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Amts- und änzeigeblatt für den Amtsgerichtsbezirk Eibenstock und dessen Umgebung Bezugspreis vierteljährl. IN. 1.50 einschließl. des „Jllustr. Unterhaltungsblatts" und der humoristischen Beilage „Seifenblasen" in der Expedition, bei unseren Voten sowie bei allen Reichspostanstalten. Tel.-Adr.: Amtsblatt. für Eibenstock, Earlsfeld, yundshübel, Neuheide, Oberstützengrün, Schönheide, Schönheiderhammer,Sosa,Unterstützengrün,wildenthal usw. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: Emil Hannebohn in Eibenstock. ------- 87. Jahrgang. ------- Freitais, dea 14. Oktober Erscheint täglich abends mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage für den folgenden Tag Anzeigenpreis: die kleinspaltige Zeile 12 Pfennige. Im amtlichen Teile die gespalten« Zeile 30 Pfennige. Fernsprecher Nr 210. LSI» Nr. 8S der Schankstättenverbotsliste ist zu streichen. Ttadtrat Eibenstock. Die Frage des portugiesischen Kolonialbesitzes ist anläßlich der Staatsumwälzung in Lissabon von der „Daily Mail" zum Zwecke der Verdächtigung Deutschlands angeschnitten worden- Das Blatt verbreitet die Tendenzmeldung, Deutschland habe sein Auge namentlich auf die im Atlantischen Ozean gelege nen und bisher portugiesischen Inselgruppen gewor fen, um sie zu Flottenstützpunkten zu erwerben. So gegenstandslos diese Behauptung selbstverständlich auch ist, so bietet sie doch Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf die Frage der portugiesischen Siedlungsgebiete zu lenken, die angesichts der Finanzlage der jungen Repu blik jeden Augenblick akut werden kann. Die Ange legenheit ist bereits vor einem Jahrzehnt lebhaft er örtert worden, da schon in jener Zeit die portugiesi schen Finanzen in einer derart trostlosen Verfassung waren, daß der Verkauf des kostspieligen Kolonialbe sitzes geraten erschien. Auch soll bekanntlich sür den Fall, daß Portugal sich zu diesem Schritt veranlaßt sieht, zwischen Deutschland und England ein Ab kommen getroffen sein, welches eine Verständigung über die von diesen beiden Mächten zu erwerbenden Gebiete enthält. Authentisches über den Inhalt dieses Vertrages ist weiter nicht bekannt geworden. Die ein zigen, vom „W. T. B." und im „Reichsanz." sreilich sofort dementierten Mitteilungen darüber rühren vom „Berl. Lokalanz." her. Dieser hat am 27. Dezember 1899 behauptet, der Vertrag sei abgeschlossen worden, um zu verhindern, daß Frankreich, Rußland oder an dere Mächte gegen die Besitzergreifung der Delagoa- bucht durch England Einspruch erheben. Im Früh jahr 1900" werde in Portugal ein gleicher „Ausverkauf" vou Kolonien stattfinden, wie Spanien ihn im Jahre 1899 in Szene gesetzt hat. Die in Betracht kommende afrikanische Besitzung betrage 2 000000 Quadratkilo meter mit 13000000 Einwohnern und solle an Eng land fallen, der asiatische Besitz mit 20000 Quadrat kilometer und einer Million Einwohner an Deutsch land. Es handelt sich dabei um folgende 5 Gebiete in Indien: Timar, Goa, Damao, Macao und Diu. Außer diesen Besitzungen in Asien solle in Afrika auch noch das Land nördlich des Sambesi an Deutschland abgetreten werden, mit Ausnahme eines Streifens von 3 Meilen, den sich Cecil Rhodes für seine Ersenbahü ausbedungen habe. Der von Deutschland zu zahlew- de Preis betrage 25 Millionen Mark. Da es sich hierbei, wie gesagt, um Angaben han delt, die in keiner Weise belegt sind, erübrigt sich vor läufig ein Eingehen auf den Inhalt des Abkommens. Allerdings hat der Plan, mittels Verkaufs der Kolo nien die portugiesischen Finanzen zu sanieren, einmal bereits die Cortes beschäftigt. Einen darauf abzielen den Antrag brachte, wie die „Magdeb. Ztg." feststellt, Mitte März 1900 Abg. Ferreira de Almeida ein. Der Antragsteller war wiederholt Marine- und Kolonial- nrinister gewesen und bekleidete, als er den Antrag ein brachte, die Würde eines Präsidenten der Geographi schen Gesellschaft. Sein Antrag ging dahin, die sämt lichen Kolonien Portugals mit Ausnahme von Angola, den Kap Verdischen Inseln und den Inseln S. Thoms und Prinzips (die Azoren und Madeira gelten nicht als Kolonien, sondern bilden einen Teil des Mutterlandes), zu ver- kausen. In seiner Rede zur Begrünoung dieses Antra ges wies er darauf hin, daß Portugal zur Bewahrung seines Kolonialbesitzes Anleihen ausgenommen habe, die es nicht zurückzahlen könne. Es sei ehrenhafter, statt neue Schulden für die