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Pulsnitzer Anzeiger Nr. 89 88. Jahrgang Donnerstag, den 16. April 1936 Frankreichs Frie-ensi-eal Sarraut vor den Vertretern der französischen Provinzpreffe Amtlicher Teil Seit« S Der neueste amtliche Heeresbericht des Marschalls Ba doglio bestätigt die Meldung von der Einnahme der Stadt Dessie. Truppen des eritreischen Armeekorps sind am Millwoch- morgen in die Stadt einmarschiert und haben auf dem Dach des Regierungsgebäudes die Trikolore gehißt. Mit ungeheu rem Jubel wurde diese feierliche Handlung von den weißen und farbigen Soldaten begrüßt. Dessie, bis vor kurzem noch das Hauptquartier des Negus, ist eine wichtige Militärbasis und politisches und wirtschaftliches Zentrum zugleich. Nach Addis Abeba geht von hier aus eine Autostraße, die den Vormarsch der Italie ner auf die 25V Kilometer entfernte abessinische Hauptstadt wesentlich erleichtern wird. Das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast und des Finanzamtes zu Kamen, des Stadtrates zu Pulsnitz und des Gemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt Was Addis Abeba meldet Einige von der Nordfront eintreffende, amtlich noch nickt bestätigte Berickte erwecken den Eindruck, als habe sich und Zwangsvergleich wird der für Aufträge etwa schon bewilligte Nachlaß hinfällig. Anzeigen sind an den ErscheinungStagen bis vormittags 10 Uhr aufzugeben. Verlag: Mohr k Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann und E. L. Försters Erben. Verantwortlich für Oertliches u. Sächsisches, Unterhaltllngstetl. Spor, u. Anzeigenretl Karl Hoffmann, Pulsnitz, für Politik und den übrigen Teil Walter Mohr, Pulsnitz. D. A. III.: 2256. Geschäftsstellen: Albertstr.Ä u. Adolf-Hitler-Str.4. Fernruf 513 u 556. Ministerpräsident Sarraut hielt vor den Vertretern der französischen Provinzpresse eine Rede, die auch auf sämtliche französischen Rundfunksender übertragen wurde. Sarraut erklärte, daß die französische Regierung den Frie den wünsche, aber in der Sicherheit und in der Würde des französischen Friedensideals, das sie seit dem Kriege unab lässig selbst bewiesen habe. Dieses Friedensideal finde sei nen Ausdruck in der kollektiven Sicherheit. Die französische Regierung wünsche alle Gendarmen der Ord nung gegen den zu sammeln, der versuchen sollte, den Krieg vom Zaun zu brechen. Vertragsrecht unter den Staaten, freiwillig unterzeichnete Abkommen gegenseitigen Beistan des, um ihre Achtung zu sanktionieren und auf diese Weise die Last der internationalen Rüstungen herabzusetzen, das sei das Gerüst des Friedensgebäudes, dessen gemeinsamer Schutz ohne Unterschied allen gutgewillten Völkern angeboten werde. „Soll es dazu kommen", fuhr Saraut fort, ,daß äußerste Enttäuschungen, die unseren festen Glauben in das hohe Ideal einer kollektiven Friedensorganisation brechen, uns eines Tages von Genf hinwegführen? Sollen wir ange sichts des Egoismus der einen, der Ausflüchte und des Ver sagens der anderen auf die Hoffnung auf ein internationa les Regime der Solidarität und des Beistandes verzichten, um fortan nur noch an die Garantien unserer eigenen Si cherheit zu denken?" Der französische Ministerpräsident erklärte, daß Frank reich mit einer „verdienstvollen Geduld" gegenwärtig alle Möglichkeiten erschöpfe, um den aus der „Verletzung" (!) des Locarno-Vertrages sich ergebenden Streit mit fried lichen Mitteln zu lösen. Der Ministerpräsident nahm gegen die Behauptung von der Unterlegenheit der französischen militärischen Aufrüstung gegenüber derjenigen Deutschlands Stellung und betonte, daß er mit den Leitern der Landes verteidigung ernst den Bestand der Streitkräfte und die neuen ergänzenden Maßnahmen geprüft habe, die geeignet wären, ihren Wert und ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Er habe eine tiefe Genugtuung empfunden, ein tröstliches Ge fühl des Vertrauens und der Erleichterung in Anbetracht der Ueberlegenheit der materiellen Mittel Frankreichs. Es sei gut, daß Frankreich dies wisse für die Eventualität einer dauerhaften Friedensregelung