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Blatt Amts und des StadtraLhes des Königl. Amtsgerichts Mursnrtz Abonnements -Preis Vierteljährl. 1 Mk. 28 Pf. Auf Wunsch unentgeltliche Zu sendung. Als Beiblätter: 1. JllustrirteS SonntagSblatt (Wöchentlich); 2. Landwirthschaftliche Beilage (monatlich). Erscheint: Mittwoch und Sonnabend. Geschäftsstellen: Buchdruckereien von N. Pabst, Königsbrück, C. S. Krausche, Kamenz, Carl Daberkow, Groß röhrsdorf. Brinoncen-Bureaus von Haasen stein L Vogler, Jnvalidendank, Rudolph Mofse und G. L. Daube L Comp. Inserate sind bis Dienstag und Freitag Vorm. 9 Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor. puszeile (oder deren Raum) 10 Pennige. Wchenö/, ^für Pulsnitz, Königsbrück, Radeberg, Radeburg, Moritzburg und Umgegend Druck und Verlag von E. L. Förster'S Erben in Pulsnitz. KinundfünfzigsteV Jahrgang. Verantwortlicher Redakteur Otto Dorn in Pulsnitz. Dienstag. Mx. 87. 31. Oktober Bekanntmachung. Auf Antrag der Erben soll das zu dem Nachlaß der Amalie Therese verehel. Heinrich gehörige Hausgrundstück Nr. 87 des Brandkatasters, Fol. 61 des Grund- und Hypothekenbuchs für Oberlichtenau M. S., im Mehrbietungste»min crm 13. Wovernber 1899, — Nachmittags >/,3 Uhr, — im Sitzungssaale des König!. Amtsgerichts Pulsnitz meistbietend freiwillig versteigert werden. Erstehungslustige werden geladen, im anberaumten Termin rechtzeitig zu erscheinen und des Weiteren sich zu gewärtigen. Die Versteigerungsbedingungen sind aus den Beifügen zu den im Amtshause hier und in der Pofandtschen Restauration in Oberlichtenau aushängenden Anschlägen zu ersehen. Königliches Amtsgericht Pulsnitz, am 26. Oktober 1899. v. Weber- Der Schutz der Arbeitswilligen. Mit dem bevorstehenden Wiederzusammentritt des Reichs tages wird auch die Frage eines verstärkten gesetzlichen Schutzes der Arbeitswilligen erneut im parlamentarischen Repertoire erscheinen. Es ist nur noch nicht gewiß, ob den Reichsboten wiederum die in erster Lesung bekanntlich so gut wie abgelehnte Vorlage, betr. den Schutz des gewerb lichen Arbeitsverhältnisses, zur weiteren Berathung unter breitet werden, oder ob es die Regierung vorziehen wird, dieselbe zunächst einer Umarbeitung zu unterziehen, etwa auf Grund der Abänderungsvorschläge, die ja sowohl von Seiten des CentrumS wie der nationrlliberalen Partei schon ange kündigt worden sind. Daß die sogenannte „Zuchthausvor lage" in ihrer jetzigen Gestalt keine Aussicht auf Annahme in der deutschen Volksvertretung besitzt, darüber kann nach dem Verlaufe der ersten Lesung wohl kaum noch ein Zweifel bestehen; wenn eine so wichtige gesetzgeberische Materie nicht einmal der Ehre einer Commissionsberathung gewürvigt worden ist, die doch für gewöhnlich selbst Gesetzentwürfen von viel geringerer Bedeutung zu Theil zu werden pflegt, so ist dies gewiß bezeichnend für die Stimmung des Reichs tags gegenüber der ihm unterbreiteten jüngsten sozialpoli tischen Vorlage Aber anderseits darf es als ebenso gewiß gelten, daß starke Gruppen der Volksvertretung mit der Neichsregierung in der Anschauung übereinstimmen, es müße im Rahmen der Gesetzgebung mehr, als dies bislang der Fall war, etwas geschehen, um die Terrorisirung Arbeits williger durch streikende Kameraden möglichst zu verhindern, und diese gemeinsame Ucberzeugung wird in dem kommenden neuen Abschnitte der gegenwärtigen NeichstagSsession hoffent lich noch zu einem praktischen Ergebnisse in der schwebenden Frage vergrößerten gesetzlichen Schutzes der Arbeitswilligen führen. Für die nicht länger mehr hinauszuschiebende Nolh- wendigkeit einer solchen Maßnahme sprechen denn doch die Erfahrungen des praktischen Lebens in immer eindringlicher Weise, und sie zeigen auch zugleich, daß die schon bestehenden Gesetzbestimmungen gegen die Ausschreitungen Streikender ihrem Zweck anscheinend doch noch nicht genügen müssen. Nicht verkennen läßt sich freilich, daß die „Zuchthaus vorlage" und ihre ganze Vorgeschichte ein erneutes Vorgehen auf diesem Gebiete erheblich erschwert haben. In Wahrheit wollte der Gesetzentwurf zum Schutze des gewerblichen Ar- beitsverhältniffeS keineswegs das Coalitionsrecht der Arbeiter antasten, was z. B. auch der liberale Abgeordnete Cassel mann in seiner kürzlich in der bayerischen