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Amts- und Ayzeigeblatt für den Amtsgerichtsbezirk Eibenstock un- -essen Umgebung Bezugspreis vierteljährl. M. 1.50 einschliehl. des „Bllustr. Unterhaltungsblatts" und der humoristischen Beilage „Seifenblasen" in der Expedition, bei unseren Boten sowie bei allen Reichspostanstalten. Amtsblatt. für Eibenstock, Earlsfeld, Hundshübel, Neuheide, Oberstützengrün, Schönheide, Schönheiderhammer,Sosa,Unterstützengrün,wildenthal usw. Erscheint täglich abends mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage für den folgenden Tag Anzeigenpreis: die klcinspaltige Zeile 12 Pfennige. Im amtlichen Teile die gespalten« Zeile 30 Pfennige. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: Emil Hannebohn in Eibenstock. Fernsprecher Nr 210. V S4S LSI« 57. Jahrgang. Mittwoch, de» 26. Oktober Zeichen der Zeit! Dem deutschen Klerikalismus schwillt der Kamm. Er hält seine Position, so schreibt die „Natl. Korresp.", für derart gefestigt und unantastbar, daß er der blo ßen Defensive satt ist und die Zeit für gekommen hält, sich zu der alten Preußendevise zu bekennen, wonach die beste Deckung der Hieb ist. Durch die Tagespresse gehen Auszüge aus einer Schrift des „päpstlichen Ge heimen Kammerherrn äi spaäa s oappa", Barons Paul de Mathies, die unter dem Titel „Wir Katholiken und die — anderen" in dem bekannten ultramontan-offb- ziösen Verlag von Herder in Freiburg erschienen ist; eine Schrift also, der schon um dieses Ursprungs willen der Zentrumscharakter nicht gut abgesprochen werden kann. Die Tendenz der Broschüre wird am besten ge kennzeichnet durch die frohlockende Verkündung: „Wir sind wahrhaftig überall zwei Völker im Staa te. Wir sind grundverschieden. Gebe Gott, daß wir es bleiben!" Der konfessionelle Zwiespalt, die Zer klüftung unseres Volkes in zwei „grundverschiedene" Teile, der wir den ganzen Jammer unserer Vergangen heit und Gegenwart zu danken haben, ist wohl noch nie mit dieser Offenherzigkeit als Quintessenz und höch stes Ziel ultramontaner Gedankenwelt bezeichnet wor den. Aber damit noch nicht genug. Der päpstliche Ge heimkämmerer setzt auf diese eine Provokation sogleich die zweite und schreitet zu einer Herausforderung unseres monarchischen Gefühls, die in grell ster Beleuchtung zeigt, was alles wir uns be- reitsbietenlassenmüssen. König Friedrich Au gust von Sachsen hat es bekanntlich trotz oder vielleicht gerade wegen seines katholischen Bekenntnisses für ge boten erachtet, in einem Handschreiben an Pius X. ge gen die Beschimpfung der Borromäus-Enzyklika Ver wahrung einzulegen. Man hat eine Zeitlang dazu ge schwiegen, jetzt aber hält der Ultramontanismus den Augenblick für günstig, dem aufrechten Wettiner die Antwort des Zentrums zu geben: „Für die Geschichtsschreiber zur Zeit Pius des Zwanzigsten oder Leos des Dreiundzwanzigsten muß es dereinst zum Totlachen sein, daß ein Duodezkönig, der über noch nicht 15 000 Kilometerquadrate Kultur boden „regiert", dem Papste einen Protest- brief schreibt, dem Papste, welcher Gläubige in fast 2000 Bistümern, Vikariaten, Präfekturen und Dele gationen leitet." Wir enthalten uns jeder Bemerkung dazu. Wir stellen aber fest, daß die „Köln. Volksztg." auf die Frage, was denn die Zentrumspresse dazu sage, die höhnische Erwiderung