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24. Zahrgang Aus dem Haag be- der die Saarverhanölungen km September Die deutsch-französischen Besprechungen über Vie Saarfrage sind laut „Bosstsche« Zeitung" inzwischen soweit gediehen, daß, noch heute in einem Brief wechsel zwischen Stresemann und Briand vereinbart werden wird, die offiziellen Saarverhandlungen im Laufe des September aufzunchmen. Beginn des Abzuges der englischen Rheinarm« am 14. September Wie das KriegSamt in London ankündigt, wird der Abzug der Rheinarmee am 14. September be ginnen und binnen drei Monaten beendet fein. Vie Augestün-nkye -es Schachtbriefes Gerücht« oder Wahrheit? Der Schacht-Brief ist immer noch nicht Veröffent licht worden. Die Folge davon tft, daß, di« Gerücht« um diesen Brief sich fortgesetzt steigern. So verlautet jetzt, daß der Brief den Gläubtgermächten gewWV- leiste, daß an den Grundsätzen für die Wahl und dis Zufamrnensehung des DerwalruugsrateS und Vorstan des nichts geändert wird. Außerdem sollte das Per- smu-i der Reichsbahn wie bisher so auch fernerhin der unabhängigen und selbständigen Verwaltung untev- stehen, ohne daß dem Reiche künftighin Einfluß auf dis Personalvcrhältnisse de« Reichsbahn eingeräumt würden. Man hört auch, daß die Reichsbahn mit ihren Lohntarifen künftig nicht mehr den behördlichen Schlichtungsstellen unterstellt sein solle.. Um diesen und anderen Gerüchten entgegenzutreten, wäre e- wohl das Beste, wenn der Brief endlich de« Oeffent- lichkeit übergeben würde. Die zehnte Dölkerbunüs- Versammlung Eine üble Erbschaft — Hoffnungen und Befürchtung«, Alte Ladenhüter — Britische Winde Unter dem Vorsitz des persischen Ratsmitgli-ebes Forughi, Botschafter in Angora, ist heute vormittag kurz nach 11 Uhr der Völkerbundsrat zu seiner 56. Ratstagung in Gens zusammen getreten. Oie Onterzeickmmg cler Haager Vereinbarungen Die Sitzung, in der gestern zwischen den sechs ein ladenden Mächten die Dokumente über die Politische Einigung ausqetaufcht wurden, begann erst um 12 Uhr und war etwa .um.12,30 Uhr beendet. JaSpar eröffnete die Verhandlungen- D-r eng lische Außenminister Henderson als Vorsitzender des Politischen Komitees wiederholte den bereits gemel deten Bericht des Politischen Komitees, betonte die Einstimmigkeit dieses Beschlusses und verlas den von den Besatzungsmächten an Reichsaußenminister Dr. Stresemann gerichteten Brief, der den Kommissions bericht im einzelnen bestätigt. Tann wurden die drei Anlagen zu diesem Briefe Verlesen, die dis Einzel heiten bezüglich der Räumung und de« Amnestie wie bei der Räumung der ersten Zone enthalten. Dir. Stresemann verlas hierauf die deutsche Antwort, die gleichfalls in ausführliche« Wiederholung der getroffenen Vereinbarungen das deutsche Einver ständnis damit erklärt. Hieran schloß sich dis Unterzeichnung diese« Briese durch die Delegierten de« sechs einladenden Mächte, die in feierlicher Form unter Benutzung eines besonderen goldenen Füllhalters geschah. Nach der Unterzeichnung wurden zwischen den Delegierten unter dem Beifall der übrigen Teilnehmer an de« Sitzung Händedrücke aus getauscht. Henderson verlas darauf das Protokoll, in dem die Bestimmungen über die Regelung der Frage der Vergleichskommission festgelegt sind, das dann von den Delegierten der fünf Locarnomächte unterzeichnet wurde. Hierauf überreichte Henderson als Vorsitzender der Politischen Kommission dem belgischen Minister präsidenten Jaspar als Konferenzvorsitzenden den für die Unterzeichnung der Schriftstücke benutzten goldenen Füllfederhalter als Andenken. Kaspar dankre und tonte die symbolische Bedeutung dieses Vorganges, ihm nicht nur eins materielle Erinnerung für Zukunft gebe. die Uebergangszeit bis zum Inkrafttreten -es Houngplanes 8m Verlauf der gestrigen Beratungen des Finanzkomitees ist auch sine Einigung über die Frage der Übergangszeit vom 1. September bis zum Inkrafttreten des Noungplanes erreicht rvotden. Es ist bekannt, daß Deutschland wegen dieser Frage in dem