Abgeordneten kammer gehaltenen Rede gegen den genannten Gesetzentwurf mit einigen Einschränkungen anerkannt hat. Bei den zu gewärtigenden neuen Bestrebungen, reichsgesetzliche Bestim mungen zum verstärkten Schutze Arbeitswilliger zu Stande zu bringen, wird aber selbst auch nur der Schein zu ver meiden sein, als sei ein neues Knebel- und Zwinggesetz zu Ungunsten der Arbeiter geplant, als stehe deren dech durch die geltenden Gesetze verbürgtes Coalitionsrecht irgendwie in Gefahr. Mit solchen Vorstellungen muß vor Allem auf geräumt werden, wenn nicht eine abermalige gesetzgeberische Action zu Nutz und Frommen der arbeitswilligen Arbeiter daS Odium der Gehässigkeit gegen die Arbeiterschaft an sich in weiten Kreisen derselben von vornherein ausgeprägt er halten soll. Im Uebrigen erscheinen die Vorschläge beachtens- werth, w-lche der nationalliberale Abgeordnete Or. von der Borght in Form einer Broschüre zum Zwecke eines wirk sameren Schutzes des CoalitionsrechtS gemacht hat, die in ihren Kernpunkten neben der Aufhebung des in Preußen noch bestehenden Verbindungsverbotes für öffentliche Vereine Erweiterung gewisser Bestimmungen der Gewerbeordnung zu Gunsten der Arbeiter und die Verleihung der Rechtsfähigkeit an alle Berufsvereine verlangen, die sich verpflichten, vor jeder Arbeitseinstellung ein noch zu bildendes Einigungsamt anzurusen Es dürfte sich immerhin empfehlen, die von Borght'- schen Vorschläge bei eventuellen Anträgen behufs anderwei tiger Maßnahmen zum Schutze der Arbeitswilligen mit in Betracht zu ziehen. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Pulsnitz. Am Reformationsfest geziemt es sich für uns Deutsche, dorthin die Blicke zu richten, wo die gewaltige Bewegung der Geister entstand, die je unser Volk durchzitterte, hat doch die Reformation ihre Geburtsstätte in der Mitte unseres deutschen Vaterlandes. Da sehen wir einen jungen, durch und durch gesunden, hochbegabten Studenten der Rechts wissenschaft sich plötzlich in das Gewand eines Bettelmönches einkleiden lassen und so von der Welt ringsum Abschied nehmen. Warum that er das? Lebensmüde war er sicher nicht, wie jeder Schritt und Tritt seiner späteren Laufbahn beweist. Auh nicht der Unmuth über die Zerrüttung und Verdorbenheit der Verhältnisse in Staat und Kirche hatte Martin Luther zu den Augustinern getrieben. Nein, nichts anderes leitete ihn, als dis brennende Sehnsucht nach vollem Frieden für seine Seele, nach einem unumstößlichen Halt seines Lebens für Zeit und Ewigkeit. Er sand, was er suchte, in stiller Klosterzelle aus dem lauteren Worte Gottes Diesen Friedcnshalt in sich trat er hervor als der Frömmste und Stärkste unter Millionen. Mochten jetzt jene wider ihn streiten mit Mcnschensatzungen und diese auf ihn einstürmen mit dem lauten Getöse menschlicher Schwarmgeisterei, er stand unbesieglich fest auf göttlichem Grunde. Was wir der Reformation zu verdanken haben, das kommt den Evange lischen, die in ganz protestantischen Gegenden lelen, gewöhn lich gar nicht mehr klar zum Bewußtsein. Sie können es sich gar nicht vorstcllen, daß statt des religiösen und kirch lichen Lebens, wie sie es kennen, Zustände bestehen könnt n, wie wir sie unter der Herrschaft der römischen Kirche finden. Da wissen die Evangelischen in der Diaspora besser Bescheid: Sie haben beständig die Knechtung der Seelen, die Abstumpfung der Gewissen, die Veräußerlichung des Gottesdienstes vor Augen, durch die Rom den Völkern ihre beste sittliche Kraft, ihre wahre geistige Freiheit raubt. Wir sehen jetzt die Früchte des römischen Wesens im Zusammenbruch Spaniens, in der Zerrüttung Frankreichs klar zu Tage treten. Viel leicht, daß aus der hoffnungsvoll begonnenen evangelischen Bewegung in Oesterreich noch ein neues Leben für dies einst fast ganz evangelische Land erblühen kann. Um so mehr sollten wir eingedenk sein daß in dem lauteren Gotteswocte und in der evangelischen Freiheit uns ein Schatz ist anver traut worden, der, weil er den einzelnen Menschen heiligen, darum auch das ganze Volk gesund erhalten und fortschrei tend veredeln kann. Vergessen wir nicht den Dank für die große Wohlthat der Reformation und erweisen wir ihn dadurch, daß wir treu im Glauben und Bekenntniß stehen zu GotteS Wort und wandeln in des