hat, Herr Dr. Mathies sei als geborener Hamburger ja von Hause aus — Repu blikaner ! Das Zentrum hat in schlechten Zeiten immer Wert daraus gelegt, durch geflissentliche Anpreisung seiner monarchischen Gesinnung die Ungunst der Verhältnisse zu wandeln. Hier sieht man, daß es sich auch mit einem „Republikaner" abfindet, wenn er gleichzeitig ein „treuer Sohn seiner Kirche" ist. Und gleichzeitig weiß die „Germania" der befreundeten und in vielen Wahlnöten treu bewährten Sozialdemokratie höchste Anerkennung zu zollen: „Wenn von einem den Kapi talismus prinzipiell anerkennenden Revisionismus der sittliche, ethische, völkische Kern aus der Weltanschauung der Sozialdemokratie her ausgebrochen wird, dann wird diese Weltanschauung bald ihre unzweifelhaft große Macht über die Gemü ter der deutschen Arbeiter verlieren." — «Zeichen der Zeit! Wir hoffen, daß sie verstanden werden. Tagesgeschichte. Deutschland. — ZumBesuchdesKaiserpaaresinBrüs- sel. In Erwiderung des Besuchs, den König Albert von Belgien mit seiner Gemahlin Ende Mai d. I. am Kaiserlichen Hoflager in Potsdam abstattete, trifft das deutsche Kaiserpaar heute Dienstag in der belgischen Hauptstadt ein. Man wird sich erinnern, daß die erste Äntrittsvisite, die das Königspaar nach seiner Thron besteigung im Auslande machte, dem Berliner Hofe galt, und man folgerte daraus, daß König Albert ent schlossen sei, die Beziehungen zu Deutschland mehr zu pflegen, als dies unter Leopold II. geschehen war, auf welchen bekanntlich Paris eine große Anziehungskraft ausübte. Unser Kaiser mußte sich in jenen Tagen, als die belgischen Herrschaften in Potsdam weilten, wegen eines Furunkels Schonung auferlegen und bei den offiziellen Veranstaltungen durch den Kronprinzen vertreten lassen. Wenn er schon jetzt mit der Kaiserin den Besuch erwidert, so sprach dabei der Wunsch mit, die Weltausstellung, die sich ihrem Schlüsse naht, und namentlich die deutsche Abteilung, die nach überein stimmendem Urteil Hervorragendes geleistet hat, zu be sichtigen. Kaiser Wilhelm ist, seit er den Thron bestie gen hat, noch nicht in Brüssel gewesen. Als er im August 1890 in Belgien seinen Antrittsbesuch machte, geschah dies in Begleitung seines Bruders, des Prin zen Heinrich, zu Ostende, wo König Leopold weilte. Die öffentliche Meinung des Landes begrüßte damals den Kaiser sehr lebhaft, und die von französischen Blät tern aus Anlaß jenes Besuchs gegen den Kaiser ge- gerichteten Angriffe wurden von der gesamten bürger lichen Presse Belgiens scharf zurückgrwiesen. Gegen über den jetzt von den Brüsseler Sozialisten eingelei teten, ebenso zwecklosen wie unangebrachten Demon strationen gegen den Kaiserbesuch sei daran erinnert, daß im Jahre 1890 bei der Anwesenheit Kaiser Wil helms in Ostende der dortige „Verein der Arbeiter zum Schutze der Lehrlinge" an den hohen Gast eine Adresse sandte, worin der kaiserlichen Wirksamkeit für die sozialen Aufgaben rühmend gedacht und dem Wun sche Ausdruck gegeben wurde, die Geschichte möge den Monarchen einst mit dem Titel „Kaiser der Arbeiter" benennen. Wenn Kaiser Wilhelm II. heute weniger be geistert als vor zwei Jahrzehnten den sozialen Auf gaben gegenübersteht, so trägt daran die Schuld die Sozialdemokratie, welche geflissentlich alles, was in be zug auf Arbeiterfürsorge getan worden