Volltext Seite (XML)
Amts- und Änzeigeblatt für den Amtsgerichtsbezirk Eibenstock und dessen Umgebung Bezugspreis Vierteljahr!. M. 1.50 einschlietzl. des „Jllustr. Unterhaltungsblatts" und der humoristischen Beilage „Seifenblasen" in der Expedition, bei unseren Boten sowie bei allen Reichspostanstalten. Tel.-Adr.: Amtsblatt. ^7 SS8s für Eibenstock, Larlsfeld, Hundshübel, Neuheide, Oberstützengrün, Schönheide, Schönheiderhammer,Sosa,Unterstützengrün,wildenthal usw. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: Emil Hannebohn in Eibenstock. 87. Jahrgang. Sonnabend, den 1. Oktober Erscheint täglich abends mit Rusnahme der : : 'Sonn- und Feiertage für den folgenden Tag i > Rnzeigenpreis: die kleinspaltige Zeile 12 Pfennige. Im amtlichen Teile die gespaltene ;! Zeile 30 Pfennige. ! Fernsprecher Nr 210. Am SO. September 1910 sind fällig: 1) der 2. Termin Staatseinkommenftener 1910. 2) „ 2. „ Brandkaffe 1910 (nach 1 Pfg. für die Einheit) und 3) „ S. „ Landrenten 1910. Die Abgaben unter 1) sind bis zum 21. Oktober dieses Jahres, die unter 2) bis zum 10 Oktober «. und die unter 3) sofort und spätestens bis zum 5. Oktober 1910 zu entrichten. Nach Ablauf dieser Fristen wird das Beitreibnngsversahre« eingeleitet. Carls feld, den 26. September 1910. Der Gemeindevorstand. Bauernfeind. Die türkische Anleihe. Selten ist wohl über die Aufnahme einer Anleihe, die doch eigentlich eine Finanzangelegenheit ist, im po litischen Teil der Blätter der gesamten Welt soviel Druckerschwärze verbraucht worden, wie augenblicklich über die Bemühungen der Türkei, eine ausländische Anleihe zustande zu bringen. Allerdings spielen in diese Affäre schwerwiegende Fragen hinein, beziehungs weise hat man sie aus guten Gründen hineingebracht. In dieser ganzen Angelegenheit tritt wieder einmal die unerquickliche Rivalität der Großmächte am Goldnen Korn in Erscheinung, es zeigt sich deutlich, daß wieder allerlei Intrigen im Werke sind, wie einer den andern zu verdrängen sucht und daß bei diesen Bemühungen ge wissen Leuten jedes Mittel recht ist. Es ist wohl nicht so ganz von ungefähr, daß in dem Augenblick, wo die Türkei Geld sucht, von Paris aus das Gerücht ausge sprengt wird, die Türkei habe mit Rumänien ein Mili tärabkommen getroffen und diese neue Entente stehe im innigen Connex zum Dreibund. Wer diese Nachricht in den „Matin" lanciert hat, ist noch nicht bekannt, man geht wohl in der Annahme nicht fehl, daß dies von einer Seite geschehen ist, welche der Türkei bei der Anleihe Schwierigkeiten bereiten und einen Druck auf sie ausüben wollte, den französischen Forderungen entgegenzukommen. Aus diesem Grunde wird das Ge rücht mit der größten Hartnäckigkeit aufrecht erhalten, und auch andere Blätter stimmen in den Chorus mit ein. Mitten in diesem Treiben wurde den Franzosen aber ein Strich durch die Rechnung gemacht und zwar von einer Seite, von der man es an der Seine am wenigsten erwartet hätte, von der englischen Finanz welt. Sir Ernest Cassel erklärte sich bereit, das Geld für die Türkei aufzubringen, wobei er allerdings auch deutsche Finanzkreise hinzuziehen wollte. Darob ein Sturm der Entrüstung in Frankreich, daß gerade das so befreundete England es sein würde, welches Frank reich in dieser Sache einen Knüppel zwischen die Beine werfe. Dieser Lärm hat auch allem Anscheine nach dahin geführt, daß Herr Cassel auf einen Wink der eng lischen Regierung hin einschwenkte und daß man jetzt mit einem Mal erklärt, es sei noch lange nicht soweit. Der Hauptgrund, daß man an der Seine den Türken die Daumenschrauben anlegen will, ist natürlich darin zu suchen, daß man dort von dem erneuten Anwachsen des deutschen Einflusses am Goldnen Horn wenig er baut ist und nun alles daran setzen möchte, Deutschland dort wieder aus dem Sattel zu heben. Daß man zu diesem Zweck auch nicht davor zurückschreckte, Deutsch land bei Italien zu verdächtigen, ist wohl noch in Er innerung: Es hieß, Italien habe von den Bemüh ungen Deutschlands und Oesterreichs, die rumänisch türkische Annäherung zustande zu bringen, keine Ah nung gehabt, obwohl Italien hieran im Hinblick auf seine Beziehungen zum Balkan das größte Interesse gehabt hätte. Mit dieser Verleumdung hat man aller dings wenig Glück gehabt. Die offiziöse „Tribuna" benutzt die Meldung von dem hinter dem Rücken Ita liens erfolgten Abschlusse eines Abkommens zwischen der