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zur Belehrung und Unterhaltung. Nr. Dresden, den 23. September 1312. 74- Etwas über die zunehmende Gesichtsschwäche der Kultur-Menschen unsrer Zeit.*) Ä)er erkennt nicht in der Mehrzahl unsrer Brillen tra^ genden Herren, dass nicht allein die Mode cs sey, welche ße ;w nqt, bei Tag und Nacht mit bewaffneten Augen umherzuwanvein, und dennoch, wie man sich scherzweise ausdruckt, nichts zu sehen, oder, wenn man billi ger seyn Wilt, nicht viel mehr zu sehen, als was schwa che Augen zu sehen vermögen. Die Myopie oder Kurzsichtigkeit sollte es senn, wel che die gleich Archimeds Brennspieacln hodlgeschliffeuen Gläser zu Tausenden in den Handel brachte, und diesem die kurzsichtige Welt trivmbar unterwarf. Unter sucht man nun aber den Bou der Augen dieser vermeint lichen Myopen genauer; so sind^n sich Wenige mit einer so convexen Hornhaut, d;e ein solches Glas erforderte, uuo dennoch ergreifen sie dasselbe mit der größten Hast, versichernd, besser und weiter damit sehen zu können, als mit unbewaffnetem Auge. Ich selbst nahm manchem dnser Kuljltcht gen seine Brille, ließ den Wechsel zwi schen Nabe - und Fernsehen beginnen, und soalcich zeigte sich in der Langsamkeit dieses Geschaltes, daß der wahre Gesichtsfehler weder rm myopischen Baue des Auaes, noch in mangelhafter Umstellung desselben, sondern le- digUU- ln einer wahren Trägheit und Schwache der Netz haut, a'S dem sublimm Ausflüsse deS Seb, nervens selbst, zu suchen sey. Nicht also Kurrsichnakell, sondern wayre *) Ei»g^„dct vom Herrn Hofralh Nr Weinhold in Deeooen. . Der Redaclmr. Gesichtsschwäche wäre dieses Uebel unsrer Zeit, die hoh len Gläser wohl em Gift, aber keineswegs ein Gegengift dagegen; denn sie müssen nvthwendig höhere Grade die ser Schwäche Hervorrufen, und wo diese hinführen, wird man an Folgendem erkennen. Der Sehenerve und dessen Ausbreitung, die Mark - oder Netzhaut des Auges, schließt als Gesichts sinn die Aussenwelt für uns auf, indem der eigne Licht- cntwickelungsprvzeß derselben mit dem dichte des Univer sums in stete Wechselwirkung tritt und unS die Objekte so darstcllt, wie sie diesem Prozesse entsprechen. Eine anders gebaute Netzhaut würde einen andern thierischen Lichtprozeß heroorbrinaen, dieser würde das äußere Licht wi der anders modisiciren, und mithin würden auch die Objekte different erscheinen. Das ist der bekannte Satz, über den so viel und heftig gestritten wurde, und der doch jedem Unbefangenen, welcher über Subjektivität und Objcttivkät nur etwas nachgedacht hat, sehr klar und deutlich seyn muß. Ermattet nun dieser eigenthümliche Lichtentwicke- lunqsprozeß des menjchlichcn oder überhaupt thierischen Auges, so ist der Anfang der reinen Gesichtsschwache ge geben, welche mehrere Stufen durchlauft und ihr Maxi mum im völligen Erlöschen desselben in dem bckanncen, durch ganzl. Blindheit endenden schwarzen Sraare findet; welche Krankhettsform bei dem Nictnarzte in so fern besonders Erstaunen erregt, als er ein schönes kry- siallhelles und dennoch erblindetes Auge vor sich siehet- Alle Ursachen dieses Sinkens und völligen Erlö schens der Schlraft hier anzugebcn, würde zu weit suh-