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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark so Pj Inserate werden bis spätesten- MittagS des vorhergehenden TageS des Erscheinen- erbeten und di« CorpuSspaltenzeile niit >« Pf., unter „Eingesandt" mit 20 ^f. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Qrgan für den Stadtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Rcdacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 12S Dienstag, den 6. November 1883. 8- Jahra. Bekanntmachung. Die diesjährige Herbst-Kontrolversammlung der in hiesiger Stadl aufhältlichen Reservisten — incl. Halbinvaliden der Reserve und Dispositions-Urlauber findet Dienstag den 20. November a. e. Nachmittags >^2 Uhr im Saale des „Bürgergarten" zu Stollberg statt. Etwaige Dispensationsgesuche sind rechtzeitig bei dem zuständigen Bezirksfeldwebel auzubringen, finden aber nur auf Grund einer beigebrachten behördlichen Bescheinigung Berücksichtigung. Die Mannschaften haben in reinlicher Kleidung zu erscheinen und den Militärpaß behufs Abstempelung mit zur Stelle zu bringen. Zwönitz, am 5. November 1883. Der Bürgermeister Adam. ' Bekanntmachung. Unter Bezugnahme auf die Bestimmung in Art. 3 der hierorts eingeführten Städteordnung wird hierdurch bekannt gemacht, daß die für die diesjährige Stadtverordneten-Ergänzungswahl erforderliche Wahlliste aufgestellt und von Montag den 3. November a. c. ab 14 Tage lang während der Expeditionszeit von 8—12 Uhr Vormittags und von 2—5 Uhr Nachmittags an Nathsstelle ausliegt und daß es bis Ende des siebenten Tages nach Bekanntmachung und Beginn der Auslegung derselben jedem Betheiligten freisteht, gegen die Wahlliste ebendaselbst Einspruch zu erheben. Zwönitz, am 2. November 1883. Der Bürgermeister. Adam. Sächsische Nachrichten — Anläßlich der bevorstehenden Einstellung der Necruten machen wir auf Folgendes aufmerksam: Seit dem Jahre 1878 besteht in Gemäßheit der Verordnung vom 23. Aug. 1877 auch in Sachsen die in Preußen bereits seit dem Jahre 1854 eingeführte Einrichtung, daß die Necruten nicht mehr einzeln bei den Truppentheilen eintreffen, sondern in den Stabsquartieren der Laudwehr-Bataillone —als solches ist der Sitz desjenigen Landwehr-Vezirks-Eommandos anzusehen, in dessen Bezirk der Necrut ausgehoben ist — gesammelt und durch Begleit-Commandos »ach den Garnisonen transportirt werden. Die jenigen Necruten, welche ihren Wohnort entfernt von dem auf der Einberufungs-Ordre als Sammelort bezeichneten Landwehr-Bataillons- Stabsquartier haben, müssen nun den Weg dahin, dasern die Ent fernung unter 3 Meilen beträgt, unentgeltlich zurücklege». Beträgt aber die Entfernung mehr als 3 Meilen, so erhalten die Necruten für diejenige Anzahl Meile», welche »ach Abzug der unentgeltlich zurückzulegenden 3 Meilen verbleiben, pro Meile 12 l/z Pfennige Meilengeld. Angefangene Meilen werden hierbei vollgerechnet. Dieses Meilengeld haben die Necruten bei ihrer Wohnortsbehörde — Stadt- rath bezw. Gemeindevorstand — unter Vorlegung der Einberufungs- Ordre zu erheben, und es verlieren dieselben den Anspruch hierauf, dafern die Erhebung nicht vor der Einberufung erfolgt. — In Sachsen sind gegenwärtig nicht weniger als 13 Pfarr stellen vacant. In Frauenstein wurde eine solche Stelle bereits zwei mal vergebens ausgeschrieben; die Stadt schreibt sie jetzt, mit 3000 Mark dotirt, zum dritten Male aus. — In einer Lehrersfamilie in Plauen ist kürzlich der be- klagenswerthe Fall vorgekommen, daß die einzige Tochter und über haupt das einzige Kind, 17 Jahre alt, plötzlich von Blindheit be fallen worden ist. Eine Erkältung soll die Ursache des Unglücks sein. — Oschatz. Am 27. vor. Monats Abends war der Gerber Döring, der verheirathet und Vater von 5 Kindern ist, mit dem Abschlachten eines Hundes beschäftigt, wobei er sich mit dem Messer so unglücklich in die Brust stach, daß der Tod in kurzer Zeit infolge Verblutung eintrat. — In letzter Zeit haben die Zittauer Zollbehörden, wie die „Z. M.