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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). SbonnementSprciS beträgt vierteljährlich 1 Mark 20 Pf. prsenuwvranäo. ÄMigtl Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit IO Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. für Zwönitz und Umgegend. Amtsblatt für den Stabtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 1L8 Donnerstag, den S. Oktober I87S. 4. Jahrg. Tagesgeschichte. Deutschland. So hat sich denn mit dem I. October die neue Ordnung der Dinge in Elsaß-Lothringen vollzogen. Ein berühmter Feldherr als kaiserlicher Statthalter, eine Reihe tüchtiger und er probter Beamten als Minister, sollen dort Zusammenwirken, um das Werk der Organisation durchzuführen und zu vollenden. Das Ziel, welches uns bezüglich des Neichslandes gesteckt, besteht in der Be förderung eines immer innigeren Zusammenmachsens von den neuen Gebieten Altdeutschland. Hoffen wir, daß auch die Neuorganisation des Reichslandes sich den großen Erfolgen unserer Politik gleichbe rechtigt anschliehen möge. — Ein weiteres fruchtbringendes Resultat der Wiener Reise des Reichskanzlers scheint auch für die kirchliche Frage sich zu ergeben. Daß durch die bevorstehende Einigung zwischen Staat und Curie die Rechte des Staates nicht angetastet werden, ist durch die bestimmte Aeußerung der Regierung constatirt, die um so größere Bedeutung hat, als sie unmittelbar nach der Minister- Conferenz veröffentlicht wurde und weil der Vicepräsident des Staats ministeriums Graf Stolberg sich nach Baden-Baden begeben hat, um dem Kaiser Vortrag über die Lage dieser Frage zu halten. — Die Vorlagen, die in dieser Session vorzugsweise den Reichstag be schäftigen werden, umfassen die Regelung des Eisenbahnwesens, eine Umgestaltung des Tarifwesens, sowie ein Reichseisenbahngesetz, welches alle Verhältnisse der Eisenbahnen incl. der Tarife regelt. Die Vor arbeiten haben noch nicht begonnen, weil dieselben zum großen Theil sich an das Resultat des preußischen Landtages anschliehen werden. — Die Versuche, welche der rumänische Finanzminister Stourdza hier erneuert hat, die deutsche Regierung der Emancipation der Juden geneigt zu machen, dürften erfolglos gewesen sein. Oesterreich-Ungarn. Der Neichsrath wurde gestern in be sonders feierlicher Weise durch den Kaiser im Beisein der Erzherzöge und Kirchensürsten eröffnet. — Der Nachfolger des Grafen Andrassy, Baron von Hapmerle, hat dem italienischen Ministerpräsidenten Cairoli gegenüber geäußert, daß in dem Besuche des Fürsten Bismarck in Wien keinerlei Anzeichen von bevorstehenden Verwickelungen erblickt werden dürften; er hege die Zuversicht, baß die Beziehungen Oester reichs und Italiens ungetrübt herzliche bleiben würden. — Die enthusiastische Aufnahme, welche der Fürst Bismarck in Wien er fahren, wird etwas getrübt durch den sehr taktlosen Artikel eines Wiener Blattes, in welchem Einspruch erhoben wird gegen die Mit- theilungen der Zeitungen, daß das österreichische Volk warme Sym pathie für den Fürsten hege und die von ihm in Aussicht gestellten Verkehrs-Erleichterungen zwischen Deutschland und Oesterreich als bisher unverwirklicht hingestellt werden; wenigstens sei bezüglich der Ernennung deutscher Commissäre zu Verhandlungen über den Handels vertrag mit Oesterreich noch nichts geschehen, auch sei an Oesterreich noch keine Einladung zur Aufnahme der Verhandlungen ergangen. Schweiz. Bern, 2. Octbr. Der Negierungsrath des Can- tons Thurgau hat soeben eine Verordnung erlassen, welche auch für Deutschland nicht ohne Interesse ist. Durch dieselbe ist nämlich sämmtlichen dortigen öffentlichen Kassen die Annahme des deutschen Geldes untersagt. Die Verordnung ist damit begründet, daß das deutsche Geld massenhaft in Markwährung eingeführt lind das schwei zerische Geld dadurch theilweise verdrängt werde. Außerdem hat der Thurgauer Negierungsrath auch beschlossen, den Bundesrath in Bern wn umfassende Maßnahmen zur Abwehr dieses Uebelstandes anzugehen. Frankreich. Während die französische Regierung anscheinend bestrebt ist, friedliche Beziehungen zu Deutschland aufrecht zu erhalten, findet sich die dortige Presse bemüßigt, die häufig erhobene Klage über den Verlust der