Augenblick der Krisis der Konferenz einen Schritt bei den übrigen Delegationen unternommen hatte. Es liegt jetzt zur endgültigen Annahme für die heutige Sitzung 1. eine Erklärung vor, wonach die Gläubigermächte während der Uebergangszeii nicht mehr, als nach dem Noungplane ihnen zukäme, beanspruchen dürfen. Es wird also vorläufig ab 1. September und ohne zeit liche Begrenzung auf den Transfer derjenigen Beträge verzichtet, die die Raten des Aoungplanes übersteigen. Das ist für die spätere Adaptation wichtig, weil Uebertragungen nach dem Aus land dem künftigen Schema entsprechen und weil außerdem eine gewisse Erleichterung des Geldmarktes durch die geringere Inan spruchnahme von Devisen zu erwarten ist. 2. wird bestimmt, daß die Zahlungen an den Reparationsagenten von Deutschland wei ter nach dem Dawesplan geleistet werden, daß der Reparations agent aber alle Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Lage der deutschen Finanzen zu erleichtern. Die Anweisung zu einem der artigen Verfahren gilt vom 1. Oktober bis zum Ende des lausen den Jahres oder demjenigen früheren Zeitpunkt, an dem der Uoungplan in Kraft gesetzt wird. Die Terminsetzung des 1. Ok tober bedeutet einen Vorteil insofern, als für den Monat Sep tember die Daweszahlungen um etwa zehn Millionen unter den vorgesehenen Leistungen des Uoungplanes liegen. Eine Vereinbarung über die Kosten der Uoungplan-Kommistion In der Frage zur Klärung der Rechtsfragen und der Kosten für die zur Ingangsetzung des Uoungplanes erforderlichen Kom missionen ist im Plane selbst eine Regelung ähnlich derjenigen der Be atzungskosten vorgesehen. Es ist deshalb eme Verein barung getroffen worden, wonach diese Regelung entsprechend derjenigen, die nun praktisch für die Desatzungskvsten erfolgt ist, durchgesührt wird. Deutschland zahlt einen Betrag von 6 Mil lionen Mark aus den Dawesannuitäten für diesen Zweck, jedoch nicht a fonds perdu, sondern es wirb nach Abschluß der Kom missionsarbeiten Rechnung über die Verwendung gelegt, und die Ueberschüste werden an Deutschland zurückerstattet. Die französische Prege zufrieden Die Pariser Morgenpresse, die über den Verlauf der Verhandlungen im Haag umfangreiche Berichte üffentlicht, legt, soweit sie schon zu dem Ergebnis Stellung nimmt, .in der Mehrheit Zufriedenheit an den Tag, während die rechtsstehenden Blätter sich zu rückhaltend und skeptisch »eigen. Die Politik cker Woche Rund um die Welt — Der Diplomatenkampf i« Haag — Bürgerkrieg i« Palästina — Die Panislamiltsche Bewegung < Li "Ah. A spMch« Soffchrer Magalhaes Im September 1519 mit fünf kleinen Schiffen von Sevilla ausfuhr, um die Welt zu umsegeln, wußte er nicht anzugeben, ob und wann er seine Fahrt um unseren Erdball beenden würde. War doch da mals selbst noch die Kugelgestalt unserer Erde umstritten. Ma galhaes hat durch sein kühnes Unternehmen den Beweis für die Kugelgestalt unseres Planeten erbracht, wenn er auch selbst nicht mehr in seine Heimat zurückkehren sollt«, da er am 27. April 1521 nr Kampf gegen die Bbwohner der kleinen Insel Maetan fiel wn seinen Schissen vollendete nur «ins die erste Erdumsegelung, ie weit über drei Jahre dauerte. Jetzt hat „G ras Zeppeli n" oo.r Lakehurst ausfahrend, den ganzen Erdball in 20 Tagen und , Stunden umslogen7 Der Vergleich des ersten Weltumflugs mit der erften Weltumsegelung zeigt die Größe der geschichtlichen Bedeutung des Ereignisses und der Stunden, die wir in den letz ten Tagen durchlebten. Die Amerikaner waren sich dieses ge- sichtlichen Ereignisses voll bewußt. Das beweist die Botschaft ihres Präsidenten Hoover an Dr. Eckener, der glänzende Empfang der Führer und Mannschaft des Luftschiffes in Neuyvrk und bas Echo des Aeppelinflugs in der öffentlichen Meinung der Ver- einigten Staaten Amerikas. Mit freudiger Genugtuung nehmen wir die Freudenbotschaften aus Amerika zur Kenntnis und wün schen nur, daß sie sich auch wirtschaftlich und politisch zur Wohl- fahrt unseres Volkes auswirken mögen. Im Haag ist