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Adorker Wochenblatt. M i t t h e i l n n g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Zehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botcnqcleqenheit: 20 Neugroschcn. 12. Erscheint ^eden Mittwoch. 1 9. Mlir; 1 8^0. Das Reichenbacher Dingfest am S« Februar. Zn unserem lieben Sachscnlandc, wo das Vvlks- bcwußtsein gerade jetzt eist anfängt, sich so zu kräfti gen, wie es in einem konstitutionellen Staate noth wendig ist, darf gewiß auch der unbedeutendste Ver such, sich von Kleinstädtern frei zu machen und durch gcgcnsciiiges Aneinandclschlicßcn das staatsbürgerliche Bewußtsein anzurcgen und zu befestigen, nicht un beachtet bleiben Gewiß dürfen wir cs auch nicht versäumen, die Feier des Reichenbacher Gesangfcstcs, das man getrost ein Volksfest nennen mag, zu er wähnen. Die Veranlassung des Festes war der Ge burtstag des dasigen Singvereins. Alle Nachbarver- eine waren cingeladcn und trotz des abschreckendsten Schneegestöbers war eine so große Anzahl willkom mener Gäste erschienen, daß der geräumige Rathhaus- saal die ungefähr 350 Mann starke Tischgesellschaft nicht zu fasten vermochte. Altensalz, Lengenfeld, Lim bach, Mylau, Plauen, Pöhl, Treuen und Zwickau hatten größere oder kleinere Schaarcn gesandt. Die Feier eröffnete das treffliche Bundeslicd von Mozart: Bruder reich' die Hand zum Bunde ic. Der zcithe- rige Vorstand des Vereins, Actuar Fincke, wandte sich hierauf an die Versammlung, deutete nach kurzem Gruße an, warum er eine öffentliche Feier für noth- wendig erachte und schloß daran einen Rückblick auf das vergangene, Iaht in seinen Beziehungen zum Reichenbacher Vereisst? der eben erst in diesem letzten Zeitraum, nachdem fast cinstefchl zu neuem Leben erwacht war. "Er brächte dann dem Stifter der voigtlandischcn Singfeste ein Hurrab! und wies endlich darauf hin, wie nothwendig es in unserer Zeit erscheine, neben dem Gesänge auch die sreic Rede zu pflegen, damit man nicht hinter dem Geist der Zeit zuruckbleibe, damit man vorbereitet sei, wenn die sehnlichst erwünschte, öffentlich - mündliche Berechtig- kcitspflcge auch bei uns ihren Einzug halte! — — Nachdem nun der zcitherigc Vorstand den Rechen schaftsbericht zur Prüfung übergeben und sein Amt niedergelegt hatte, ertönte zum zweitenmale der Ge sang. Man halte hierzu eine lange künstlich gear beitete Motette gewählt, welche aber auf der einen Seite die Schwachen des Männergesanges, insofern nämlich dieser selten in bedeutender Höhe ästhetisch ist, sondern das Ohr unangenehm berührt, auf der andern eine unzweckmäßige Wahl vcrrielh. Man sollte bei solchen Festlichkeiten sein Augenmerk nur auf solche Compositionen richten, die leicht ausführbar und allgemein verständlich sind. Die Thüringer Ge sangfeste chaben dieser Anforderung und jener, die vor her der Festredner aussprach (bei den Gesangfcsten auch der freien Rede an das Volk nicht zu vergessen), ganz genügt. Die gefeiertsten Männer des Thürin ger Landes: Bechstein, Storch und Andere besprachen dort gcwissermaaßen vor dem ganzen Volke (denn die Thcilnahmc ließ gar Nichts zu wünschen übrig), die allgemein interessircnden Fragen der Zeit, und eben diese Reden gaben nun zugleich einen Anhalt für die Auswahl der Lieder. Man sage nicht, daß durch kleinere Gesänge nicht jene Begeisterung her- vorgcbrachc würde, wie dies durch Aufführung eines größeren (längeren) Werkes möglich sei. Gerade die treffliche Ausführung des Leichteren ist es, die auch allgemein anspricht. Mit welcher Begeisterung ward dort im Jahre 1843 noch, nachdem Einer de^ Redner dem deutschen Volk und dem deutschen ÄZaterlande einen Dcnkspruch gebracht, das Lie^ ausgenommen: WaS ist des-Deutschen Vaterland? re. Und welcher voigtländischc Turner fühlt sich nicht noch jetzt hoch freudig erregt, wenn er des bei dem allgemeinen Hurnfeste in Plauen (1842) von tausend Kehlen, aus- gestrünuen Liedes: Wir hatten gebaut rc. ^und des