Reichslande von Neuem zu wiederholen und wüthendes Nevanchegeschrei anzustimmen. Ja, es verlautet, daß der Kriegsminister Gresley in aller Stille die nordöstliche Grenze des Landes bereiste und die zahlreichen in diesen Regionen seit dem Kriege ausgeführten Festungs- und Vertheidigungsarbeiten besichtigte, ohne sich von den Behörden feierlich empfangen zu lassen, oder patriotische Ansprachen zu halten. Sehr geschickt ist der Moment hierzu gewählt, in welcher der Unterrichtsminister und der Minister des Innern auf ihren Rundreisen alles Interesse für sich in Anspruch nehmen. England. Zu den Ereignissen in Afghanistan wird aus Simla gemeldet, daß der Gouverneur von Jellalabad dein General Gough seine Unterwerfung angezeigt habe. Zur Bestrafung der von den Stämmen der Tymucks und Oruckzais begangenen Ausschreitungen wird demnächst' eine aus 3 Cavallerie-, 2 Infanterie-Regimentern und entsprechender Artillerie bestehende Expedition unter Oberst Zyler abgesendet werden. — Es gewinnt den Anschein, als ob den Eng ländern für ihre asiatische Politik in Persien ein neuer Bundesgenosse erstehen sollte. Ans Teheran wird nämlich gemeldet, der Schah hätte, da ihm die Fortschritte Rußlands in Central-Asien doch einige Be sorgniß einflößen, die Aufstellung eines 150,000 Mann starkenjBeob- achtungscorps an der persischen Grenze nächst Merw angeordnet. — Das indische Amt hat wegen der ernsten Lage der Dinge in Mandalay und bei der augenscheinlichen Gefahr, in welcher sich der dortige Vertreter Englands befindet, die Admiralität ersucht, einige Kriegsschiffe nach Rangun abgehen und dort stationiren zu lassen. — Es heißt, daß das Parlament, wie im vorigen Jahre, wegen des Vormarsches der Afghanen auf Kabul und der damit erweckten An nahme eines neuen Krieges zu einer Herbstsession einberufen wer den muß. Russland. Nach kurzer Pause geben die Nihilisten wieder ein Lebenszeichen von sich. In nicht geringe Aufregung wurden z. B. in den letzten Tagen die Einwohner der Stadt Bjelew im Gouver nement Tula durch Maueranschläge versetzt, deren Inhalt sagt, daß es in Bjelew nächstens zwei Neuigkeiten geben werde, und zwar 1) den Tod des Gendarmerie-Officiers Lomtew und 2) beim Leichen schmause eine Illumination, wie Bjelew lange keine gesehen, und die selbe wird von drei bis vier Seiten losgehen. Die Stadtverordneten stellten angesichts dieser Drohungen der Stadtverwaltung das Recht anheim, die Zahl der Nachtwächter zu vermehren und eine berittene Kontrolle über sie einzuführen. Die Thätigkeit der Polizei ist seither eine erhöhte. — In Petersburg ist dieser Tage eine geheime Druckerei entdeckt und die Verbrecher auf frischer That, beim Setzen einer ver botenen Broschüre, betroffen worden. Die Entdeckung wird wohl lediglich eine Localveränderung zur Folge haben. — Gegenwärtig haben wieder die Staatsmänner der panslavistischen und eroberungs süchtigen Richtung die Oberhand im Nathe des Kaisers Alexander, während die Männer der gemäßigten und friedliebenden Politik, wie Schuwalow, augenblicklich machtlos sind. Wie es heißt, soll die rus sische Armee um 56,000 Mann vermehrt werden. Der einflußreichste Mann ist augenblicklich Miljutin, der soeben mit dem Schwarzen Adler-Orden, diesem höchsten preußischen Orden, ausgezeichnet wurde. Türkei. Die Spannung mit Rußland ist so intensiv geworden, daß die Versuche des russischen Botschafters, Unterhandlungen wegen eines Bündnisses mit der Türkei anzuknüpfen, als aussichtslos ge scheitert sind. — Inzwischen dauert die Geldkrisis immer weiter. In einer längeren Rede, die der Sultan neulich in dem Ministerrathe in Constantinopel hielt, beschwerte sich Abdul Hamid darüber, daß durch die herrschende Geldnoth und die daraus entspringende Ge schäftslosigkeit eine arge Mißstimmung unter der Bevölkerung er zeugt und genährt werde; alle rückständigen Abgaben versäume man in der Provinz einzutreiben und es könne diese Fahrlässigkeit die schlimmsten Folgen haben. Wenn die Minister nicht im Stande seien, diesem Uebel vorzubeugen, so müsse er sich nach anderen Männern umsehen. Dem Ministerrathe wohnte mich Mahmud Nedim Pascha bei, dessen Ernennung zum Großvezier wahrscheinlich, bei der jetzigen Lage der Dinge aber ohne große Tragweite ist.