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Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn Nr. 20 Freitag, den 24. Januar 1S36 88. Jahrgang und Zwangsvergleich wird der für Aufträge etwa schon bewilligte Nachlaß hinfällig. Anzeigen sind an den Erscheinungstagen bis vormittags 10 Uhr aufzugeben. — Verlag: Mohr 5- Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann und E. L. Förster's Erbe«. Verantwortlich für Oertliches u. Sächsisches, Unterhaltungsteil, Sport u. Anzeigenteil Karl Hoffmann, Pulsnitz, für Politik und den übrigen Teil Walter Mohr, Pulsnitz. D.A.XIl.: 2250. Geschäftsstellen : Albertstr. 2 u. Adolf-Hitler-Str. 4. Fernruf 518 u. 550. Dien Zeitung erscheint täglich mit Ausnahme bei gesetzlichen Sonn« und Feiertage. Der Bezugspreis beträgt bei Abholung wöchentlich 45 Npü, bei Lieferung frei Haus 50 tlipi. Postbezug monatlich 2.30 RM. Iw Falle böherer Gewalt od-w sonstiger Betriebsstörungen Hai der Bezieher keinen Anspruch nui Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung des Bezugspreises. — Anzeigenpreise und Nachlaßsätze bei Wieder holungen nach Preisliste Nr. 8 (in unseren Geschäftsstellen erhältlich). Bei Konkurs Das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen -er Amtshauptmannschast und des Finanzamtes zu Kamen- des Stadtrates zu Pulsnitz und des Gemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt Litwinow gegen Uruguay Als der südamerikanische Staat Uruguay vor kurzem die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion abbrach, da der Sowjetgesandte Minkin den kommunistischen Auf ruhr in Brasilien mit Geldmitteln unterstützt hatte, hatte sich die Sowjetregierung bekanntlich beim Völkerbund beschwert und Uruguay der Verletzung des Artikels 12 der Völker bundssatzung beschuldigt, weil es den Streitfall nicht vorher einem Schiedsverfahren unterworfen habe. In der letzten öffentlichen Sitzung des Völkerbundsrakes stand jetzt die Sowjetbeschwerde zur Verhandlung, wobei sich der sowjetrussische Vertreter, Außenkommissar Litwinow, die denkbarste Mühe gab, den Völkerbund zu einem Instru ment der kommunistischen Internationale zu stempeln. Litwinow gab in weitschweifigen Ausführungen, die von unbewiesenen Behauptungen und belanglosen Phrasen strotzten, eine ausführliche Darstellung des Streitfalles, wo bei er sich selbstverständlich bemühte, alle Schuld auf Uru guay zu schieben. In seiner dreioiertelstündigen Rede „stellte er fest", daß die in der uruguayischen Note erwähnten An schuldigungen gegen die Sowjetregierung und ihre Vertre tung in Montevideo völlig unbegründet seien. (!) Uruguay preche lediglich Vermutungen aus. und auch diese seien in >er Hauptsache nicht seine eigenen. Scheinheilig erklärte !>er Vertreter der Sowjetunion, daß weder die Sowjetregie rung noch die Sowjetvertretung in Montevideo, noch irgend welche andere Beauftragte der Sowjetregierung kommunisti sche Kreise in Uruguay oder in einem benachbarten Staat aufgewiegelt oder unterstützt hätten, denn die „Sowjetregie rung hält unabänderlich an ihrer Politik der Nichteinmi schung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten fest. (!>!)" Die uruguayische Regierung solle Beweise des Gegen teils, wenn sie irgendwelche habe, vorbringen und, so be hauptete Litwinow anmaßend, derartige Beweise könnten nicht erbracht werden. Zum Schluß erklärte der Sowjetvertreter, die uruguay ische Regierung habe bei ihrem Vorgehen zweifellos „aus die Vorurteile spekuliert, die in reaktionären Kreisen vieler Länder gegen die Sowjetunion gehegt würden", wobei er sich in ebenso törichten wie haltlosen Verdächtigungen gegen Deutschland und Italien erging. Llruguays Gegenklage Auf die langen Ausführungen, mit denen Litwinow die Sowjetpolitik reinzuwaschen suchte, erwiderte der Vertreter Uruguays, Guani, unter großer Spannung mit einer scharf umrisfenen Anklagerede, die dem Sowjetverlreter sichtlich unangenehm war. Wiederholt versuchte Litwinow, die für ihn peinliche Wirkung dieser Feststellungen am Rats tisch durch ostentatives Lachen zu überwinden. Man sah aber deutlich, daß die Schilderungen des Vertreters von Uruguay aus die übrigen Ralsmitglieder nicht ohne