Heilands Wegen! Pulsnitz. Am ResormationSfeste wird wiederum, wie alle Jahre in den sämmtlichen evangelischen Kirchen des Landes eine Collecle für das evangelische Liedeswerk deS Gustav Adolf - Vereins veranstaltet. Es ist kaum nöthig, daran zu erinnern, wie segensreich der Gustav Adolf-Verein in den 67 Jahren seines Bestehens gewirkt hat und wie unerläßlich gerade in der Gegenwart sein Samariterwerk ist. Es bedarf nicht deS Nachweises, daß es die Pflicht eines jeden lebendigen evangelischen Christen ist, einem Werke seine Theilnahme und seine Liebe zu wid men, welches aus seine Fahne geschrieben hat: „Lasset uns Gutes thun an Jedermam, allermeist aber an des Glaubens Genossen!" Pulsnitz, 30. Oktober. Besonders schönes Wetter ist in diesem Jahre den jetzt allenthalben stattfindenden Kir- mesfesten beschieden. Schien es auch am Sonnabend Abend und Sonntag früh, als sollte ein Witterungswechsel ein treten, so hellte sich doch gegen Mittag der Himmel auf und herrliches warmes Sommerwetter herrschte während des gan zen Tages. Nach allen Orten zu, in welchen gegenwärtig Kirmesfeste gefeiert werden, machte sich gestern ein reger Verkehr bemerkbar. — Von befreundeter Seite wird uns mitgetheilt, daß gestern Abend in der Nähe unserer Stadt einige Johanniswürmchen, welche höchstwahrscheinlich die Wärme hervorgelockt haben mochte, gesehen worden sind. Gewiß ein seltenes Vorkommniß am Ende des Oktobers! Pulsnitz. Nach langer Zeit ist wieder Freunden einer guten Zither-Musik heute, zum Neformationsfest, ein genußreicher Abend geboten Der Wiener Zitherklub, be stehend aus 16 Personen, veranstaltet im Saale des Hotels „Grauer Wolf" ein Concert. Wie aus dem vorzüglich ge wählten Programm im Jnseratentheil dieser Nummer er sichtlich, werden Chor-Vorträge, Duetts und Solis auf der Schlag- und Streichzither, sowie auf dem Cello angenehme Abwechslung bieten. Der Besuch eines so selten in unserer Stadt gebotenen Concertes ist nur zu empfehlen und ein zahlreicher Besuch zu wünschen. Pulsnitz, 25. Oktober. Das neueste Justiz- ministerialblatt für das Königreich Sachsen enthält die vom Königlichen Justizministerium unter dem 6. Oktober erlas sene Verordnung über das Vormundschastswesen. Nach dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch fallen vom 1. Januar 1900 kraft Gesetzes folgende Vormund schaften überhaupt weg: 1) die Vormundschaften, die nach dem Ableben oder der Todeserklärung des Vaters über minderjährige eheliche Kinder, deren Mutter noch lebt, ein geleitet worden sind, sofern die Mutter nicht etwa wieder geheiratet hat oder ihre elterliche Gewalt ruht oder ver wirkt ist; 2) die Vormundschaft über minderjährige ehe liche Kinder, deren beide Eltern noch leben, deren Vater aber selbst unter Vormundschaft steht oder die väterliche Gewalt nicht auSüben kann, wenn die Mutter an der Aus übung der elterlichen Gewalt nicht etwa behindert ist; 3) die Vormundschaften, die über minderjährige eheliche Kinder, deren Vater oder Mutter noch lebt, eingeleitet worden sind, weil sich die Tochter verheiratet oder das Kind einen eige nen Hausstand gegründet hat und aus der väterlichen Ge walt entlassen worden ist. In diesen Fällen wurde der verheirateten Tochter ein Vormund gestellt in den Fällen, wo es ihrer Mitwirkung neben der deS Ehemanns bedurfte. Jetzt ist eine Vormundschaft nur noch zulässig in solchen Fällen, wenn die elterliche Gewalt des Vaters oder der Mutter ruht oder verwirkt ist oder wenn die Mutter wieder geheiratet hat; 4) Vormundschaften über minderjährige Kinder auS einer nichtigen oder angefochtenen Ehe, die ausgehoben worden ist, sofern die Mutter noch lebt und die elterliche Gewalt ausüben kann; 5) die Vormundschaft über minderjährige in väterlicher Gewalt stehende Kinder, deren Vater hinsichtlich deS Kindervermögens nur die Ver waltung, nicht auch den Nießbrauch hat; 6) die Vormund schaft über eine Leib eSfrucht, falls das Kind, wenn es ge boren wäre, unter der elterlichen Gewalt der Mutter stehen würde; 7) die Vormundschaften über Personen, die im AuSlande bevormundet sind, aber im Jnlande Grundstücke haben oder in der väterlichen Gewalt eines Ausländer- stehen und ein Rechtsgeschäft im Jnlande adzuschließen haben; 8) die vorläufigen Vormundschaften über Geistes