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A-orter Wochenblatt. M i t t h e i l u u g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. 3 t l) n t c r Jahrgang. »preis für den Jahrgang bei Bestellung van der Post: « Thaler, bei Bestellung de« Blattes durch Batcngelegenheit: ' LU Ncugroschen. - - ----- . - - !. L .^-38. Erscheint geben Mittwoch. t7. Sept. 8-I0. Liebes Blatt! Doll Verwunderung wirst Du mich fragen: wo her kommst denn du einmal? Was bringst denn du mir? Geduldige Dich nur einen Augenblick, Du sollst alles sogleich erfahren! Eben habe ich nämlich eine Neinc .Reise gemacht und komme jetzt über böhmisch W und böhmisch G zu Dir, aber nicht etwa aus Besuch — obschon ich weiß, daß Du gern Vieles und GutcS auflischest, — sondern um Dir einiges in jenen Orten Geschehene und Erlebte mitzulbeilcn, zumal da es zu dem Tagesgespräche, der Lhatsacke und dem Rubine unseres Zeitalters, dem Dculschkalholicismus, mehr oder weniger in Bezie hung steht. Das Eine wird Dich betrüben, das An dere Dich erfreuen; das Eine Dir wieder beweisen, daß auch im .Grenzgebiete des Bohmcrlandcs unter den romischkalholischen Geistlichen solche sich finden, bei denen der Kctzerwahn und Fanatismus der wack- lich gewordenen, aber immer noch kräftig unterstützten Roma in'ä Mark und Blut gedrungen sind; das An dere, dasi auch solche sich vorsindcn, welche die Fesseln, die man ihnen frühzeitig angelegt hat, zerbrochen und trotz der vielen Finsterniß umher zum Lichte reinerer Erkcnnlniß vorgedrungen sind.— In böhmisch W nämlich kam eine in Sachsen wohnende und in ge- misckter Ehe lebende Katholikin zu ihrem Beichtvater, um zu beichten und sich absolviren zu lassen. Der sehr gestrenge Herr ^Pfarrer aber, als er auf Befra gen von der Frau erfahren halte, daß deren in der g-mischlen Ehe erzeugten Kinder alle im protestanti schen Glauben auscr^ogen würden, gab der Frau statt Beichte und AbsollUckn,die erquickliche, sehr humane und pastorlickt Antwort, sie solle nur so wieder gehen und ließe sie die Seelen aller ihrer Kinder zum Leu- fil fahren, so möge die ihrige auch mit dahinfahren. -.»..Trau ging und wenige Lag« daraus trat sic zur dcuUch.^!bgUschxü über. Wie schwer doch die verblendeten Anhänger der römischen Hierarchie elN-^ sehen lernen, daß sic durch ihr fanatisches Wüthcn ihrer Sache — um deren Fortbestehen freilich nicht Schade ist — am allermeisten selbst verderblich wer- den.— Nun noch von böhmisch G Ein da- siger Kaplan F. hat schon vor einiger Zeit während der dasigen Pfarrvacanz einem protestantischen Geist lichen in unserer Gegend die Erlaubniß gegeben, ein Brautpaar gemischten Glaubens in der katholischen Kirche öffentlich und mit allen Feierlichkeiten unserer Kirche zu trauen. Freilich bekam er für diese Thal der Liberalität und christlichen Liebe einen derben Verweis von Seiten des Bischoffs. Derselbe F, der übrigens auch durch seine erbaulichen und freisinnigen Predigten sich ausgezeichnet hat, sollte jetzt von G weiter hinein in's Böhmerland versetzt werden. Den 16. p. Drin. hielt er unter großer Rührung der versammelten Gemeinde seine Abschieds- Predigt und deutele dabei dunkel an, was allen bald darauf klar werden sollte. Statt nach Böhmen hin ein, ging er aus Böhmen heraus und reiste über Klingenthal nach Dresden und Breslau, um daselbst den Deulschkalholiken sich anzuschlicßen, mit denen er schon längst im Geiste eins geworden war. Er ist dahin gegangen, noch ohne bestimmte Aussicht auf Amt und Unterkommen, aber gewiß mit Vertrauen auf Gott, aber gewiß, um Fesseln von sich zu werfen, unter deren Drucke er sich nur höchst unglücklich und - elend suhlen konnte. Daß cS nicht an solchen fehlt, die seinem Schritte gemeine Beweggründe unterlegen, kann mich nicht wundern. Nun, er möge freundliche Aufnahme finden und ehrlich und muthig mit fort-' bauen helfen den neuen Bank Ihm, dem Braven,— . noch mein herzliches Lebewohl, Dir aber, liebes Blatt, meinen Gruß mit der Bitte, daß Du noch lange und - gut posaunen mögest!