und der Annäherung, die es in einem freien Geist zu verhandeln beabsichtige und nicht unter Drohungen. Denn diese Rege lung werde nur dann dauerhaft, fruchtbar und wirksam sein, wenn man wisse, daß Frankreich kein schwacher Part ner sei. Hel» Zeitung erscheint täglich mit Ausnahme der gesetzlichen Sonn, und Feiertage ^träg« bei Abholung wöchentlich 45 Rps., bei Lieferung frei Haus «n monatlich 2.30 RM. Im Falle höherer Gewalt oder sonstiger m^I"bsst2rungen hat der Bezieher keinen Anspruch aut Lieferung der Zeitung oder . Mahlung des Bezugspreises. — Anzeigenpreise und Nachlaßsätze bet Wieder- Holungen nach Preisliste Nr. 3 sin unseren Geschäftsstellen erhältlich). Bei Konkurs ergreifung noch Zweifel möglich waren, so sinVsie mit dieser Namensgebung behoben worden. Die „Mussolini-Spitze" hat eine symbolische Bedeutung. Einberufung -es ^Ser-Ausschusses? Der Vorsitzende des Achtzehnerausschusses der Sank tionskonferenz hat den Mitgliedern dieses Ausschusses mit geteilt, daß sich infolge der Umstände eine baldige Zusam menkunft des Ausschusses als notwendig erweisen könnte. Die Einberufung würde in diesem Falle mit kurzer Frist erfolgen. Die abessinische Abordnung in Genf hat dem General sekretär des Völkerbundes eine Denkschrift des abessinischen Roten Kreuzes überreicht, in der über die angeblichen Ver tragsverletzungen Italiens berichtet und eine Liste der bis zum 18. Februar erfolgten fünfzig Bombardierungen offener Städte, ferner der Bombardierungen Roter Kreuz-Statio nen in Kirchen gegeben wird. Weiter macht die abessinische Regierung das Genfer Rote Kreuz auf di« durch den Suez kanal von den Italienern nach Massaua verschifften Mengen von Giftgasen, Gasbomben und Dum-Dum-Geschossen auf merksam. Die Kaiserin von Abessinien richtete über den Kurz wellensender Addis Abeba einen Protest gegen den „italie nischen Angriffskrieg" an die ganze Welt. Me „Mussolini-Spitze" Die grün-weiß-rote Trikolore, die von den italienischen Truppen am Tanasee gehißt worden ist, weht nach ergänzen den Berichten auf dem höchsten Punkt der GorgorL-Halb- insel, die den ganzen See beherrscht. Die Höhe ist bei der Zeremonie der Flaggenhissung „Äetta Mussolini" genannt worden; gleichzeitig geht die Besetzung der Posten an der ägyptischen Sudangrenze weiter. Wenn über den Charak ter der Besetzung der Tana-Zone als endgültiger Besitz- Desfie besetzt Feierliche Hissung der italienischen Trikolore Generalstreik in südspanischer Stadt Madrid, 15. April. Von Sevilla sind zwei PoK'Ae«- kommandos ans Lastkraftwagen nach Jerez de la Fron tera entsandt worden, wo die marxistischen Arbeiterorgani sationen den Generalstreik anfgerufen 'haben und die Gefahr besteht, daß sich die blutigen Zusammenstöße vom Vortage wiederholen. Der Führer der dortigen Faschisten ist inzwischen seinen schweren Verletzungen erlegen, die ihm von KöiMNMMteir beigebürcht wurden. Der Versuch, eine Kirchs in Brand zu stecken, konnte von der Polizei recht- zeitig verhindert werden. Lediglich der Einigung wurde vom Feuer zerstört. Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn Regierungserklärung in Madrid Der spanische Ministerpräsident Azana stellte am Mitt woch dem Parlament das Kabinett vor und gab «ine aus führliche Regierungserklärung ab. Die Regierung erblicke in der Lösung der Arbeitslosenfrage und in der Besserung der Lage auf dem Lande ihre Hauptaufgaben. Zur Aus gleichung der bestehenden großen Unterschiede zwischen arm und reich plane die Regierung die Erhebung besonderer Vermögenssteuern. Ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungs programm solle auf keinen Fall durch eine Vermehrung der Zahlungsmittel ermöglicht werden. Das Agrarreformgesetz der ersten linksrepublikanischen Regierung solle wieder in Kraft treten. Die gesamte soziale Gesetzgebung der frühe ren spanischen Nationalversammlung werde wiederherge stellt. In der internationalen Politik werde Spanien weiter aktiven Anteil an dem Friedenswerk des Völkerbundes neh men und bereit sein, alle Verpflichtungen, die vom Völker bund ausgehen, anzunehmen; einseitige Bindungen dagegen werde Spanien ablehnen. Bezüglich der allgemeinen innenpolitischen Lage stellte Azana fest, daß den gelegentlichen Störungen der öffent lichen Ordnung zu viel Wert beigelegt werde, daß die Re gierung aber in jedem Augenblick bereit und stark genug sei, die Sicherheit des Staates zu schützen und mit allen Mitteln den Ruhestörern das Handwerk zu legen. In politischen Kreisen wird die Tatsache, daß die Re gierungserklärung nur den Beifall der linksrepublikanischen Gruppen gefunden hat und die Sozialdemokraten und Kom munisten sich jeder Zustimmung enthielten, als wichtiges Zeichen aufgefaßt. Edens Auftrag für Genf Am heutigen Donnerstag beginnen in Genf die neuen Verhandlungen des Dreizehnerausschusses, bei denen wichtige Entscheidungen fallen dürften. Wenn die Friedensverhandlungen zwischen dem Ausschußvorsitzenden Madariaga und dem italienischen Vertreter Baron Aloisi keinerlei Einigungsmöglichkeiten ergeben sollten, wird nach englischer Auffassung damit zu rechnen sein, daß Eden für ein weiteres Anziehen der Sanktionsschraube, d. h. sur die Verhängung der Oelsperre gegen Italien, eintritt. Die Aus sichten auf eine Einigung sind sehr gering, zumal die eng lische Regierung den Standpunkt zu vertreten scheint, daß auch Waffenstillstandsverhandlunaen noch nicht zur Aufhe bung der Sanktionen führen dürften. Die einzige Voraus setzung hierfür ist nach englischer Auffassung die sofortig« Einstellung der Feindseligkeiten. Die Londoner Presse unterstreicht in diesem Zusam menhang, daß der von Eden vertretene Standpunkt di« volle Unterstützung des englischen Kabinetts hat. In den offensichtlich beeinflußten Berichten der englischen Press« wird außerdem übereinstimmend hervorgehoben, daß die Widerstandskraft Abessiniens noch keineswegs als gebrochen angesehen werden könnte und daß man die Stärke der italie nischen Verhandlungsstellungen trotz der letzten militärischen Siege nicht überschätzen dürfe. Auch spiele die schwierig« finanzielle und wirtschaftliche Lage Italiens eine wichtig« Rolle. Paris gegen GarMonSverfchärfung Dor der Wiederaufnahme der Genfer Verhandlungen über den abessinischen Streitfall verstärkt die französisch« Presse ihre Bemühungen, vor einer Verschärfung der Sühne maßnahmen gegen Italien zu warnen. Selbst in radikal sozialistischen Blättern wendet man sich von der bisher durchgeführten Unterstützung der Sühnemaßnahmen-Politil ab und findet Worte des Verständnisses, wenn nicht für dep italienischen Standpunkt, so doch für die sachlichen Belange Frankreichs, die gegen einen Bruch mit Italien sprechen. Der dem französischen Außenministerium nahestehende „Petit Parisien" fordert, daß die Friedensverhandlungen in, afrikanischen Streitfall nicht unter dem Druck neuer Sühne maßnahmen gegen Italien stattfinden dürften. Giegesjubel in Rom Italien feiert den Einmarsch in Dessie. Rom, April. Der Einmarsch der italienischen Truppen in Dessie wird auf Befehl Mussolinis am heutigen Donnerstag in ganz Ita lien durch festlichen Flaggenschmuck gefeiert. Auf den Straßen kommt es immer wieder zu begeisterten Kundge bungen. Die „Tribuna" sieht die Bedeutung des Einzuges der italienischen Truppen in das frühere Hauptquartier des Ne gus besonders unter dem Gesichtspunkt des Zusammentref fens mit der Wiederaufnahme der Genfer Besprechungen. Das Blatt schreibt, es sei nicht ohne Bedeutung, daß die italienischen Truppen zu dem Zeitpunkt, in dem Baron Aloisi wieder in Genf eingetroffen sei, um zu sehen, was der Dreizehnerausschuß praktisch wolle, sich unwiderruflich in Dessie festgesetzt hätten. Unterredung Aloisis mit Madariaga Baron Aloisi hatte unmittelbar nach seiner Ankunft in Genf eine einstündige Unterredung mit Madariaga. Die Be sprechungen, die sich nur auf Verfahrensfragen bezogen, ha ben, wie man hört, bisher zu keinem Ergebnis geführt. Für unmittelbare italienisch-abessinische Besprechungen, wie sie unter dem Vorsitz Madariagas in Aussicht genommen sind, bestehen, wie verlautet, im Augenblick keine Voraussetzun gen.