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Adorker Wochenblatt. Mittheilnngen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Dreizehnter Jahrgang. Prei« für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Tbalcr, bei Bestellung de« Blatre« durch Botcnqelcgenbctt Slcugroichcn. — . — 1 . > -- H. Februar ^848. Bilder ans der Ferne, l. Skizze über Tyrol *) Die Hcimalh Hofer's ist doch ein seltsames Land, eine wahre Felscnburg -- aber von der kolossalsten Art. Eine Verschränkung von Felsen, ein Netz, ein Rost; man nenne es, wir man will, kein Vergleich wird Passend gesunden. Die Schweiz ist anders, ganz an Hers: Die Schweiz hat Ebenen zum Kvrnbau, der nordwestliche Theil von Konstanz nach Basel läßt das Hochland nur aus weiter Ferne ahnen. Tyrol weiß nichts davon, nicht im Umfang einer Stunde verläug- net eS seinen Karakter, eS ist gebirgig durch und durch. Daher fehlt ihm auch Getreide; cs har an vielen Or ten kein Brot für seine Söhne, die ihr schönes Va- tdrland so warm und treu lieben.' Die Schweiz hat «een, eine Wasser-, Niren- und Najadenpracht, die «br Reisende aus allen Theilen der Welt zusuhrt. Tyrol hat seine sprudelnden Quellen, seine brausenden Strome, seine lieblichen Gebirgsflussc, aber die großen Wasserspiegel fehlen ihm, um seiner Felsen Fuße zu baden, ihre Häupter wiedcrzustrahlen. Nur ganz im Süden mag es den Gardasee ansprechen und will man die vvraribergischen Herrschaften nach Fug und Recht zur einen Theil Tyrols gelten lassen, so gebührt ihm auch die liebliche Buch: des Bodensees bei Bregenz. Man wird dies nicht streitig machen, um nicht der Schweiz wegen der Seen zu viel voraus zu geben, die beiden Stückchen des Garda- und Bodensee's wie gen in eigenlhumlicheu Schönheiten einen guten Theil. Und doch wird das schöne lettische Land vcrhältniß- mäßig von wenig Reisenden besucht. Von dem Ver kehr, wie er sich in den letzten zehn Jahren in den« ') Au« Maltas „Neueste -Kcltkande"; Jabrg. Ad. l.i Heft " Zollvercinsstaatcn, ganz abgesehen von den mcrkanti- lischen und industriellen Bezügen, allein für die Fre quenz der Personen erweitert Hal, ist hier kein Einfluß zu verspüren. Wie sollte es auch? Der Schlagbaum der Mauth steht nach wie vor an der Gränze und das Reich der Idee, das die Geister verbindet, konnte noch keinen Raum gewinnen. Ich bin Lyrol nach allen Richtungen durchzogen und habe mannigfach erfahren, wie vielen Täuschun gen die Wirklichkeit auSgesetzt ist. Wenn cs so fort geht, wird es nicht lange dauern, daß der fröhliche, ewig heitere, lebensfrohe Sinn des Tvrolers nur noch eine lletzerlicferung geworden ist. Wie ein graues Lei chentuch lastet der b'gotte Druck des Klerus über dem schonen Lande. Das Volk ist in allen Verrichtungen des Geistes gelähmt, eine Prozession nach der andern, Wallfahrten, Kirchenfestc, Bußungen und Rosenkränze ununterbrochen. Der kirchliche Müßiggang ist das Ge schäft des Tages. Wer sucht nicht Tanz und lustigen Gesang in den tyroler Thälern? Ich war zwei Tage im Zillerthal, dem Ausbunde der tyroler Jovialität, wurde in Zügen von der berühmten Sängerfamilje der Steiner aus alter Bekanntschaft willkommen ge heißen und fand überall offenen Eingang in die Häu ser. Aber Freude habe ich keine gefunden. Den Tag über sitzen die Leute in stillem Brulen hinter dem Kruzifix und dem Meßbuche düster in sich gekehrt, wortkarg, verschlossen und mißtrauisch. - Arbeit gicbt es wenig, der Feldbau ist gering, das Vieh auf den Alpen, Auskommen fehlt nicht, und will man reicher werden, so stimmt man die Kehle und zieht als Jod ler in die Fremde oder kaust einen Hausirkasten und handelt mit Handschuh und Teppichen durch die Welt. Der Abend gehört dem Winhshaus: ich hoffte auf ein heiteres Genrebild, wie sie unsere Maler idealilch verbreiten. ES dauerte nicht lange, so füllte sich ras Zimmer mit den hohen, kräftigen Figuren und der