Eindruck blieben. Zum erstenmal begann hier vor dem Völkerbunds- kat in aller Oeffentlichkeit eine diplomatische Auseinander- chung darüber, ob Sowjetrußland überhaupt die Voraus setzungen für die Mitgliedschaft im Völkerbund erfüllt. Im einzelnen führte der Vertreter Uruguays aus, die Geschichte der Sowjetunion verzeichne zahlreiche Fälle des Mißbrauchs der diplomatischen Immuni tät. So habe 1918 in der Schweiz eine Sowjetgesandt schaft den Bürgerkrieg anzuzetteln gesucht und sei deshalb ausgewiesen worden. Kurz danach habe die britische Re gierung die Sowjet-Handelsorganisation aus London aus gewiesen wegen ihrer revolutionären Umtriebe. Später habe Mexiko aus demselben Grunde die Beziehungen zur Sowjetunion abgebrochen. In Buenos Aires habe man 1931 die Sowjethandelsagentur ausgewiesen. Kürzlich hät ten die Vereinigten Staaten eine Note an Moskau gerichtet, worin der Sowjetunion revolutionäre Umtriebe vorgehalten wurden. Auch andere Länder hätten entsprechende Vorstel- tungen in Moskau erhoben. Der Redner behandelte dann die revolutionäre Tätig keit der Dritten Internationale und betonte, daß deren Zusammenhang mit der Sowjetregierung unbestreitbar lei. Anmatzende Rede vor dem Rate Er sprach alsdann von dem kommunistischen Aufstand in Brasilien und der Rolle, die auch hierbei die Sowjetpolitik gespielt hat. Auf dem letzten Kongreß der Dritten Inter nationale seien die Ergebnisse der Revolutionspropaganda in Latein-Amerika erörtert worden. Dieser Kongreß habe festgestellt, daß die Mitarbeit des brasilianischen kommuni stischen Revolutionärs Carlos Prestos nunmehr gesichert sei. Die Gesandtschaft in Montevideo sei die Zentrale für die kommunistische Revolution in den lateinamerikanischen Ländern gewesen. Die Sowjekgesandtschast in Montevideo habe revolutionäre Unruhen in Brasilien hervorgsrufen. Da das Zentrum dieser Aktivität sich in der Sowjelgelandl- schaft Montevideos befunden habe, sei es für die Regie rung Uruguays unbedingt notwendig gewesen, diesem Zu stand schleunigst ein Ende zu machen. Uruguay habe in berechtigter Selbstverteidigung gehandelt. Der Grund für das Vorgehen der Regierung Uruguays sei internen Charakters. Es handelt sich nicht um einen internationalen Konflikt, sondern um einen Akt des Souve ränitätsrechtes Uruguays zur Aufrechterhaltung der Ord nung im Lande und zur Verhütung eines Bürgerkrieges. Infolgedessen komme auch die von Sowjetrußland ange rufene Bestimmung des Paktes nicht in Betracht. Der Redner betonte schließlich, die Zeit sei gekommen, da man sich gegen die zerstörenden Theorien Sowjelrnß- lands verteidigen müsse. Der Rat werde deshalb sicherlich das Vorgehen Uruguays billigen. * Nach der Rede des Vertreters Uruguays wurde die wei tere Aussprache auf die Nachmittagssitzung verschoben. Ba ron Aloisi protestierte in scharfer Form gegen die Anspie lung Litwinows auf Italien. Er erklärte, Italien habe es nicht nötig, einen Vorwand zu suchen für eine Aktion, die es aus Gründen der Sicherheit und der Zivilisation unter nommen habe. Er wolle mit Litwinow nicht über die abessi nische Frage diskutieren. Pariser Llebergangsregierung? Sarraut mit der Kabinettsbildung beauftragt Die ersten Versuche zur Regierungsneubildung in Frank reich haben keinen Erfolg gezeitigt. Nach dem durch die Hal tung der Radikalsozialisten herbeigeführten Rücktritt der Re gierung Laval hatte der Präsident der Republik als ersten Herriot zu sich berufen, der jedoch die Uebernahme eines Auftrages mit der Begründung ablehnte, daß er mit seinem Rücktritt aus dem Kabinett seine Freiheit als Staatsbürger habe wiedererlangen wollen. Ebenso erfolglos war eine Unterredung des Präsidenten mit dem Vorsitzenden der ra^ dikalsozialistischen Kammerfraktion Delbos. Im Anschluß daran empsing Präsident Lebrun den ra- dikalsozialistischen Senator Sarraut und bot ihm in einer einstündigen Unterredung den Auftrag der Kabinettsbildung an. Senator Sarraut hat das Angebot grundsätzlich ange nommen und wird nach Fühlungnahme mit einer Reihe po litischer Persönlichkeiten dem Präsidenten seine endgültige Antwort überbringen. Senator Albert Sarraut war vom 27. Oktober bis 24. November 1933 