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A-orter Wochenblatt. M i t t h e i l n n g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Dreizehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botengelegeuheit 2v Neugroschen. -12. I». «ktobcr. 1848. Der Dichter Ferdinand Freiligrath vor dem Geschwornen-Werichte. Erster politischer Prozeß zu Düsseldorf, li. Oktober 1818. Schon am frühen Morgen waren die Straßen Düs seldorfs sehr belebt, Alles strömte dem Landgericht zu, wel ches von starker Bürgerwehr besetzt war. Gefahrdrohende Gerüchte liefen durch's Volk, beskalb hatte sich die Bür gerwehr, 600 Mann stark, an den verschiedenen Wach lokalen versammelt, entschlossen dem Ausspruch der Ge- schwornen entschieden Geltung zu wahren. Nur mit gro ßer Anstrengung konnte man in den Gerichlssaal gelan gen. Derselbe ist pur tvrrv gelegen und geheimnißvoll dunkel, er faßt etwa 200 Zuhörer, welche durch Schran ken von den Sitzen der Zeugen getrennt sind. Diese wieder sind durch 3 große Bogen von dem Gerichtsplatz abgesondert. Auf demselben sind 3 lange Tafeln aufge- strttt. Diese sind mit schwarzem Tuch beschlagen, und mit weißen Quasten verziert. An der Mitte der Mittlern Tafel nimmt der Assisen-Präsidenl Broiches aus Köln Platz, ihm links und rechts zur Seite, der Kammerpräsi dent, 2 Landgerichlsräthe und l Assessor, an welche sich am Ende der Tafel rechts v. Ammon 1., der Slaalspro- kurator für das öffentliche Ministerium, und am linken Ende der Assisensekretac anschloß. Diese Richler waren angethan mit schwarzem Talar, langen weißen Ueber- schlagelchcn und Barett, ganz so gekleidet, wie die prote stantischen Geistlichen. Um 8j Uhr wird aus dem an grenzenden Gefangcnhavse Freiligrath, welcher 4 Wochen saß, vom Gerichtsvollzieher (Huissier) und von 2 Bür- gerwehrofsizieren begleitet, hereingcführl und ließ sich — nicht auf d-r gewöhnlichen Anklagebank — an der Tafel rechts, zwischen seinen beiden Advokaten, Meyer aus Köln und Weiler 1l-, nieder. Hierauf macht der Präsident bekannt, daß 31 Geschworene zugegen seien (30 Mitglie der müssen wenigstens da sein, welche aus den höher Be steuerten und Gelehrten des Gerichtsbezirks genommen find). Von diesen 31 Geschwornen wurden durch's Loos 12 gewählt, wobei das öffentliche Ministerium 7 und die Advokaten deS Angeklagten 11 mißliebige Geschworne zu- rückwiesen. Sodann wurden die 12 Geschwornen einzeln körperlich vereidet, worauf sie hinter der linken Tafel ih ren Platz cinnahmen. Der Präsident fragt nun den An- ,«klagten nach Namen „Ferdinand Freiligraths, nach Al- I ter „39Jahre", nach Geburtsort „Detmold", nach Wohn ort „zuletzt Düsseldorf". Dann macht der Präsident den Angeklagten, nachdem er seine Vertheidiger zu gesetzmäßi gem Verhalten, besonders zu leidenschaftlosem und ehrer bietigem Reden ermahnt hatte, auf die Anklage aufmerk sam, welche der Assisensekretär verlas. — Der Dichter F. Freiligrath angeklagt, durch sein Gedicht: ,die Todten an die Lebendigen" die Bürger dadurch und durch dessen öffentliches Verlesen aufgereizt zu haben, sich gegen die landesherrliche Macht zu bewaffnen, auch die bestehende Verfassung umzustürzen. Gegen Strafgesetzbuch §. 102 und 87. — Der Angeklagte bekennt sich als Verfasser des Gedichtes, welches er auch öffentlich vorgelesen, weist aber die Beschuldigung zurück, indem er nur zu einem moralischen Kampfe das Volk habe ermannen wollen. Nun schreitet der Staatsprokurator zur nähern Entwickelung der Anklage. „Die politischen Verbrechen müßten auch den ewigen Grundsätzen deS Rechts unterliegen, zeigt den Un terschied dec direkten und indirekten VolkSaufreizunq an der Rede des Antonius, die er nach dem Morde EäsarS an's Volk hielt. Der Redner zeigt, daß der Dichter zum Bürgerkrieg aufceize, wenn es heiße: „O Volk, und im mer Friede nur in Deines Schurzfells Falten? Sag' an, birgt es nicht auch den Krieg? Den Krieg herausge schüttelt!" Dieser Krieg soll eine Gewaltlhat sein nach den Worten: „Die rost'ge Büchse legt er an, mit Fen- sterblei geladen", womit er die Schrecken des Bürgerkriegs zeigt, der die Fenster beraubt, und gestohlenes Blei zum Morde braucht, und „Die rothe Fahne läßt er weh'n hoch auf den Barrikaden", womit er die in Frankreich geachtete Feindin der bürgerlichen Gesellschaft heraufbe schwort. Das Gedicht erwecke bald Theilnahme, bald Haß, bald Mitleid, bald blutgierige Gefühle und sei Aus druck der künstlichsten Berechnung! Wohl stehe der Na me des Dichters als schützender Schild da, aber die Poesie habe nicht das Privilegium der moralischen Unzurech- nungssahigkeit. Wäre Sprecher ein Dichter, so würde er ihnen die erzielten Folgen des Gedichtes ausmalen, „rau chende Städte und Dörfer, Felder mit Leichen besäet, Wohlstand, Handel und Kunst vernichtet, den Despotis mus Einheimischer und Fremder auf den Trümmern Deutschlands. Er erklärt den Angeklagten für schuldig, denn wollen wir Freiheit, so müssen wir sie mit Maaß wollen und müssen ihr Maaß lehren."