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^Adorker Wochenblatt. Mittheilungen über örtliä-e und vaterländische Angelegenheiten.' Sechzehnter Jahrgang. Prel« für den Lehrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung de« Blatte« durch Lotengele,enheit» rr Ngr. s Pf. 1. Mittwoch, 1. Januar 1851. Wenn die preußische Regierung die Absicht gehabt hat, sich alle dle Sympathien zu verscherzen, welche Preußen in den letzten Jahren gewonnen hatte, so muß man ibr zugeftchen, daß sie dieses Ziel vollkommen er reicht hat. Ein Volk nach dem andern, eine Regirung nach der andern ist bereits von Preußen abgefallen und dasselbe geschieht jetzt mit mehreren Organen der Preße, die sich früher in uneigennützigster Weise ihm zugewendet hatten. Es laßt sich auch nicht leugnen, selbst wenn man es wollte, daß das entschiedene und konsequente Auftreten Oesterreichs sich zwar nicht Lie be, aber doch eine gewisse Achtung erzwungen hat rind es liegt nun einmal im natürlichen Lauf der Din ge, daß sich der Schwächere stets dahin neigt, wo er Stärke und Festigkeit gewahrt. Oft genug hört man aucsi-schon in Sachsen der „österreichischen Conscqucnz" die „preußische Windbeutelei" entgegensetzen und eS hat uns nicht angenehm berührt, daß auch die Deut sche Allgemeine Zeitung, die seit dem Marz v. I. ent- schieden auf Preußens Seite getreten war, jetzt eben- falls nichts mehr von dort zu erwarten scheint. Lei der ckann man ihr nicht widersprechen, wenn sie in ih rer neuesten Nummer sagt: „Die Stärkung der preu- fischen Macht kann in diesem Augenblicke kein Beson nener wünschen. Wir haben gesehen, wie Preußen die auf diesen Staat gerichteten liebevollen Blicke erwi dert, wir haben es an Kurhessens jammervollen Schick sal erfahren und werden es in wenigen Wochen an Schleswig-Holstein erleben." Weniger aber können wir ihr beipflichten, wenn sie fortfährt: , Man sage nicht, daß das Preußen deS Hrn. v. Manteuffel nicht das wahre, wirkliche, das Preußen der Zukunft wäre! Das Preußen der Zukunft ist noch lange eine Chimä- re, die wir aus unsern Hcgel'schen Collcgienhcftcn und einer guten Darstellung von Lessing's „Minna von Warnhelm" mit nach Hause gebracht haben. Ein Staat, dessen Armeeverfassung und Beamtenthum fort dauernd eine specisische Einseitigkeit zu bedingen scheint, rin Staat, der so wenig, wie seit dem 9. Nov. 1849 bewiesen ist, die Probe einer neuzeitlichen Verjünger. ung bestanden hat, wird noch lange brauchen, bis ihm zu gönnen ist, daß sich mit ihm das Unpreußische, rein Deutsche amalgramire. Man gebe doch einmal die- scm Staate einen Zuwachs von zwei bis drei Millio nen, man sichere ihm die politische und militärische Vormundschaft über eine noch größer« Seelenzahl; welche Bürgschaft würde uns dann dafür geboten wer» den, daß Preußen nun den Muth besäße, sich alS wahre europäische Großmacht zu fühlen, daß SchiedS» richteramt jeder andern auswärtigen Macht, die sich in deutsche Angelegenheiten mischen wollte, abzulehnea und seine starke Rechte schützend über dat große deut sche Vaterland zu legen? Wir entdecken nirgend auch nur die Möglichkeit einer solchen Bürgschaft, so lange Preußen in seinen gegenwärtigen sogenannten altpreu- ßischeu,öffentlichen Thalsachen sich schwebend und von ihnen ^"stutz' -rbält. Das Preußen, dem wir eine Oberhoheit auch nur über einen Staat wie Dessau oder Altenburg wünschen möchten, müßte ein völlig anderes sein, als das des Herrn v. Manteuffel und jener Generale, die über einen Krieg wegen des „de. mokratischcn" Kurhessens in Verzweiflung gcriethcn." Wahrlich, auch wir sind nicht gemeint, für die der» malige preußische Politik in die Schranken zu treten, DaS aber wird man doch immer festhalten müssen, daß Preußen „der Eckstein Deutschlands" ist und bleibt, selbst wenn ungeschickte Baumeister ihn nicht zu benutzen verstehen oder wohl gar verwerfen möch» ten. Mag daher auch die D. A. Z. nicht Unrecht haben, wenn sie sich „unter den Verhältnissen, die jetzt einmal obwalten, entschieden für eine Rückkehr zu dem Gleichgcwichtssystem, das dem alten Bundestage zu Grunde lag", aussprechen zu müssen glaubt: wir wollen und dürfen dabei doch immer nicht vergessen, daß etwas Besseres wenigstens erstrebt werden muß, und daß ohne Preußen etwas Besseres nie er» reicht werden kann. Wohl ist die Gegenwart trübe und — waS noch schlimmer ist — die Zukunft nicht hell, aber die Hoff, nung, daß es doch einst- besser werde, besser werden müsse, und das Streben nach diesem Bessern wol len wir mit hincinnehmen inS neue Jahr!