die unentbehrliche N 0 t h w e n d L g k eit einer guten Deklamation in unserm Zeitalter. (Beschluß.) freilich ist die in der Deklamation bis jetzt erworbene Kenntniß und Kunstfertigkeit der meisten Personen noch äußerst unbedeutend, mangel- und fehlerhaft/ theils weil unS das angewöhnte stumme Lesen blos mit den Augen bei verschlossenem Munde (und oft mitunter wohl auch ohne Verstand) an der eigenen Erkcnntniß und Vermeidung der Fehler im Deelamiren verhindert, theils aber auch weil es uns an guten nachahmungs würdigen Declamatoren, an öffentlichen Dcelamarions- lehrern und guten Lehrbüchern, folglich auch an einer natur- und wahrhcitgemaßen Lehrmethode dieser herrli chen Kunst bis jetzt fehlt/ worauf auch in der Deelama- tion eben so viel ankonnm, als bei dem ersten Untere richte der Heranwachsenden Jugend. Daher kommt es, daß bei dem Mangel an hinläng lich erworbener Kenntniß und Kunstfertigkeit in der De- clamation die meisten unter uns nicht nur selbst schlecht deelamiren / sondern auch sogar den besten Redner und Kunstschauspieler ganz schief beurtbeilen, folglich hie durch ihre Unkunde und Unfähigkeit in diesem Fache selbst offenbarem Denn der Nichtkenner dieser göttli chen Kunst vermag B. bei Bcurthcilung irgend eines deklamatorischen Redners/ oder Schauspic'.künstlers, wel cher ihm nicht ganz gefallen hat/ doch immer nur vor- tugcben: „Es schien mir dieses und jenes nicht ganz richtig zu seyn, nicht treffend auSgedrückt und darge- ßellt zu werden re. " Der wahre Sachkenner der Deklamation hingegen, vertraut mit den Grundsätzen dieser herrlichen Kunst, urtheilt über einen Redner, oder Schauspieler, dessen Grundton unrichtig ist, nicht so oberflächlich und seicht, sondern gründlich und blos von Wahrheitsliebe geleitet, indem er z. B. zeigt: „daß der Grundton des Redners, oder Schauspielers darum entweder zu hoch, oder zu tief, zu stark, oder zu schwach gewesen sey, weil die Wir kung einer solchen declamirendcn Stimme zu dem Cha rakter der Rede, oder des theatralischen Stückes nicht passe, oder der Redner und Schauspieler habe den An- fchlagepunkt theils auf einer falschen Tvnstufe oder Staf fel auf der natürlichen Tonleiter seiner Kehle und Stim me ergriffen, mithin unrichtig aufgefaßt, theils diesen Anschlagepunkt zu einem falschen Tonpunkte hingeführt, manche Töne unrichtig modistcirt und modulirt, ferner in verschiedenen Stellen entweder mit zu viel, oder mit zu wenig Spannung der Stimme gesprochen, endlich we der überall die angemessenen Pausen, noch die passend sten Geberden angebracht, folglich das Ganze nicht nach seinem wahren Sinne, Interesse, Geiste und Charakter treu dargestellt rc." Folglich kann auch in dieser schönen Kunst, wie in allen übrigen , nicht etwa die Mehrheit der oft ganz un- declamatorischcn Zuhörer und Zuschauer, sondern nur der wahre Sachkenner richtig entscheiden, welcher, ver traut mit dem vollkommen richtigen Gebrauche der von Schocher zuerst entdeckten natürlichen Tonstu- fenleiler (Skala) unserer Kehle und Summe, i.B-