Elftes Kapitel. Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt, Glücklich, dem die Ahnung eitel wär', Jede Gegenwart und jeder Blick bekräftigt Traum und Ahnung leider uns noch mehr. Sag', was will das Schicksal uns bereiten? Sag', wie band es uns so ganz genau? Ach, du warst in abgelebten Zeiten Meine Schwester oder meine Frau. Kanntest jeden Zug in meinem Wesen, Spähtest, wie die reinste Nerve klingt, Konntest mich mit einem Blicke lesen, Den so schwer ein sterblich Äug' durchdringt. Tropftest Mäßigung dem heißen Blute, Richtetest den wilden, irren tauf, Und in deinen Lngelsarmen ruhte Die zerstörte Brust sich wieder auf; Hieltest zauberleicht ihn angebunden Und vergaukeltest ihm manchen Tag; welche Seligkeit glich jenen wonnestunden, Da er dankbar dir zu Füßen lag! Fühlt' sein Herz an deinem Herzen schwellen, Fühlte sich in deinem Auge gut, Alle seine Sinne sich erhellen Und beruhigen sein brausend Blut! Und von allem dem schwebt ein Erinnern Nur noch um das ungewisse Herz, Fühlt die alte Wahrheit ewig gleich im Innern, Und der neue Zustand wird ihm Schmerz. Und wir scheinen uns nur halb beseelet, Dämmernd ist um uns der hellste Tag. Glücklich, daß das Schicksal, das uns quälet, Uns doch nicht verändern mag! Goethe.