Ministerpräsident und hat im übrigen zahl reichen Kabinetten als Minister angehürt. Er wird voraus sichtlich versuchen, ein geschäftsführendes Uebergangskabinetl bis zu den Wahlen zusammenzustellen, die bekanntlich für den Monat März in Aussicht genommen sind. * Wieder Goldabfluß ins Ausland. Im Zusammenhang mit der Ministerkrise beginnen sich wieder finanzielle Spekulationen auszuwirken. Dem „Ma- tin" zufolge sind in drei Tagen, vom 19. bis 21. Januar, bereits über 600 Millionen Franken Gold aus den Kellern der Bank von Frankreich ins Ausland abgeflossen. Sarrauts Besprechungen noch nicht beendet Um 19 Uh-r (frz. Zeit) hatte Senator Sarraut seine Besprechung«! mit den verschiedenen politischen Persönlich keiten no chnicht beendet. Es war daher auch noch nicht mög lich, dem Staatspräsidenten eine endgültige Antwort! zu erteilen Nach seiner Unterredung mit dem Vorsitzenden der -adi- kalsozialistischen Partei, Daladier, empfing Sarraut den ehemaligen Ministerpräsidenten Chautemvs, den gegen wärtigen Postminister Mandel und den Vorsitzenden der ) radikatsozialistischen Kammerfraktion Delbos. Man hat in unterrichteten Kreisen den Eindruck, als ob die Radikalsozialisten ein ausgesprochen radikalsozialistisches Kabinett vorziehen würden. Sarraut neigt jedoch zu einer Regierung auf breiterer Grundlage. Daladier erklärte beim Verlassen Sarrauts, daß er einen Mann vorgefuuden habe, der entschlossen sei, die ihm übertragene Aufgabe zu erfüllen, und zwar so schnell wie möglich. Am Freitag endgültige Antwort Sarrauts Senator Sarraut hat seine Besprechungen gegen 17.30 Uhr unterbrochen und wird sie um 21 Uhr im Ministerpräsidium fortsetzen. Er wird erst im Laufe des Freitagvormittag dem Präsidenten der Republik seine endgültige Antwort bekannt geben. Moskau wühlt weiter „Botschaft" Dimitroffs an die französischen Kommunisten. Während dem französischen Bürger so viel von Sicher heit und Kollektivität berichtet wird und er sich in dem stol zen Bewußtsein befindet, daß die ganze Welt gegen Deutsch land „gesichert" ist, beginnt sich im eigenen Lande immer stärker die größte Gefahr für die Sicherheit des französischen Bürgers zu entwickeln. In Villeurbanne, der kommunisti schen Hochburg unweit von Lyon, wurde die achte Tagung der Kommunistischen Partei Frankreichs unter dem Vorsitz Tachins eröffnet. Aus Anlaß dieser Tagung fühlte sich der Generalsekre tär der Komintern, der berüchtigte Dimitroff, „verpflichtet", eine Botschaft an die französischen Kommunisten zu richten, deren offene Worte, so sollte man meinen, der französischen Oeffentlichkeit die Augen vor den Gefahren öffnen, denen sich Frankreich durch ein enges Zusammengehen mit der Sowjetunion ausseht. Das internationale Proletariat, so predigte Dimitroff, werte aufs höchste die Erfolge, die die französischen Kom munisten in ihrem Kampf gegen Faschismus und Reaktion bisher errungen hätten. Die französischen Kommunisten würden als wahre Revolutionäre handeln, wenn sie im Geiste des — durch seine Haßparolen bekanntgewordenen — 7. internationalen kommunistischen Kongresses „arbeite ten", und wenn sie sich kühl klarmachten, daß das französische Proletariat unbedingt eine stärkere und kämpferische Par tei auf seinem Gebiete haben müsse. Der Verhandlungssaal des kommunistischen Parteitages war mit Inschriften versehen, auf denen man die bezeichnen den Worte lesen konnte: „Es lebe die französische Republik der Sowjets!" Ob man in Paris jetzt noch nicht merkt, wo hin die Fahrt gehen soll? Thorez enthüllt die Pläne der französischen Kommunisten Paris, 23. Januar. Die Tagung der Kommu nisten in Villerba nne hatte ihren Höhepunkt mit der großen politischen Rede des kommunistischen Abgeordneten Thorez, der nicht weniger als 4 Stunden sprach. Thorez schilderte die Wirtschaftslage Frankreichs und seine natürlichen Reichtümer, um daraus die Schlußfolgerung zu ziehen ,daß Frankreich eigentlich ein Schlaraffenland sein mühte, wenn nicht „die Politik der nationalen Einheit und des KapitaUsmus die Krise heraufbeschworen hätte". Der kommunistische Abgeordnete ging sogar soweit, die Morde und Kindesentführungen auf das Konto des augenblicklichen Regimes zu setzen.