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Adorter Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sechzehnter Jahrgang. Prct« für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung de« Blatte« durch Botengelegenheit: 22 Rgr. ü Pf. 7. Mittwoch, 11. Februar 1851. Drei Tage aus dem Leben eines sächsischen Volksvertreters. III ISLO. Dit blutigen Maiereignisse waren vorüber. Sach» sen halte sich eng an Preußen angeschlosscn und statt der Neichsverfassung wurde dem Volke die bekannte Verfassung vom 2ö. Mai geboten. An allen Stra. ßeneckcn, in allen Kirchen wurde die bekannte königl. Proklamation vom AO. Mai verkündet, und bald sand sich auch eine große Zahl patriotischer Männer, die gern bereit war, „die Regierung auf dem beirctenen Wege, dem einzigen, der noch zu dem ersehnten Ziele führen kann, zu unterstützen", und die erste Gelegen heit dazu sollten die angeorduenden neuen Wahlen biercn. — Was nämlich die innern Verhältnisse be trifft, so hatte die Regierung nach den Maiereignissen vor allen Dingen zu erwägen, ob sie auf dem bisher eingeschlagenen Wege beharren zu können glaube. Letz teres «iderrieth eine ziemlich einflußreiche Partei, wel. ehe vorstellte, wie ja durch den aufgelösten Landtag der schlagendste Beweis gegeben worden sei, daß mit dem neuen Wahlgesetze sich nicht regieren lasse und wie daher die Regierung entweder ein Wahlgesetz zu vctroyiren oder zu den alten Ständen des Jahres 1848 zurückzukchren habe. Und in der That, wenn irgend je, so hätte damals der Grundsatz: „das öffent liche Wohl ist das höchste Gesetz" selbst solche Schrit- te gerechtfertigt, die nicht als streng verfassungsmäßig hätten bezeichnet werde» können. Die Regierung glaubte jedoch, auch den geringsten Schein einer Ver- sassungswidrigkeit vermeiden zu müssen, uud sie be» schloß daher» auch den neuen Landtag nach dem nun einmal in anerkannter Wirksamkeit bestehenden Wahl« gesetze zu berufen nnd dann durch diese» auf legalem Wege eine Abänderung des Wahlgesetzes votiren zu lassen. Es war dieS ein ehrenwerther Entschluß der Regierung, der ihr die vollsten Sympathien der con- siitulionellen Partei zuwendete, während sie zugleich durch ihren entschiedenen Anschluß an Preußen auch einen großen Theil der Aristokratie gewonnen hatte. Die Regierung hatte sonach dir günstigsten Chan cen für sich und eine schleunige Berufung deS Land tags würde für sie die gewünschtesten Ergebnisse ge liefert haben. War doch die Unverstandspartei ver sprengt und entmulhigt und damals nicht im Entfern testen daran zu denken, daß die radicalen Vereine es wagen würden,I wieder in den Vordergrund zu treten und die öffentliche Meinung zu terrorisiren. Leiber zögerte jedoch die Negierung, trotz des unablässigen Drängens der konstitutionellen Partei, diese günstige Stimmung zu benutzen. Sie ließ vielmehr den Ra dikalen Zeit, sich wieder zu sammeln und die Sprache ihrer Organe wurde von Tag zu Tage wieder kühner. Jnminelst war durch den damaligen Redakteur deS Dresdner Journals, Adv. Siegel, nicht ohne Glück der Versuch gemacht worden, die verschiedenen Fracti- onen der conservativen Partei zu vereinigen, und eS bildete sich eine Art Comilo, um ans die Wahlen im (damaligen) Sinne derRegierung einzuwirken.— Wenn die erlangten Resultate später nicht vollkommen be- friedigten, so lag dies in drei Uebelständen, von de- neu zwei lediglich der Regierung zur Last sielen. Der eine ist bereits angedeutet, er lag darin, daß man den günstigsten Zeitpunkt ungenützt vorüber gehen und die radikale Partei erst wieder erstarken ließ. Der zweite Ucbelstand aber hatte in der verändern äußern Politik der Regierung ihren Grund. Dieselbe glaubte nämlich — ob mit Recht oder Unrecht, bleibe dahin gestellt — sich nach und nach von Preußen wieder zurückziehen zu müssen. Hatten nun vorher dir offi- ciellen und halbofficiellen Blätter darauf hinzuwirkea gesucht, daß man die Regierung auf dem in der Pro- clamation vom 30. Mai angegebenen Wege unter, stütze, und wqr daher auch — mit Vvrwissen der Re gierung — in das Programm, welches der oberwähn- te Wahlverein aufgrstellt hatte, gerade dieser Punkt ausdrücklich mit ausgenommen worden: so warnte plötzlich dir Leipziger Zeitung, Männer zu wählen, die in der deutschen Frage eine „vorgesaßte" Meinung mitbrächten und sprengte die oben angedeutete Ver einigung. Dadurch kam ein Schwanken in die Wah len, das aus dieselben vom nachthciligsten Einfluß sein mußte. Es trennten sich nämlich nun von der söge- vannten „deutschen" Partei alle Diejenigen, welche