Volltext Seite (XML)
Dresden, den 29. Juli igr2. 57« Nr. Bemerkungen über die Erziehung. (Aus dein Englischen.) er Mensch ist auf eine vorzügliche Weise unter den Bewohnern dieses EldkrciseS ausgezeichnet- Diese Aus zeichnung schreibt sich von der Bildung und dem An se hn seines Körpers, und noch weit mehr von den Kräften und Fähigkeiten seiner Seele her- Die Seele scheint in der That anfänglich nur we nige Begriffe zu haben und selbst diese, äußern Gegen ständen schuldig zu seyn- Allein die edeln und ausge breiteten Kräfte, mit denen sie begabt ist, entwickeln sich nach und nach und machen sie eines hohen Grades von Ausbildung fähig. Diese Ausbildung hängt genau mit der Vollendung und Glückseligkeit des menschlichen Geschlechts zusammen. Wird der Geist durch Irrthum verfinstert und durch Laster verdor ben, so werden wir eben so unglücklich als niedrig seyn; wird er aber durch Kenntniß erleuchtet und durch Tu gend gebildet, so werden wir die natürlichen Uebe! des Lebens leicht ertragen und uns selbst die sichersten und reichhaltigsten Quellen der Glückseligkeit öffnen. Hieraus ist cS klar, daß unter allen den Gegen ständen, welche unf-e Aufmerksamkeit an sich ziehen, kei ner so interessant, als die Seele selbst, sey, und es folgt daraus, daß diejenigen, denen die Jugend an- vertraut ist, in einem vorzüglichen Grade die Natur des menschlichen Geistes erforschen müssen. Sie Müssen ihm in allen seinen verschiedenen Erscheinungen nachspüren und ibn mit einem noch begierigem und aufmerksamem Auge in der ersten noch unverdorbenen Zeit des Lebens beobachten. Ihre Pflicht ist es, darauf, wie er sich stufenweise entwickelt, zu merken, ihm in seinen Uebunaen an die Hand zu gehen und ihn mit zweckmäßigen Materialien der Erkenntniß zu versehen. Mit den Gegenständen der Natur, welche das Kind umgeben, den Anfang machend, müssen sie ihm zeigen, wie man deren bekanntere und nützliche Eigenschaften zu entdecken habe; dann müssen sie demselben die Verände rungen, welche der menschliche Fleiß damit vorgenom- Men, und die Absichten, aus welchen diese Veränderun gen gemacht worden, kennen lernen. Wahrnehmungen dieser Art und Erläuterungen, so wie die Kinder an Alter zunehmen und sich die Gegenstände ihrer Beob achtung darstcllen, werden ihre Neugierde reizen und ihre Seelen eben sowohl unterrichten, als beschäftigen. Dieß wird einen brauchbaren Grund für Sprachen, Kün ste und Wissenschaften abgeben. Die Erwerbung von Kenntnissen muß, so viel als möglich, die Frucht ihrer eigenen Untersuchungen und der zwanglosen Uebung ihrer Scclenkrafte seyn. Auf diese Art werden sie ihren eignen Verstand bei dem Fortschritt in Kenntnissen an wenden lernen, als sich lieber bei allen Geftgcnheiten blind auf die Meinungen der Aeltern und Lehrer verlas sen. Diese können zwar allerdings sowohl die größte Hochachtung, als Gehorsam von den Kindern vertan- gen; aber sie müssen die wirksamsten Maßregeln ergrei fen, diese Achtung zu sichern; sie müssen die einfachsten und wahrscheinlichsten Mitte! gebrauchen, wodurch der- jenigi Same von Kenntnissen gepflegt wird, welcher Mehr oder weniger in den Seelen der Kinder zu liegen scheint, und zu seiner Erweckung bloß einer zweckmäßigen