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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). AbonnementSpreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 Ps. prwniiwvronäk». ÄMM für Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltei zeile mit 10 Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stadtgemeinderatb, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redakteur: Bernhard Ott in Zwönitz. »E 126. Donnerstag, den 27. Oktober L881. 6. Jaüra. Bekanntmachung, Feuerwehr Uebung betr. Nach Anzeige des Commaudo's der hiesigen freiwilligen Feuerwehr soll im Laufe der nächsten Tage eine Nachtübung stattfinden, welche zu unbestimmter Zeit und auf Allarmsignal erfolgen soll. Es wird hierdurch zur allgemeinen Kennlniß gebracht, daß, wenn in den nächsten Tagen Hornsignal allein erfolgt, dies der vor erwähnten Uebung gilt, wenn jedoch gleichzeitig mit der Rathausglocke gestürmt wird, Feuer in der Stadt ausgebrochen ist. Zwönitz, am 26. October 1881. Der Bürgermeister. Schönherr. Tagesbericht. — Durch Urtheil des kgl. Landgerichts zu Dresden vom 22. Juni 1881 ist der Auktionator Moritz S. wegen fahrlässigen Falsch eids zu einer Woche Gefängniß verurtheilt worden. Der Angeklagte hatte in einer Hauptverhandlung wider Z., bei welcher er als Zeuge vernommen wurde, die Frage des Vorsitzenden des Schöffengerichts: „Haben Sie schon Vorbestrafungen erlitten?" mit „Nein" beantwortet und diese Aussage beschworen, obgleich er bereits einmal wegen Be leidigung niit 50 Mark Geldstrafe belegt worden ist. Noch vor Schluß der Verhandlung wurde von dem damals Angeklagten dein Vorsitzenden die Mittheilung gemacht, daß der Zeuge S. allerdings bereits bestraft sei; auf Vorhalt gab dieser nun auch die erwähnte Verurtheilung zu einer Geldstrafe zu und entschuldigte das vorherige Verschweigen dieses Umstandes damit, daß er geglaubt habe, die betr. Frage beziehe sich nur auf eine erlittene Freiheitsstrafe. In dem verurtheilenden Erkenntniß heißt es in dieser Beziehung, daß die Straflosigkeit des H 263 nicht eüureten könne, weil S. seine falsche Aussage erst dann widerrufen habe, als wegen derselben be reits durch Z. Anzeige erstattet und durch die darauf erfolgte Be fragung Seitens des vorsitzenden Amtsrichters Untersuchung wider ihn eingeleilet worden sei. Die Revision verlangt Aushebung des ersten Unheils und Freisprechung, weil in der dem Vorsitzenden des Schöffengerichts gemachten Mittheilung weder eine „Anzeige" zu er blicken sei, noch in der anderweiten Befragung des Angeklagten die Einleitung einer „Untersuchung." Der Reichsanwalt hält die Revi sion für begründet und tritt dem Antrag auf Freisprechung des An geklagten bei. Das Reichsgericht beschließt, daß auf die Revision des Angeklagten, das Urtheil des Landgerichts zu Dresden vom 22. Juni d. I. auizuheben und der Angeklagte von der erhobenen An klage freizusprechen sei; die Kosten des Verfahrens und des Rechts mittels sind der königl. sächs. f" aatscasse aufzuerlegen. Es konnte die Mittheilung des Z. nicht ms „Anzeige" und ebenso in der Be fragung des Angeklagten nicht die Einleitung einer Untersuchung ge funden werden. Fahrlässiger Falscheid ist nicht zn bestrafen, „wenn der Thäter bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Straf untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein RechtSnachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei der jenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft." § 263 akinon 2 Strafgesetzbuch. (Zw. Wchbl.) — Leipzig, 20. Octbr. Bei einem Seifenfabrikanten in der Moritzstraße war gestern Nachmittag ein Fabrikarbeiter Namens Otto von hier oben auf dem platten Dache damit bejchäftigt, ge fertigte Seifenstücken zum Trocknen aufzustabeln. Dabei hatte er das Unglück, auszugleiien, beim Hinfallen ein Oberlichtenfenster zu durchbrechen und in den Dachraum hinabzustürzeu. Er