Kolonien zu machen, deren Bestand zu verringern und mit dem Erlöse die Gläu biger zu befriedigen. Der Abgeordnete berief sich auf verschiedene hervorragende portugiesische Staatsmän ner, die wie er für eine Verringerung des überseeischen Besitzes Portugals seien. Es sei besser, wenn man jetzt die Kolonien verkaufe, als wenn sie dem Lande später auf irgend eine Weise verloren gingen- Das Beispiel Spaniens, das durch einen unglücklichen Krieg alle seine überseeischen Besitzungen verloren habe, sei in dieser Hinsicht eine ernste Mahnung. Verkaufe man die Ko lonien, so könne man die Staatsschulden bezahlen, und die dadurch entstehende Ersparnis an Zinsen zur Ver ringerung der Steuern verwenden Der Marineminis ter widersprach dem Anträge, indem er als Grund bedingung der portugiesischen Kolonialpolitik die Er haltung der Integrität des Besitztums erklärte und des weiteren nachzuweisen suchte, daß die Kolonien nicht so verlustbringend seien, wie von manchen an genommen werde. Bei der Abstimmung erklärten sich alle anwesenden Abgeordneten gegen den Antrag. Seitdem ist von dem Verkauf portugiesischer Kolonien noch einigemale die Rede gewesen, aber ernsthaft hat man sich mit der Angelegenheit seither nicht mehr be schäftigt. Die Möglichkeit, daß die Frage infolge der letzten politischen Ereignisse von neuem akut wird, ist indessen nicht von der Hand zu weisen. Tagesgeschichte. Deutschland. — DerKaiserEhrendoktor. Bei dem Mitt woch stattgehabten zweiten Festakt in der Universität wurden die Namen der neuen Ehrendoktoren verkün det. Nach einer Festrede von Professor Lenz bestieg Geheimrat Kohler die Estrade und promovierte in la teinischer Sprache den Kaiser zum Ehrendoktor der juristischen Fakultät. Hierauf wurden die übrigen Eh rendoktoren verkündet. — Der Millionensegen. Die Kaiserrede zur Hundertjahrfeier der Berliner Universität findet in der Oeffentlichkeit den lebhaftesten Beifall, und die gelehrte Welt ist dankbarer Empfindung und großer Zukunfts hoffnungen voll über den Millionensegen, der sich zum Besten freier wissenschaftlicher Forschung über die Uni versität ergossen hat. Treffender, als der Kaiser in seiner Rede es getan hat, konnte die Notwendigkeit der Gründung selbständiger Forschungsinstitute nicht dar- gelegt werden. Es war hohe Zeit, daß für diese ide alen Zwecke Durchgreifendes begonnen wurde, sonst liese das Volk der Dichter und Denker Gefahr, von den Angelsachsen, namentlich den Amerikanern, über holt zu werden, nicht in der Gründlichkeit, sondern in der Möglichkeit reiner wissenschaftlicher Forschung. Auch dazu gehört eben Geld und abermals Geld. Der Stiftungstag hat somit dauernde Bedeutung für die Zukunft des deutschen Geisteslebens. — Stiftungen für die Berliner Univer sität. Aus Anlaß der Jubiläumsfeier der Universi tät sind ihr eine Reihe von Stiftungen zugewendet worden. So hat Frau Maria von Wildenbruch der Universität die bis zu ihrem Tode anfallenden Ein künfte aus den hinterlassenen Werken Ernsts von Wil denbruch bis zum Mindestbetrag von 100000 Mark als Vermächtnis ausgesetzt. Ministerialdirektor Nau mann hat eine „Vereinigung der Freunde der Uni versität Berlin" gegründet, die in erster Linie zum Betriebe eines Studentenheims in der Nähe der Uni versität Mittel bereitstehen soll. Die Doktoren der Ber liner Universität haben eine Stiftung mit der Bestim mung angemeldet, begabten aber unbemittelten Stu dierenden die Promotton zu erleichtern. Der Forsch ungsreisende Dr. Hans Meyer in Leipzig hat sür einen Lehrstuhl für koloniale Geographie ein Kapital von 150000 Mark gestiftet. Neben diesen wissenschaftlichen Stiftungen sind der Universität eine Reihe von Kunst werken zugewendet worden. — DerStreikaufderPariserNordbahn macht sich nun auch in Deutschland fühlbar. Seit Mittwoch morgen stockt der direkte Eisenbahnverkehr zwischen Paris und Berlin vollständig. Auf dem Pots damer Bahnhof hatte der V-Zug aus Paris, der um 8 Uhr vormittags eintrifft, nur deutsche Wagen von der Grenze gebracht, dagegen keine Reisenden und keine Post aus Paris. Das gleiche war mit dem Nordexpreß^ zug der Fall, der um halb 8 Uhr auf Bahnhof Frie- drichsstraße eintrifft. Den deutschen Reisenden, die Dienstag früh von Berlin nach Paris abgereist sind, ist das Schicksal widerfahren, daß sie an der französi schen Grenze liegen geblieben sind. Oesterreich-Ungar«. — Gegen den Verein zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn. Im