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A-orter Wochenblatt. M i t t h e i l n n g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Dreizehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Thaler, bei Bestellung de« Blatte« durch Botengelegenheit: 2U Reugroschen. 30. »».Juii. 1848. Redner der Pauiskirche in Frankfurt am Main.«') Nach dem alten Sprichwort wird dec Dichter geboren. Auch »om Redner konnte dies gesagt werden. Selten sind jene hervorragenden Manner, die durch die Macht ihrer (Gedanken die Meinungen Anderer bewältigen, deren Sym pathien fesseln, deren Leidenschaften aufregen und mit dem Schwerte des Wortes glanzende Siege erringen; selten sind jene Redner, die mit feurigen Zungen sprechen und mit ei ner Kraft der Ueberzeugung, welcher Niemand zu widerste hen vermag. Zahlt auch die konstituirende Nazional-Ver- sammlung dieser hervorragenden Größen nur Wenige, so besitzt sie doch Viele von nicht gewöhnlicher Befähigung und von beachtungSwerlhen Eigenlhümlichkeiten, so zahlt sie doch Männer, welche hoch genug stehen, um ihre Ansichten höchst erfolgreich vertreten zu können. Auch würden diese Befä higungen noch glanzender hervortrelcn, wenn die leider gar zu oft wiederkehrenden kleinlichen Debatten, welche sich mehr um die Form, als um den Geist der Verhandlungen drehen, den Aufschwung der Gedanken nicht so sehr beeinträchtigten. Nur im Prinzipienkampfe kann sich der Redner wahrhaft geltend machen, aber wo cs sich nur um Formen, um Worte handelt, da ist kein Lorbeer zu erringen. In letzterer Be ziehung möchten wir den Berathungen dieser hohen Ver- iammlunq mehr Großartigkeit und Konzenlrirung wünschen. Es muß Meinungsverschiedenheiten geben, weil gerade aus Uesen die Wahrheit geläutert hervorgehen soll; aber eben so gewiß giebt es auch Höhepunkte, wo man sich vereinigen, oder wenigstens entscheiden und entschließen muß, um nicht vergebens gerungen und gestritten zu haben. Wahrlich, wir leben in Zeiten, die des kräftigen Entschlusses nur zu sehr bedürfen, die zur Entscheidung drängen und in denen keine Stunde verloren gehen darf, weil man nscht weiß, was die nächste bringen kann. Uebecall Aufregung und Gäh- cnng, überall Zwiespalt und Aerwürfniß, überall unter der Asche glimmendes Feuer, — und solche Elemente werden nicht durch Worte und wiederum durch Worte, sondern durch männlich starke Thaten bemustert. Zwischen unbe sonnener Uebereilung und zaudernder Unentschlüssigkcit giebt es doch eine Vermittelung, nach welcher zu streben wir den Mannern unserer konstituirendcn Nazional-Bersammlung ') Aus der Didaskalia. dringend an's Herz legen möchten. Es ist eine heilige Pflicht der Parteien, einander auf dem Wege zur Einigung so viel als möglich entgegen zu kommen, und besonders da, wo es sich nicht umAufgebung von Prinzipien, sondern nur um leeren Wortkram und Focmenwesen handele. Kleinliche Tageseitelkesten, eigensinniges Beharren, Aufwallungen der Leidenschaft müssen aufgegcben und unterdrückt werden, wann das bedrängte Vaterland Rath und Hülfe von den Männern seiner Wahl erwartet und wo von Einigkeit und von Vaterlandsliebe so viel gesprochen wird. Die außer ordentliche Theilnahme, welche diesen Berathungen fort während zugewendet ist, darf uns bei der Wichtigkeit des Gegenstandes nicht wundern. Man hat es erkannt, daß hier zugleich eine Bildungsschule für parlamentarische Be- redtsamkeit eröffnet ist. und wir gehen einer Zeit entgegen, in welcher wir der gereiften und kräftigen Volks- und Par- lamentsrednec noch oft und viel bedürfen werden. Es mögen nun einige Andeutungen über die hervorra gendsten Redner der Versammlung folgen. Der Präsident derselben ist H. von Gagkrn. Eine hohe, imponirende Gestalt, ein edler Gesichtsausdruck und ein Charakter von Würde bereiten den Eindruck dieses hochgeschätzten Mannes auf'- günstigste vor. In seiner einfachen und schmucklosen, aber stets gehaltvollen und gedrungenen Rede bekunden sich eben so viel Kraft des Gedankens als Wärme des Herzens, eben so viel Ernst als Milde, eben so viel Entschiedenheit als Versöhnlichkeit; hierzu gesellen sich jene Weihe und jene Innigkeit der Ueberzeugung, jene Besonnenheit und Klar heit, die jeden Hörer fesseln. Wie H. von Gagern das Vertrauen der Versammlung besitzt, so steht auch beim Volke sein Name in vollster Anerkennung; denn er ist im besten Sinne des Wortes ein Mann des Volkes und des ge mäßigten Fortschritte-, wo möglich auf friedlichem Wege.— Der Vizepräsident von Soiron besitzt viel Energie, wel- chc ihn mitunter selbst etwas zu weit fortreißt, und dabei eine in solchen Fällen wieder vermittelnde Bonhommie. Seiner süddeutschen Derbheit mag man gerne etwas zu gut halten. Er hat übrigens viel parlamentarische Gewandtheit und eine nicht leicht zu erschütternde Geistesgegenwart. Im Prinzipienkampfe dürfte ihm vielleicht die nöthige Tiefe der Begründung abgehen. Sein helllönendes, durchgreifende» Sprachorgan und die Präzision seines Ausdruckes kommen ihm bei der Leitung der Diskusion sehr zu statten.— Pro fessor Welcker ist dem deutschen Volke durch seine lang-