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Anzeiger für Zwönitz und Umgegend. Donnerstag, den 22. Juni 1882. 72 7. Jahr». Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Lage- des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit tv Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Erscheint wöchentlich drei Mal und »war Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (vormittag). AbonnementSpretS beträgt vierteljährlich t Mark 20 Pf. pr»nuwvrLN<io. für den Stadtgemeinderalh, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. Tagesbericht. — Ueber die Landwehrdienstauszeichnung zweiter Ciasse sind so verschiedenartige Meinungen verbreitet, daß ein Hinweis darauf, wer wirklich berechtigt ist, dieselbe zu tragen, wohl am Platze erscheint. Nach erfüllter vorwurfsfreier Dienstpflicht in der Reserve und Land wehr haben Anspruch hierauf diejenigen Officiere, Aerzte, Unterosfi- ciere und Wehrmänner, welche einen Feldzug mitgemacht haben oder bei außerordentlicher Veranlassung im Ganze» mindestens drei Monate aus dein Beurlaubtenstande zum activen Dienste eingezogen gewesen sind. Trotz Erfüllung dieser Bedingungen geht jedoch der Anspruch hierauf verloren zunächst durch Versetzung in die zweite Claffe des Soldatenstandes, sowie durch jede Bestrafung wegen eines Vergehens, welches mit dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte bedroht ist, -selbst wenn wegen mildernder Umstände auf diese Strafe nicht erkannt sein sollte. Sodann durch jede militärische Bestrafung während der aktiven Dienstzeit oder im Benrlaubtenstande, sowie durch jede Be strafung wegen Richtbefolgung einer Gestellungsordre oder wegen un gerechtfertigter Versäumniß einer Controlversammlung und ferner durch Bestrafung mit strengem Arrest im Beurlaubtenstande. ES haben sonach nur noch Einzelne, welche 1870 eingetreten sind, hierauf Anspruch, während, wenn inzwischen ein Feldzug nicht wieder ein treten sollte, die fragliche Auszeichnung bei den 1871 Eingetretenen wieder in Wegfall kommt. Gleichzeitig sei mit darauf hingemiesen, daß seit 1868 die sogenannten Zurückstellungsjahre (z. B. man ist im 20. Lebensjahre gestellungspflichtig und wird bis zum 23. Lebens jahre nach und nach zurückgestellt) weder in der Reserve noch Land wehrpflicht mit in Anrechnung kommen, sondern nur in der Land sturmpflicht, so daß derjenige, welcher mit dem 23. Lebensjahre als Rekrut eintritt, vom Tage seines Eintritts noch 3 Jahre aktiver Dienstpflicht, 5 Jahre Reserve und 4 Jahre der Landwehrpflicht unter worfen ist. — Zu den diesjährigen großen Herbstübungen des sächsischen Armeecorps werden von den Mannschaften des Beurlaubtenstandes Reservisten verschiedener Jahrgänge der Infanterie, Schützen, Jäger, Kavallerie, Artillerie, Pionniere auf die Dauer von 6 Wochen, und zwar derartig eingezogen, daß dieselben nach Beendigung des Man- növers mit den übrigen Mannschaften des activen Dienststandes gleich zeitig wieder zur Entlassung kommen. In erster Linie sollen diejenigen Unlerofficiere und Mannschaften herangezogen werden, welche nach einjähriger activer Dienstzeit ohne Qualifikationsattest zum Neserve- offizierstande entlassen worden sind, ferner diejenigen, welche voriges Jahr zu einer Uebung designirt waren, aber dispensirt morden sind, und sodann die übrigen Mannschaften. Dagegen haben die Mann schaften des Trains, sowie ein Theil Kavalleriereservisten zu einer 16- bez. 20tägigen Uebung aus den Jahrgängen 1875, 76, 72 und 73 nach Beendigung der Eantonnementsübnugen einzutreffen. — Auf den Eisenbahnstrecken Chemnitz-Annaberg und Wittgens- dorf-Limbach wurden am Donnerstag und Freitag durch eine Anzahl höherer technischer Bahn-Beamter, sowie eine von den norddeutschen Eisenbahnen ernannte Kommission und mehrere dazu eingeladenen Gäste aus Süddeutschlaud, Oesterreich und Ungarn zuin Zweck der Ergründung der Umstände, welche den Widerstand für die Bewegung von Eisenbahnfahrzeugen in geraden und Bogen liegenden Eisenbahn strecken vermehren, Versuche vorgenommen, deren Bedeutung für das gesammte Eisenbahnwesen um so größer sein muß, als bis jetzt der artige Ermittelungen in solcher Vollkommenheit und Gründlichkeit kaum jemals zur Ausführung gelangt sein dürften. Die zu den Versuchen bestimmten, höchst sinnreichen Apparate sind von der Maschinenhauptverwaltung der kgl. sächsischen Staatseisenbahnen kon- struirt und in