erlitt dabei schwere Kopfverletzungen, die bereits den andern Tag seinen Tod herbeiführten. Der Verunglückte war 30 Jahre alt. — In Leipzig wurde am 21. d. M. Mittags 12 Uhr in dem vor dem Reichsgerichte verhandelten Hochverrathsprocesse vor über füllten Tribünen das Urtheil verkündigt Dasselbe verhängt wegen Vorbereitung eines hochverrätherischen Unternehmens über die An geklagten folgende Strafen: Der Bäcker Wilhelm Braun wird zn 2 Jahren 7 Monaten, Schuhmacher Josef Breuder und Literat Victor Dave zu je 2 Jahren 6 Monaten, Schlosser Heinrich Jakobi zu 2 Jahren 3 Monaten, Schneider Gustav Kristupeit und Schneider August Pesch mann zu je 2 Jahren, Metallschläger Albert Lichtensteiger zu 1 Jahr 6 Monaten, Schuhmacher Peter Böll und Arbeiter Heinrich Dillig zn je 1 Jahr Zuchthausstrafe verurtheilt. Gegen den Commis Max Metzkow lautet das Urtheil auf 2 Jahre Gefängniß, gegen den Gärtner Georg Conrad Mahr unter theilweiser Freisprechung von der Anklage auf drei Monate Gefängniß. Der Schneider Hermann Christ, der Schuhmacher Hermann Baum und die Schneiderin Martha Legel werden freigesprochen. Aus den Erkenntnißgründen dieses Hochverrathsprocesses, deren Vortrag durch den Präsidenten über anderthalb Stunden in Anspruch nahm und laut deren der Gerichtshof den Thatbestaud des Z 86 des Strafgesetzbuchs für voll bracht erachtet, sei noch besonders hervorgehoben, daß der Gerichts hof, obwohl anerkennend, daß die Triebfedern politischer Vergehen sich recht wohl als ideale denken ließen, sich dahin aussprichr, daß in den Beweggründen zu den Handlungen der Verurtheilten von idealen Gesinnungen nicht das Geringste zu entdecken sei, im Gegentheil, sie seien hervorgegangen aus Neid, Haß, Bosheit und in den von den Verurtheilten gelesenen und verbreiteten Schriften werde selbst der Meuchelmord verherrlicht. Es könne deshalb auch in alle Wege nicht von einem politischen Märtyrerthum die Rede sein; der Ge richtshof habe sich bei solcher Sachlage in die Nothwendigkeit versetzt gesehen, über den Strafantrag der Neichsanwaltschast hinauszugehe», bei sämmtlichen zur Zuchthausstrafe Verurtheilten auch, auf mehr jährigen Ehrverlust zu erkennen und ihren strafbaren Vergehen den Stempel der ehrlosen That aufzudrücken. Bezüglich des Angeklagten Literat Dave — von Nationalität Belgier — hat sich der Gerichts hof lange mit der Frage beschäftigt, ob ihm auch Zuchthaus- oder nur Festuugsstrafe zuzuerkcnnen sei, hat indessen keinen gerechten Grund gefunden, diesen Aufwiegler anders als die Anderen zu be handeln. Nach Publikation verabschiedeten sich die Freigesprochenen von ihren verurtheilten Genossen mit einein Händedruck. (Dr. N.) — Zwickau, 24. Octbr. (Zw. Wchbl.) Gestern früh ist hier ein Flugblatt mit der Ueberschrift: „An die Wähler des 18. Wahl kreises!" und unterschrieben „Im Namen vieler socialistischer Wähler. Wilhelm Liebknecht" in den Häusern der Stadt zur Vertheilung ge bracht worden. Die Absicht, dieses Flugblatt in großen Massen in hiesiger Stadt zu verbreiten, gelang aber den Unternehmern nur zum Theil, da die Polizei alsbald auf das verdächtige Treiben dec ihr vollständig bekannten Mitglieder der socialistischen Partei auf merksam wurde und ihnen das Handwerk legte. In kurzer Zeit be fanden sich nicht weniger als 10 Personen auf der Polizei, welche von den Aufsichtsorganen bei der Verbreitung der Flugblätter be troffen und an Pvlizeistelle sistirt worden waren. Einige Aus- suchungen bei bekannten Anhängern der Umstnrzpartei wurden eben falls vorgenommen und sollen auch nicht erfolglos gewesen sein. Sämmtliche bei der Verbreitung betroffenen Personen blieben in Gewahrsam und sind heute Vormittag dem Amtsrichter überliefert worden. Ueber 500 Flugblätter fielen dabei in die Hände der Polizei, doch sind auch in der verflossenen Nacht in verschiedenen Straßen der Stadt dergl. Flugblätter auögestreut worden. — Wil- j