ist bezw. noch getan wird, in den Staub tritt. Es wäre zu wünschen, daß die freundlichen Gesinnungen, welche vor zwan zig Jahren jene belgischen Arbeiter für den Kaiser heg ten, diese ^Spanne Zeit überdauert haben. Gar mannig fach sind die Fäden wirtschaftlicher und geistiger Na tur, welche uns mit dem hochentwickelten Nachbarlande verbinden, und es liegt im Interesse beider Staaten, die Beziehungen zueinander eifrig zu Pflegen und weiter auszubauen. Dazu trägt hoffentlich der Besuch des Kaiserpaares in Brüssel recht viel bei! — Das Zarenpaar ist Montag vormittag von Friedberg nach Schloß Wolfsgarten bei Darmstadt über gesiedelt. — Die Redner des Deutschen Reichsta ges. Das Sprechregister über die Reichstagsverhand lungen im letzten Sessionsabschnitte ist im Reichstage jetzt ausgegeben worden und gibt Ausschluß über die Redetüchtigkeit der einzelnen Abgeordneten. Während etwa 150 Abgeordnete niemals rednerisch hervorgetre ten sind, hat eine Reihe der bekannteren Abgeordneten es zu ziemlich hohen Zahlen gebracht. Bemerkenswert ist, daß nicht immer die Führer der Parteien das große Wort führen, denn Bebel, der allerdings lange Zeit krank war, sprach nur achtmal, sein Antipode, Herr von Normann, nur sechsmal. Die meisten Reden hielt, wie in allen Sessionen, der Zentrumsabgeordnetc Erz berger, der über fast alle Gebiete sich ausließ; er brach te es auf 370 Reden, so daß er im Durchschnitt täglich zweimal sprach, er hat fast so oft gesprochen, als die beiden nächsten Vielredncr zusammen, nämlich Dr. Müller-Meiningen (228 Reden) und Gothein (150 Re den). Ueber hundertmal haben das Wort ergriffen: Ledebour (142), Gröber (126), Gamp (122), Dr. Görke (Brandenburg) (120), Werner (118), Behrens (113), Bas sermann (110), Dr. Wiemer (106), Dr. Semler (102). Es folgen Dr. Arning (97), Liebermann von Sonnen berg (87), Linz, Ztr. (82), Dr. Mugdan (82), Dr. Arendt (Mansfeld) (80), Dr. Junk (Leipzig) (74), Frhr. von Richthosen-Damsdorf (72), Dove (72i, Motkcnbuhr (68), Lattmann (68), Dr. David (64), Dr. Dröscher (60), Kämpf (60). Die meisten Vielredner hat die national liberale Fraktion aufzuweisen, es folgt das Zentrum, das nach der Zahl der Reden dank Erzberger über haupt an der Spitze steht, am maßvollsten sind die Konservativen. — Die elsaß-lothringische Verfas- ungsfrage. Die „Straßburger Neue Zeitung" läßt ich aus Berlin telegraphieren, daß die Entscheidung iber die elsaß-lothringische Verfassungsfrage, mit der ich bekanntlich das preußische Staatsministerium in einer letzten Sitzung beschäftigte, noch nicht gefallen sei. Sie wäre vielmehr auf unbestimmte Zeit vertagt wor den, da sich Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Ministeriums sowie bei einigen großen Bundesstaaten über das Wahlrecht und die Zusammensetzung der Ersten Kammer ergeben hätten. Auch über das Stimmrecht im Bundesrat hätte man sich nicht einigen können. Oesterreich-Ungar«. — Der künftige Kaiser von Oe st erreich. Der „Daily Chronicle" bringt die Ansicht, welche ein englischer Abgeordneter, der eben von einer Studien reise aus Oesterreich zurückgekehrt ist, während seines dortigen Aufenthaltes über den österreichischen Thron folger gewonnen hat. In Oesterreich-Ungarn mache sich der Einfluß des Thronfolgers immer unverkenn barer geltend. Bor allem sei die