Türker und Rumänien dazu, in ihrem Dementi nach drücklichst zu betonen, daß die gegenseitigen Beziehun gen zwischen Italien, Oesterreich und Deutschland äu ßerst intime, vertrauensvolle und herzliche seien und daß auch die öffentliche Meinung Italiens sich durch die tendenziösen, der Begründung entbehrenden Nachrich- ten nicht habe irre führen lassen. Woher der Wind weht, geht auch daraus hervor, daß die Pariser Blät ter eines nach dem anderen sich in lange Betrachtungen über das Wachsen des deutschen Einflusses am Goldnen Horn ergehen und darauf Hinweisen, wie Deutschland immer bevorzugt werde, während Frankreich die aller größten Schwierigkeiten entgegengesetzt würden. Nicht ohne Absicht wird auch erklärt, daß Dreifünftel der neuen Anleihe zu militärischen Zwecken bestimmt seien und daß gerade das Heer vollständig unter deutschem Einfluß stehe; die Franzosen hätten aber keinerlei Ver anlassung, ihre Kapitalien zu Zwecken herzugeben, durch welche Deutschland gestärkt würde. Der Kampf um die türkische Anleihe ist also alles in allem genom men nichts anderes, als das Ringen um die Superiori- tät des politischen Einflusses in Konstantinopel und die Einzelheiten dieser Angelegenheit deuten darauf hin, daß dort nicht bloß Reibungen zwischen den Bal kanstaaten, sondern auch solche unter den Großmächten nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit stehen und man hat darum Grund genug, namentlich deutscher seits, auf der Hut zu sein. Tagesgeschichte. Deutschland. — Berlin, 29. September. In Moabit ist bis 9 Uhr abends alles ruhig geblieben, abgesehen von einigen kleineren Zwischenfällen. Zwischen 7 und 8 Uhr, der Hauptverkehrszeit der Arbeiterschaft, zeigten die Beußelstraße, sowie deren Nebenstraßen sehr star ken Verkehr, denn trotz des scharfen Vorgehens der Po lizei in den vergangenen Tagen und Nächten waren wiederum Neugierige in großen Scharen erschienen. Schutzmannspatrouillen sorgten dafür, daß alles in Bewegung blieb. An den vier Ecken der Beußel- und Tmmstraß liefen immer wieder Tausende zusammen, die alle zehn Minuten von berittenen Schutzleuten zer streut wurden. Für das Gefängnis in Plötzensee sind besondere Maßnahmen getroffen worden, um einem etwaigen Angriffe der Menge auf die Strafanstalt vor zubeugen; dort ist eine Wache von zwanzig Gendar men aufgestellt. Kurz nach 9 Uhr kam es in Moabit doch zu einigen Zusammenstößen. Aus einem Hause der Turmstraße wurde mit einem Blumentopf nach der Polizei geworfen, was diese mit Pistolenschüssen erwi derte, die jedoch keinen Schaden anrichteten. Bei der darauffolgenden Säuberung der Straße wurden ei nige Personen verletzt. Auch an der Ecke der Beußel- und Erasmusstraße mußte die Menge von der Ber liner und Charlottenburger Polizei wiederholt zurück getrieben werden, wobei es zu mehrfachen Verletzun gen und Verhaftungen kam. — Berlin, 29. September. Das energische Ein schreiten der Polizei hat die Krawallbewegung zum Abflauen gebracht. Im Polizeipräsidium fand heute vormittag um 9 Uhr wieder eine Konferenz al ler höheren Beamten unter dem Vorsitz des Präsidenten von Jagow statt. Die bisherigen Maßnahmen wurden eingehend erörtert und über den gestrigen Abend Be richt erstattet. — Nach den bisherigen Feststellungen beträgt die Zahl der in den Krankenhäusern unterge brachten und auf den Unfallstationen verbundenen Exze denten 150. Etwa ebensoviel sind, wie man annimmt, zu Hause behandelt worden, sodaß insgesamt 300 Exze denten bei den Unruhen verletzt sein dürften. Bei den gestrigen Krawallen sind 73 Personen so erheblich ver wundet worden, daß sie sofort verbunden werden muß ten. Fünf Verwundete mußten im Krankenhause blei ben; dort liegen jetzt im ganzen 22 Verletzte. In der Unfallstation in der Erasmusstraße wurden gestern abend in der Zeit von 7^/^ bis HV4 Uhr 20 Ver letzte eingeliefert, darunter eine 60jährige Großmut ter mit ihrem 8jährigen Enkel, die durch Säbelhiebe verletzt worden waren. Sistierungen wurden gestern abend weit mehr vorgenommen als früher; ihre Zahl soll hundert übersteigen. Aus dem Krankenhause Moa bit wurden in der Nacht zwanzig Personen, die leichte Verletzungen erlitten hatten und dort verbunden wor den waren, von Kriminalbeamten abgeholt und zur Feststellung ihrer Persönlichkeit nach dem Polizeirevier gebracht. Dem Untersuchungsrichter sind bereits ges tern zwölf Personen unter der