den Chemnitzer Staatsbahnmerkstätten ausgeführt worden. Durch diese Apparate wird die Möglichkeit geschaffen, die erforderliche Lokomotivzugkraft und die Zunahme der Zugkraft in gekrümmten Linien (Kurvenwiderstand) zu messen und zwar zu gleicher Zeit direkt und indirekt vermittelst graphischer Darstellung. Gleichzeitig wurden auch dabei Versuche über die Verschiedenheiten der Zugkräfte für Wagen mit festen Achsen und solche mit Lenk achsen in Kurven angestellt. Die Konstruktion von Wagen mit Lenk achsen ist seit langer Zeit schon von der Maschinenhauptverwaltung der kgl. sächsischen Staatseisenbahnen in ausgedehntem Maße und niit großem Erfolge bearbeitet worden, da für Gebirgsbahnen mit starken Krümmlingen nur Wagen zulässig sind, deren Radstand eine gewisse Grenze nicht überschreiten darf, Wagen mit Lenkachsen jedoch von dieser Beschränkung frei sind. Das Ergebniß dieser Versuche soll für die Lenkachsenkonstruktion der Maschinenhauptverwaltung ein sehr günstiges gewesen sein. — Gelen au, 16. Juni. Das Unwetter vom 30. v. M. hat auch unsern Wildstand so gut wie vernichtet. Rebhühner sieht man nicht mehr. Hier und da erblickt man einen Hasen, welcher die Erhaltung seines Lebens dem Schutze des Waldes verdankt. Der Fischstand in unseren Teichen, sowie in der Wilisch nebst ihren Bächen ist nicht mehr, denn infolge des schlammigen Eiswassers, sowie der ellenhohen Schloßenmassen, welche sich mit Gewalt in die Bäche und Teiche hineinschoben, sind die Forellen und Karpfen erstickt. Seit Jahren bemüht sich der Spinnereibesitzer Wilhelm Schüller, die Forellenzucht in der Wilisch zu heben. Er hatte außerordentlich günstige Resul tate erzielt. Die Wilisch wimmelte von Forellen, aber die Hochfluth hat diesen Forellenreichthum zu Nichte gemacht. In den vom Un wetter am härtesten betroffenen Ortschaften hat man Taxationen des erlittenen Wasserschadens vorgenommen. So viel man hört, erreicht derselbe die Höhe von 1 Million Mark. Mancher Grundstücksbesitzer, der sich anfangs weniger geschädigt wähnte, hat erst späterhin ein gesehen, wie grob sein Verlust ist. Groß ist die Futternoth. Die Wiesen, die Kleefelder werden abgemäht, aber Stunden lang müssen viele Mäher rhätig sein, ehe ein Wägelchen mit einigem Grünfutter gefüllt werden kann. Das Vieh will trotz des Hungers dasselbe nicht fressen. Was daher vom Viehbestände einigermaßen entbehrlich ist, wird zum Verkauf gestellt. Um den am härtesten betroffenen un bemittelten Grundstücksbesitzern die Erhaltung des nothwendigen Vieh standes einigermaßen zu ermöglichen, hat das hiesige Hilfskomitee eine Summe, welche vom landwirthschaftlichen Creditverein in Dresden und sonstigen landwirthschaftlichen Kreisen herstammt, dem hiesigen ökonomischen Verein zur Beschaffung von Futtermitteln überwiesen. Im hiesigen Gemeinderath hat man den Beschluß gefaßt, daß bis auf Weiteres alle öffentlichen Belustigungen zu unterbleiben haben. Ein gleiches Verbot ist auch in den anderen überschwemmten Ort schaften feiten der Amtshanptmannschaft ergangen. — Seelingstädt bei Werdau, 20. Juni. Am gestrigen Vor mittage bemerkte der von Geschäften zurückkehrende Handelsmann Koch aus Linda aus einem Kornfelds in Braunichswalder Flur nahe der hiesigen Haltestelle eine Frauensperson kommend. Nichts Gutes ah»end, begab sich Koch auf das gedachte Feld und fand bei näherer Untersuchung unter den zusammengetretenen Aehren und Erdreich vergraben, den Leichnam eines neugeborenen Kindes. Auf geschehene Anzeige bei der Bahnverwaltung wurde auch die Mutter des Kindes alsbald in der in den Räumen der Haltestelle aufhältlichen Person der aus Gund b.Hof gebürtigen ledigen 23 Jahre alten Dienstmagd Catha rine Wunderlich ermittelt. Wie die sofort vorgenommenen criminal- polizeilichen Erörterungen ergeben haben sollen, sind äußere Verletz ungen an dem neugeborenen Kinde nicht wahrgenommen morden, es scheint sonach dasselbe todt geboren worden zu sein. Die Untersuchung wider die Wunderlich ist eingeleitet und dieselbe zunächst zur weiteren Pflege in dem Krankenhause zu Ronneburg untergebracht worden. — Dresden. Durch seine Geistesgegenwart ist am Freitag Prinz Friedrich August einer ihm drohenden Lebensgefahr glücklich entronnen. Es mar am Freitag gegen Abend, als der Prinz den kräftigen Segelwind benutzend mit seinem Gouverneur Hauptmann v. Oer und einem Pionierfeldwebel zwischen Pillnitz und Hosterwitz