entschlossene Tat der Annektion des Okkupationsgebietes von Bosnien und der Herzegowina zu erwähnen, ferner sei die stets in niger werdende Befreundung mit dem deutschen Kai ser von weittragender Bedeutung. Der Einfluß und die Macht des österreichischen Staates sei in den letzten Jahren ganz bedeutend gestiegen, und derselbe Staat, dessen drohende Auflösung man vor wenigen Jahren stets voraussehen wollte, sei heute in einem Zustande des Aufblühens und rapid fortschreitender Entwicklung. Hinter all diesen bedeutungsvollen Momenten will der Verfasser die energische und sehr zielbewußte Persön lichkeit des österreichischen Thronfolgers sehen. Schweiz. — Ablehnung der Verhältniswahl. Das Schweizer Volk hat am Sonntag bei der Abstimmung mit 262066 gegen 238928 Stimmen das von 142000 Bür gern gestellte Jnitiativbegehren betreffend die Einfüh rung der Verhältniswahl für die Wahlen zum Natio nalrat verworfen. Portugal. — Die Staatsschuld Portugals. Ueber die Staatsschuld erfahren die Lissaboner Blätter, daß die^ Gesamtschuld des Landes sich auf 825 Millionen Mark belaufe. Türkei. — Saloniki, 24. Oktober. Wie aus der Provinz gemeldet wird, machen sich in letzter Zeit wieder ver schiedene bulgarische Banden bemerkbar. Es ist schon zu mehreren Zusammenstößen gekommen. So wurde eine Bande, deren Chef den Befehl erteilt hatte, in mehreren Gemeinden die von ihm gefällten Todesurteile zu vollstrecken, vollständig aufgerieben. Eine andere Bande wurde in der Umgegend von Ku- manovo in die Flucht geschlagen. Seitens der Behörden sind alle Maßnahmen getroffen worden, um dem Ueber- handnehmen der Banden Anhalt zu tun. Griechenland. — Die griechische Krisis. Der König von Griechenland hat, wie aus Athen gemeldet wird, das Entlassungsgesuch Venizelos nicht angenommen und er klärte ihm, das Nichtvorhandensein einer beschlußfähi gen Zahl von Deputierten bedeute keineswegs einen Mangel an Vertrauen, Und bestand darauf, das Kabinett solle wieder vor der Nationalversammlung erscheinen. — Ein Zug von ungefähr 20 (DO Personen übergab in Abwesenheit des Königs dem Kammerherrn eine Adresse, in der der Monarch gebeten wird, das Reform kabinett Venizelos zu unterstützen. Der König tele phonierte aus Tatoi, daß er wünsche, Venizelos möchte die Gewalt behalten. Der Zug marschierte dann vor dem Hause Venizelos vorbei, der vom Balkon eine Ansprache hielt und dabei erklärte, die Machenschaften der Reaktionäre würden vereitelt werden dank der Zu sammenarbeit von König und Volk zur Verwirklich ung des Reformprogramms. Die Menge brachte Ve nizelos wiederholt Beifallskundgebungen dar. Die Ruhe wurde nicht gestört. Japan. — Neue Flottenforderungen. Wie aus Tokio gemeldet wird, erklärte der Ministerpräsident Marquis Katsura auf einem Bankett der Kaufleute, das einzige Neue in dem nächsten Budget werde die Zuwen dung von 70 Millionen Yen für die Vermehrung der Flotte fein. Die Summe solle auf sechs Jahre verteilt werden. Der durch die Ueberschwemmungen verursachte Schaden und die Kosten der Annektion Ko reas würden das Budget nicht wesentlich beeinflussen. Es werde möglich sein, dieses aufzustellen, ohne zu einer Anleihe Zuflucht zu nehmen. Der Minister er klärte, der Plan, Schatzkammcrbons im Betrage von 50 Millionen Yen jährlich einzulösen, sei nicht geän dert worden.