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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). AbonnementSpreiS beträgt vierteljährlich l Mark 20 Ps Änreiaer für Inserate werden bis spätesten- Mittags des vorhergehenden DageS des Erscheinens erbeten und dir CorpuSspaltenzeile mit io Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend Organ für den Staotgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 1«. Dienstag, den 22. Januar 1884. 9. Jahrq. Sächsische Nachrichten. — Die schlimme finanzielle Lage des „Dresdner Journals" ist ost Gegenstand der öffentlichen Discnssion gewesen. Im vorigen Jahre schlichtes ab mit einem Deficit von 16,860 M., wogegen die „Leipziger Zeitung", das andere Regiernngsorgan, noch eine» Ueber- schuß von 1414 M. aufweist. Ein Theil der Finanzdeputation be antragt daher, daß für die nächste Etatsperiode die Negierung auf eine Verschmelzung beider Zeitungen Bedacht nehmen inöge. — Die Finanzdeputation hat beantragt, daß der Betrag für eine Jahres-Jagdkarte von 12 auf 20 M. erhöht werde. — Die Regierung beabsichtigt eine Ermäßigung der Taxen in Grund- und Hypothekensachen, aber gleichzeitige Erhöhung bei größeren Nachlaß- und Erbschaftssachen. — Der Branddirector Weigandt in Chemnitz ist vom Laiides- ausschuß sächsischer Feuerwehren mit der Bearbeitung eines „Hand buchs für sächsische Feuerwehren" beauftragt worden. — Chemnitz. Nach competentester Mittheilung liegt bei der Tödtnng des Frabrikarbeiters Ernst Schuricht ein Raubmord vor. Der Schuldige wurde bereits gestern in der Person des hiesigen Klempnerlehrlings Carl Friedrich Hirt, der noch in dem jugendlichen Alter von 16 Jahren steht, ermittelt. Sein Lehrherr, Klempner- meister Netzsch, zeigte auf die von der kgl. Staatsanwalt erlassene Bekanntmachung hin bei der städtischen Polizeibehörde an, daß sein Lehrling schon früher einmal im Besitze eines Revolvers gewesen sei, welchen er (der Lehrherr) dem Burschen weggenommen habe. Er habe aber erfahren, daß sein Lehrling neuerdings wieder einen Revolver beseffe», auch geäußert habe, daß er die Waffe schon ein mal bei passender Gelegenheit benutzen werde. Der Lehrling sei auch am 16. Januar (am Tage des in Rede stehenden Vorkomm nisses) Nachmittags nicht bei der Arbeit gewesen und erst Abends 9 Uhr ganz beschmutzt nach Hause gekommen. Uebrigens wurde in dem nahe der Jacobikirche befindlichen öffentlichen Abort am Don nerstag früh eine Schachtel Revolverpatrone» und in dem beim Beckerdenkmal befindlichen Abort ein Revolver aufgefuiiden. Es entstand nun sofort die Vermuthung, daß dieser Umstand mit dem Verbrechen im Zusammenhänge stehe, und ist wohl auch durch ärzt liche Untersuchung festgestellt worden, daß die Weite der Kopfwunde des Getödteten die Größe der aufgefundeuen Patronen, bezw. der Mündung des aufgefundenen Revolvers entsprach. Der verdächtige Lehrling wurde Freitag Nachmittag festgenommen und war auf Vor halt schließlich geständig, am Mittwoch Abend zur angegebene» Zeit an dem oben bezeichneten Ort mit einem Revolver geschossen, des Revolvers, sowie der Munition sodann in den bezeichneten Aborten sich entledigt zu haben. Hirt wurde selbstverständlich sofort der kgl. Staatsanwaltschaft zugeführt. — Chemnitz. Die Montag Abend im Saale der „Stadt London" hier einberufene öffentliche Volksversammlung, in welcher der Abg. Liebknecht über das Gemeindcwahlrechl in Sachsen, be ziehentlich über das allgemeine directe Wahlrecht für Staat und Gemeinde, sowie über die wahren Ziele und Aufgaben der gegen wärtigen Arbeiter reseriren sollte, fand unter sehr zahlreicher Be theiligung statt. Derselbe erging sich zunächst in längeren Ausführ, ungen zu Punkt 1 der Tagesordnung, kam hierbei jedoch auf die Person des Reichskanzlers Fürsten Bismarck, sowie auf dessen socialpolitische Vorlagen in einer Weise zu sprechen, daß der die Versammlung überwachende Polizeibeamte Veranlassung nahm, dem Redner das Wort entziehen zu lassen. Als hierauf weiter das Verfahren des Beamten Seitens eines Anhängers der socialdemokra tischen Partei einer Kritik unterworfen beziehentlich dasselbe als in- correct bezeichnet wurde, wurde die Versammlung von dem Beamten aufgelöst und für geschlossen erkläxt. — Crimmitschau, 18. Januar. Bei einem hiesigen Bäcker sollte gestern ein Schwein geschlachtet werden. Nachdem dasselbe bereits abgestochen war und für todt gehalten wurde, griff ein mitamvesender