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Können wohl selbst die geübtesten, geschicktesten Schauspielkünstler, Dichter, Schriftsteller, Red ner und Lehrer aller Art eine gründliche Theorie der Deklamation ganz entbehren? (Fortsetzung.) k- 3)er logische oder Verstandesaccent muß i) entweder absolut/ unabänderlich nothwendig auf die Stamm- oder Grundsübe eines Wortes wegen ihrer ganz eigenthümlichen Bedeutung und stets unveränderlich bleibenden Hauptvorstellung kommen/ folglich der abso lut logische oder Derstandesaceent (der etymologisch grammatische oder der Wortaccent) scyn und als solcher auf die erste lange Wortsilbe gesetzt werde»/ z B. in Reicht/ rechtschaffen/ Rechtschaffenheit, ger e'cht, Gerechtigkeit/ berechtigt rc.; 2) oder der Verstandesaccent ist nur zufällig, blos beziehungs- und vergleichungsweise, nur in gewisser Hinsicht und Be, ziehung nothwendig, folglich relativ, welcher daher auch wegen der jedeSmal veränderlichen Wortstellung und Gedankenfolge, oder Absicht des Autors und Declama, tors, von welcher dieser relative Verstandes- oder Redeaccent abhangt, allemal nur auf diejenige Haupt vorstellung zu stehen kommen, oder gesetzt, gelegt wer den muß, welche nicht an und für sich selbst (schon ih- rer Natur nach) die Hauptvorstellung ist, sondern diese erst theilS durch die jedesmal leicht veränderliche Wort stellung und Gedankenfolge, theils durch unsere hiebei obwaltende Absicht wird, daß wir nun den meisten Werth gerade auf eine gewisse Vorstellung legen und sie daher vor alle» übrigen Nebenvorstellungen eines Sa tzes, oder ganzen Gedankens durch diesen rhetori schen oder Redneraeeent ausgezeichnet hervorhe ben müssen. Dieser Redeaccent hebt demnach bei der Verer- nigung mehrerer Worte entweder n) zu einem einzigen zusammengesetzten Worte (;. B- S t a m'm bäum, B a um- stamm, Hausherr, Her'rnhauS), oder l>) zu einem ganzen Satze immer nur dasjenige Wort mit besonderem Stimmennachdrucke in gewissen Abstufungen hervor, wel ches in dem jedesmaligen Falle nach der Wort - undGe- dankcnfolge, oder auch nach unserer Absicht die beson dere Hauptvorstellung enthält, auf die wir gerade den meisten Werth legen wollen, oder müssen, folglich un- genöthigt sehen, dieses die Hauptvorstellung enthaltende Wort durch den Redcaecent vor allen Nebensvrstellungcn ausgezeichnet hervorzuheben, z. B. in dem Satze: „Ich liebe die Tugend." Denn hier können wir den Accent mehrmals nach der jedesmaligen Absicht und Bedeutung verändern, folglich ihn jedesmal auf ein anderes Wort setzen, B. i) „I'ch (für meine Person) liebe die Tugend," 2) „ich liebe (hasse nicht) die Tugend," 3) „ich liebe die' (diese und keine andere) Tugend," 4) „ich liebe die Tu'gend" (und nicht das Laster), 5) „ ich liebe die Tugend se hr, sehr wenig, oder ga r nicht rc." Hieraus erhellt nicht nur die große Veränderlichkeit und Zufälligkeit des RedeaceentS, sondern auch, daß der selbe in Vereinigung mit dem Wortaccente bei dem Ab sondern der Hauptvorstellung jedes Satzes von ihren Ne benvorstellungen zur Deutlichkeit und Verständ lichkeit, folglich zur Belehrung jedes Vertrages in Mosa, wie in Versen, eben so unentbehrlich nothwen-