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Mittheilur^gen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Fünfter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 16 Gr. Sachs., bei Beziehung des Blattes durch Botengclcgcnhcit 12 Gr. Sachs. Erscheint jeden Donnerstag. 14. November 1838. ^46. B r u ch st ü ck aus einem noch ungedruckten Roman, welcher nächstens im Verlag des Hrn. A. A. Müller zu Adorf erscheinen wird. Die Novelle beschäftigt sich damit, die Parteien der neuesten Zeit, rcpräsentirt in den handelnden Perso nen, zu schildern und die schwebenden socialen Fragen - zu lösen. Gmdo, ein moderner Kraftmensch, schreibt seinem Freund, Wilhelm von Wiedoch also: Du weißt, mit welcher Vorliebe ich mich, als ich von der Universität kam, an den Bürgerstand anschloß. Das Leben der höheren Stände ekelte mich an. Ein säst wildes, mir angebornes Freiheitsgefühl ließ mich allen konventionellen Zwang verachten; das Vornehm thun ohne Bildung, das Nachäffen immer höherer Stände und immer größerer Städte, die Gleißnerei ins Gesicht, die Klatscherei Hinterm Rücken, die Armseligkeit, Kraft losigkeit und Beschränktheit verleideten mir die sogenannte »große Welt um so mehr, je höhere Ansprüche mein Selbstgefühl und meine Jugendunerfahrenheit machten. So warf ich mich mit Begeisterung unter's Volk, d. h. unter die Bürger des Städtchens, in welches mich das Schicksal gepfercht hatte. Es war ein voigtländisches — und die Sache ging Anfangs vortrefflich. Ich suchte Natur, ich suchte Menschen, die sich gäben, wie sie wären; ich wollte Nationalität, ich wollte das Volk kennen lernen, das mir im Spiegel meiner Phantasie so poetisch vorkam. Damals dachte ich mir die Bürger deutscher und vor Allem sächsischer Städte zwar im Philisterthum besangen, aber im Allgemeinen durchdrun ¬ gen von Rechtlichkeit, Treue, Kraft und Frömmigkeit, und so lange ich nicht in den Kern ging, däuchte mir die Sache richtig. Einzelne Züge von Gemüth, Ehr lichkeit, Witz und Kühnheit unter den Jungen, einige hervorstechende Charaktere voll Kraft, Verstand und Bürger-Ehre unter den Alten frischten mich an. Wie wähnte ich, den Funken wecken zu können; wie freute ich mich über das erwachende Volksleben, über meines Vaterlandes Zukunft! Ich gestehe Dir, ich verlebte da mals glückliche Stunden; ich verhehle dir aber auch nicht, daß daran die Individualität unserer Bürgerstöchter we nigstens eben so viel Theil hatte, als die unserer Bür- gerssöhnc. schöne Zeit der Rockenstube, du flam mende Leuchte voll Liebe und Sinnenlust, voll Coquet- terie und Heirathsgeschichten, voll Uebermuth, Albern heit und Unsinn! Aber Zeit und Erfahrung reifen die Ansichten. Ich verlangte Thaten von meinen Freunden und fand—Un- thaten. Statt der Redlichkeit merkte ich, wie der Vater den Sohn, der Bruder den Bruder bevortheilte, statt der Kraft und Treue sand ich Verzagtheit und Hinter list, statt Männersinn Wciberregiment und Unterthänig- keit, statt Vaterlandsliebe Stumpfheit oder Nichts in der Masse. Da verzweifelte ich an der Zukunft, sagte: die Menschen sind noch nicht reif, zog mich zurück und hatte Niemand mehr, als Dich und die wenigen Freunde, welche, mit mir gleiches Sinnes, meinen Schmerz und meine Resignation verstanden. Zudem ging damals 1833 und 1834 eine große Hoffnung nach der andern zu Grabe, und so warf ich auch die sauf den sächsischen Bürger stand zu den andern.