Auftrage des un garischen Handelsministeriums hat die kroatische Landes-Regierung einen Erlaß herausgegebsm in dem dem Vereine zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn auch in Kroatien-Slawonien der Postdebit entzogen und die sofortige Konfiskation aller daselbst einlangenden Postsachen des Vereines angeordnet wird. Der Sitz des Vereines befindet sich bekanntlich in Wien. Frankreich. — Paris, 12. Oktober. Heute nachmittag fand in der Arbeitsbörse eine große Versammlung sämt licher Angestellten der Eisenbahngesell schaften statt. Das Publikum hatte sich zu Hunder ten vor dem Gebäude angesammelt. Ueber das Ergeb nis der Versammlung liegt bis zur Stunde noch nichts genaues vor. Der Bahnhof Saint-Lazare ist vollstän dig geschlossen, infolgedessen können keine Züge mehr auf der Westbahn verkehren. Heute nachmittag drang eine Gruppe Streikender vom Place de l'Europe in den Bahnhof ein. Sie wurden sofort von Polizei- agcnten auseinander getrieben. Plötzlich fiel ein Stein durch die große Scheibe der Empfangshalle, wodurch die Scheibe vollständig zertrümmert wurde. Der Di rektor der Daily Opinion aus Newyork bezahlte, um nach Boulogne zu kommen, und dort noch rechtzeitig den Anschluß an den Schnelldampfer zu erhalten, 3000 Frcs. für ein Automobil. Im Bahnhof von Acheres sind fünf Züge angehalten worden, sodaß kein weiterer Zug mehr die Strecke passieren kann. Heute mittag kam es im Bahnhof von Bois de Colombes zu schweren Aus schreitungen. Ungefähr 3000 Ausständische hatten ei nen Eisenbahnzug angehalten und den Führer und Hei zer gezwungen, von der Maschine zu steigen. Das Glei che geschah mit den Zügen, die in der Richtung nach Caen fuhren. Um 9,50 Uhr wurden auch die von Nan tes kommenden Züge angehalten. Ein Polizeikommis sar wurde sofort zur Feststellung des Tatbestandes ab gesandt. Aus dem Bahnhofe Becon les Bruyerres wur de 12,30 ein Güterzug von Streikenden angehalten und auf den Wachtposten wurde Feuer gegeben. Die Bevölkerung ist gegen diese Haltung der Streikenden sehr aufgebracht. Die Westliche Staatsbahn hat 2 Be amte, die als Streikführer gelten, entlassen. Einem heutigen Abendblatt zufolge sollen noch weitere Ent lassungen bevorstehen. — Aus Lille wird gemeldet, daß sich dort alle Arbeiter dem Streik angeschlossen haben und jeder Zugverkehr völlig unmöglich gemacht wird. Aus Dünkirchen wird gemeldet, daß die Strei kenden einen Apell an die Dockarbeiter gerichtet haben, sich dem Streik anzuschließen und nicht mehr für die Eisenbahngesellschasten das Manövrieren der Züge zu übernehmen. Die Dockarbeiter haben sich heute nach mittag auch tatsächlich dem Streik angeschlossen. Durch den Streik sind in Gravelines für ungefähr 50000 Franks frische Waren liegen geblieben, die nun voll ständig verdorben sind. — Auf der Ostbahn ging der Zugverkehr heute noch leidlich von statten. Der Bahn hof von Nancy ist militärisch besetzt. — Paris, 12. Oktober. Die ganze Strecke der Nordbahn entlang häufen sich die Fälle von Zer störungen. In der Nähe der belgischen Grenze wur den gegen 200 Meter Schienen losgeschraubt. Ueber- all werden Durchschneidungen der Drähte und Ver hunzungen der Weichennadeln und Signalvorrichtungen gemeldet. Die Regierung hat den Staatsanwaltschaf ten einen neuen von der amtlichen Mitteilung als äu ßerst energisch bezeichneten Runderlaß zugehen lassen, der ihnen einschärft, gegen die Verüber derartiger Sach beschädigungen an Bahnmaterial mit äußerster Strenge vorzugehen. — Die Presse aller Parteirichtungen mit Ausnahme der äußersten Linken brandmarkt die Ur heber dieses Ausstandes, den sie als ein Verbrechen am Vaterlande erklären. Auch in der öffentlichen Meinung ist man einmütig in der Verurteilung einer Bewegung, die ochne Not oie Lebensinteressen Frankreichs aufs Spiel setzt. Die Verantwortung wird in erster Linie dem Parlament zugeschoben, das aus Wahlinteresse leichtsinnige Versprechungen gibt und in der Arbeiter schaft unerfüllbare Hoffnungen weckt. England. — London, 12. Oktober. Wie dem Reuterschen Bureau aus Gibraltar gemeldet wird, hat König Georg gestern abend Befehl gegeben, daß die königliche Jacht „Victoria and Albert" nach Gibraltar abgehe, um König Manuel und Königin Amelia an Bord zu nehmen. Portugal. — Lissabon, 12. Oktober. Die provisorische Re gierung hat den fremden Legationen mrtgeteilt, daß sie sämtlichen staatlichen Verpflichtungen be-