Mann dem Thier an den Kopf; plötzlich jedoch fuhr das Schwein in die Höhe und biß den nichts Ahnenden derart in die Hand, daß er sich sofort in ärztliche Behandlung gebe» mußte. — Netzschkau. Der für unsere Stadt ausgestellte Haushalt- plan pro 1884 beträgt in Einnahme 4982,91 Mk., in Ausgabe 28,849 Mk. und der durch Anlagen zu deckende Fehlbetrag 23,916,09 Mark. — Oel Snitz. In der Nacht zum Sonntag sind unserem Stadt wachtmeister Schmidt zwei Schweine vergiftet worden und zwar thier ärztlicher Aussage zufolge durch Phosphor. Das Reichsgericht zu Leipzig hat die Revision im Proceß Dickhoff verworfen. Kotitische Kundschau. Deutschland. Am Berliner Hofe wurde am Sonntag das diesjährige Ordenssest des Ordens vom Schwarzen Adler unter Theilnahme des Kaisers in herkömmlicher Weise begangen. Am Freitag vorher war die feierliche Investitur des neuen aufgenommenen Ritters, des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen, erfolgt. Die am Donnerstag beendigte dreitägige Generaldiscussion im preußischen Abgeordnetenhause über die beiden Steuervorlagen hat zu der Ueberweisung der letzteren an eine Commission von 28 Mit gliedern geführt. Der Gesammteindruck der Verhandlungen über diesen wichtigsten Gegenstand für die gegenwärtige Session des Ab geordnetenhauses ist der, daß eigentlich keine Partei mit den Regie rungsentwürfen zufrieden ist, selbst auf conservativer Seite wurden mannigfache Bedenken geäußert, sogar in Bezug auf die vorge schlagene Aushebung der dritten und vierten Classensteuerstufe, welche Maßregel von den liberalen und clericalen Rednern zum Theil sehr entschieden bekämpft wurde. Die Negierung hat nun durch einen ihrer Vertreter, den Generalsteuerdirector Burghard, erklären lassen, daß sie an der Aufhebung der dritten und vierten Classenstufe fest- halten müsse und hieraus würde sich schon ein ernster Conflict zwischen der Negierung und der Mehrheit des Abgeordnetenhauses ergebe». Letztere befindet sich aber auch bezüglich anderer Grund fragen der Steuerreform, als Aufhebung der weiteren Classensteuer stufen, Quotisirung oder Contigentirung, BesteuerüngSmodus der Kapitalrente im Widerspruch zur Negierung und bleibt vorläufig nur die Hoffnung übrig, daß die Commissionsverhandlungen diese Gegensätze wenigstens zum Theil beseitigen werden. — Am Freitag beschäftigte sich das Abgeordnetenhaus lediglich mit dem Centrums antrage auf Wiederherstellung der aufgehobenen kirchenpolitischen Verfassungsparagraphen, zu welchem ein Gegenantrag der Conser- vativen, auf Uebergang zur motivirten Tagesordnung vorlag. Nicht weniger als 15 Redner hatten sich gegen, 7 Redner für den Antrag des Centrums einschreiben lassen. Von letzterem sprachen am Freitag außer dem Antragsteller Reichensperger (Olpe) die Abgeordneten v. Schorlemer-Alst und Windthorst gegen den Antrag von den Con- servativen Herr v. Hammerstein und Stöcker und von der Fort schrittspartei Eugen Richter, alle drei bemühten sich hinsichtlich, dem Centrum so wenig wie möglich Unangenehmes zu sagen. Am wich tigsten waren jedenfalls die Erklärungen des CultuSminister. Herr v. Goßler äußerte in sehr bestimmter Weise, daß die Staatsregierung den Centrumsantrag, selbst wenn das Haus wider Erwarten dem selben zustimmen sollte, nicht sanctioniren würde, die Wiederherstellung der kircheupolitischen Verfassuugsartikel wäre zur Zeit ein schwerer politischer Fehler. Der Minister lehnte es ab, sich über die Begna digung des Bischofs von Münster zu äußern und sagte bezüglich der Begnadigungsordre für die Erzbischöfe von Cöln und Posen, da kein einziger Minister dieselbe unterzeiclmen würde, diese Begna digung liege im Interesse des Staates und des kirchenpolitischen Friedens. Anlangend die Verhandlungen mit Rom sei die Regier ung fest entschlossen, selbstständig mit Verbesserungen vorzugehen und werde sich hierbei durch Agitationen und Anträge nicht drängen lassen. Auf Seiten deS Centrums hatte man eine so entschiedene Sprache des Ministers sicherlich nicht erwartet und äußerte denn auch der Abgeordnete Windthorst, Ton und Inhalt der Erklärung des Ministers lasse neue politische Kämpfe erwarten. Der Antrag Windihorsts auf Commissionsberathung wurde gegen die Stimmen des Centrums, der Polen und Fortschrittspartei abgelehnt und trat das Haus sofort in die zweite Berathung des Centrumsantrages ein, die am Sonnabend zu der definitiven Zurückweisung desselben führte. V -