Anschuldigung des Auf ruhrs vorgeführt worden. Von den in der vergan genen Nacht festgenommenen Personen sind neun in das Untersuchungsgefängnis eingeliefert worden. — Der Kaiser wird von den Vorgängen im Moabiter Unruhe- gebiet dauernd auf dem laufenden erhalten: Jeden Tag werden ausführliche Berichte über alle Vorkomm nisse nach Rominten gesandt. Oesterreich-Ungarn. — Wien, 29. September. Der deutsche Staats sekretär v. Kiderlen-Wächter trifft Sonntag oder Montag aus Bukarest in Wien ein, wird eine Begeg nung mit dem Grafen Aehrenthal haben und auch vom Kaiser in Audienz empfangen werden. Rumänien. — Bukarest, 29. September. Der deutsche Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter wird morgen dem Königin Sinaja sein Abberufungsschreiben über reichen. Dürtei. — Die Anleihefrage. Wie in gut unterrich teten Wiener Finanzkreisen geäußert wird, versucht der Großwesier Hakki Pascha, der sich gegenwärtig in Wien bezw. in dem Kurorte Baden aufhält, die Wiener Fi nanzinstitute für die türkische Anleihe zu interessieren, und zwar in erster Linie die Gruppe des Wiener Bank vereins, die schon wiederholt Anleihen der Balkan staaten auf den österreichisch-ungarischen Märkten auf gelegt hat. Die Besprechungen hierüber sind aber bis her unverbindlicher Natur geblieben. Es heißt, daß Oesterreich-Ungarn nicht abgeneigt ist, das Geschäft ab zuschließen gegen die Sicherung entsprechender Vor teile für die österreichische Industrie auf dem Balkan. — Die „Köln. Ztg." meldet aus Konstantinopel, daß die deutsche Bank den Türken einen Vorschuß von 120 Millionen auf die später wo immer aufzunehmende An leihe angeboten hat. Griechenland. — EinKriegsplanfürGriechenland. Die französische Regierung hat, wie die „Münch. N. N." aus durchaus zuverlässiger Quelle erfahren, durch den Admiral Fournier für Griechenland einen ausführlichen Kriegsplan ausarbeiten lassen. Lokale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 30. September. Ein seit langen Jahren gerngesehener Gast unserer Stadt, Cäsar Belli mit seiner Truppe, ist auch anno 1910 uns treu geblieben und wartet auch diesmal mit einer Reihe sehenswerter No vitäten auf. Dem künstlerischen Erfolge der ersten zwei Vorstellungen durchaus nicht ebenbürtig war der pekuniäre, denn der Großteil der Zuschauer, die .Zaunbillettler", ver» steht es mit bewundernswerter Sicherheit zu .kneifen". Auf das reichhaltige Programm näher einzugehen, würde zu weit führen, wir empfehlen den geehrten Lesern viel mehr sich von der Vielseitigkeit und Güte des Gebotenen selbst zu überzeugen und verweisen im übrigen auf in vor liegender Nummer enthaltenes Inserat, wonach heute abend ganz besondere Genüsse unserer harren. — Leipzig, 29. September. Ein verhängnisvoller Zusammenstoß zweier Radfahrer, verursacht durch Zuwiderhandlung gegen die Polizeivorschrift, rechts zu fahren, hat hier einen jungen Mann mS Gefängnis gebracht. Ein 18jähriger Laufbursche war als er aus dem Rade auf der falschen Straßenseite um die Ecke bog, mit einem anderen Radfahrer zusammen geprallt, der vom Rade stürzte und unter die Räder eines gerade vorüberfahrenden Bierwagens geriet und tödlich verletzt wurde. Der junge Mensch der den Zusammenstoß verschuldete, wurde wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und gestern von der Strafkam mer zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt. — Leipzig, 29. September. Heute vormittag ereig nete sich in den Kontorräumen der Firma Herb in der Peterstraße eine Gasexplosion, ber der ein Markthelfer der Firma so schwer verletzt wurde, daß er ins Krankenhaus überführt werden mußte. — Lei p z i g, 29. September. Heute vormittag feuerte ein jüngerer Mensch, der unter dem Verdachte eines Fahr raddiebstahls nach der Polizeiwache gebracht werden sollte, auf den ihn begleitenden Beamten sechs Revolver schüsse ab, die den verheirateten Schutzmann in den Kopf trafen, daß er tot zus ammenbrach. Der Täter wurde von der Menge ergriffen und geschlagen und schließlich von einem Schutzmann nach der Wache geführt. Es ist ein 22 Jahre alter Böhme namens Ignaz Denk. — Plauen, 29. September. Von einer raffinierten Betrügerin ist ein hiesiger Sparkasseukassierer durch eine sogenannte Wechselfalle um 300 Rik. geschädigt worden. Feststellungen haben ergeben, daß die Betrügerin schon vor her ein ähnliches Manöver auf einer Bank auszuführen