-Ztg." meldet, viel Glück mit der Vereitelung von Schmuggel versuchen gehabt. Den Hauptfang machte ein in Zittau stationirter Grenzaufseher, dem es gelang, einen Händler mit eingeschmuggelten Diamanten festzunehmen. Aber auch kleinere „Fänge" wurden dein Hauptzollan^t zu Theil. So meldete dieser Tage ein auswärtiger Grcnzbeamter, daß er einen Pascher mit 2 Hocken Leinwand ange halten und die Waare confiscirt habe. Während der Unterbeamte vor dem Zollamte wartet, bis der Oberbeamte, welcher zur Ueber- nahme der angehaltenen Waare bestimmt ist, ihn nach seinem Stationsorte begleitet, kommt ein böhmisches Landfuhrwerk mit Hafer beladen. Zufällig fragt der Zollbeamte nach der Zolldeclaration und zählt dann rasch die auf dem Wagen liegenden Säcke und siehe da, der Böhme hat einen Sack Hafer mehr geladen, der nun dem Fiscus verfallen ist. Noch schlimmer erging es einem anderen böhmischen Bauer, welcher ebenfalls bei den. Versuche, einen Sack Hafer zu paschen, attrapirt worden war. Anstatt die Strafe ruhig zu be zahlen, reicht der Unvorsichtige ein Gnadengesuch ein. Auf behörd liche Anordnung werden daraufhin die Bücher eines Zittauer Händ lers, mit welchem der Petent in Geschäftsverbindung stand, geprüft und dabei gefunden, daß der Mann seit langer Zeit stets einen Sack Getreide mehr pro Lieferung eingeftthrt, als er declarirt hatte. Nicht weniger als 6 Fülle kamen dabei auf die Zeit, in welcher die Straf verfolgung noch nicht verjährt war. Der unglückliche Bittsteller hatte nun noch das Vergnügen, die früher eingeschmuggelten Posten Getreide nachträglich zu verzollen und die sechsfache Defraudations strafe zu zahlen. — Wittenberg, 31. Oct. Wittenbergs sonstige Physiognomie hat sich seit heute früh vollkommen geändert. Alle Ortschaften aus der näheren und weiteren Umgebung sandten ihre Einwohner zu dem heutigen Lutherfeste. Ein solches Gedränge auf den Straßen, ein so reges Leben hat die Stadt noch nie kennen gelernt, selbst nicht beim kirchlichen Feste. Ueberall sind Guirlanden und Flaggen in deutschen, preußischen und sächsischen Farben angebracht, unter jedem Fenster hängen Kränze und Blumen, und aller Orten erblickt man die Büste Luthers. Ungeduldige Gruppen von Theilnehmern an dein Festzuge wandern schon seit elf Uhr in ihren malerischen Costümen durch die Straßen. Hier hat ein Patrizier einen Mönch unter den Arm gefaßt und rauchen in gemächlicher - Eintracht ihre Cigarre, dort contrastirt der freundlich farbige Anzug eines Greth- chens mit den dunklen, ernsten Trachten der Landbewohner. Ein Musikcorps mit steifen runden Halskrausen und hohen Achselwülsten bläst lustige Fanfaren, während im Schaufenster eines Friseurs die als Burgfräulein aufgeputzte Wachspuppe still auf das lärmende Getriebe blickt. Vor dem Predigerseminar waren die großen, ge schmackvoll decorirten Büsten Luther's und Melanchlhon'S aufgestellt. Auf dem Markte erhoben sich zwei von Guirlanden umwundene Säulen mit Kernsprüchen Luthers. Vor der Schloßkirche, an deren Thür heute vor 400 Jahren Luther seine Thesen anschlug, war eine einfache geschmückte Rednertribüne aufgestellt. Mit preußischer Pünkt lichkeit setzte der Festzug um 12 Uhr von der Luthereiche aus sich in Bewegung. Vorau der kurfürstliche Herold, geschmückt mit den Sachsen - Meißen'schen Wappen, dann zwei städtische Herolde in Wittenbergischen Farben, Bergleute in kleidsamer schwarzer Tracht mit rosa Federn auf schwarzem Barett, braune Augustiner, Nonnen auf Karren mit Ablaßkarten. Auf einem anderen Karren befand sich eine wahrhaft primitive Druckerei, welche Druckschriften aus- theilte. Buchbinder mit hellbraunem Kittel, mit spitzen Filzhüten, Studenten und Sänger mit reichen Federn auf buutem Barett, mit Guitarren, wie Luther sie gespielt, folgten, dann kam der prächtige kurfürstliche Hofstaat hoch zu Roß, in geschlitztem Wamms von Sammet, umgeben von Reitern mit Hellebarden, dann die knappe