man nach dreiwöchentlicher Reparatlonskrisis endlich zu einer Lösung der Finanzfragen unter den Gläubiger- Mächten gekommen. Die Einigung erfolgte nach dreiwöchentlichem Kampfe auf Kosten Deutschlands. Darüber kann sich niemand einer Täuschung hingöben. Die Franzosen und Belgier kamen den Engländern nicht entgegen und die Italiener begnügten sich mit einigen Zugeständnissen in den Sachlieferungen. Der englische ^chatzkanzler Snowden aber hat einen 80prozentigen Erfolg zu erzeichnen. Der „eiserne Kanzler" ist jetzt der Held Englands und wird von der gesamten britischen Bresse oyne Unterschied ver Parteirichtung gewaltig gefeiert, weil er das englische Pre stige in der Außenpolitik wieder herstellte. In der öffentlichen Meinung Englands ist der Beschwichtigungsrat Chamberlain, der große Franzosenfreund, völlig unter die Räder geraten. Nachdem sich die GläudigermSchte geeinigt hatten, war die tak tische Lage der deutschen Delegation äußerst ungünstig geworden. Die Engländer hatten zu Lasten des deutschen Volkes ihre Schäft lein ins Trockene gebracht, die deutsche Delegation hatte ihre politischen Forderungen aber erst noch durchzusetzen, nachdem >nan ihr die besten Trümpfe bereits aus den Händen genommen hatte. Zur allgemeinen lleberraschung brach mitten in den Haager Verhandlungen im.gelobt en Lande der Bürgerkrieg aus. Im Vordergrunds einer diplomatischen Berichterstattung steht zwar der Kampf um die Klagemauer in Jerusalem, der seit Monaten zwischen Arabern und Juden tobt. In Wahrheit han delt es sich aber darum, ob Palästina, das gegenwärtig britisches Mandatsgebiet ist, zu einem zionistischen Staat umgewandelt werden soll oder ob es ein von drei Religionen bevölkertes neu trales Gebiet bleibt. Würde es sich bei den Kämpfen in Palä stina nur um die Klagemauer in Jerusalem handeln, dann wäre es ganz unverständlich, weshalb die Erhebung der Araber gegen die Juden durch das ganze Land zieht, weshalb sie auf Trans jordanien, Syrien und Arabien Übergriff und weshalb sie im Judentum der ganzen Welt ein solch lautes Echo fand. Die eng lische Regierung lavierte in den letzten Monaten hin und her. Sie glaubte nicht an «ine ernste Erhebung der Araber, erst recht nicht an den Ausbruch eines blutigen Bürgerkrieges. Erst als es zu spät war, wurden Truppen aus Aegypten und Mal'o heran gezogen und Kriegsschiffe nach dem heiligen Lande beordert. Trotzdem ging das Blutvergießen weiter, bis englische Truppen in genügender Stärke in den größeren Städten Palästinas er schienen waren. Der Aufstand der Araber lenkt unsere Aufmerksamkeit hin auf die allislamitische Bewegung, die in den letzten Jahren sich im ganzen vorderen Orient immer lebhafter bemerk- bar machte. Man würde Kemal Ghasi fraglos unrecht tun, wenn man ihn persönlich mit dieser Bewegung in Zusammenhang brächte. Gleichwohl stehen zahlreiche seiner engsten Mitarbeiter mit ihr Hl engsten Zusammenhang. Hinter dem syrischen Aus stand gegen die Franzosen standen gleichfalls dir Sympathien aller Mohammedaner des vorderen Orients. Kaum hatten sich jetzt die Mohammedaner Palästinas gegen die Juden erhoben, als auch schon ihre Glaubensgenossen in Kairo sich erhoben und mit einer Riesenkundgebung zur Unterstützung des Mohammeda- nertums im Kampf gegen das Judentum aukusordern. Schon regt sich auch Indien. Biel näher aber liegt der Hedjas, in dem Ibn Saud, der rechtgläubige Moslem, herrscht, der alle Ungläu bigen am liebsten mit Feuer und Schwert vernichten würde. Gr hat soeben «inen Fveundschaftsvertrag mit Persien abgeschlossen, steht wegen eines gleichen Vertrags in Unterhandlungen mit Kemal Ghasi, hat aber trotz aller Bemühungen des englischen Oberkommissärs in Bagdad, Eir Gilbert Llaytons, einen ähn lichen Vertrag mit dem Irak abgelehnl. Ibn Saud ist kein Freund der Engländer. Er versuchte erst ln den letzten Wochen, neue und bessere Waffen, als sie ihm die Engländer liefern, aus Dänemark zu erhalten, um der englischen Waffenkorttrolle zu entgehen. Offenbar Hal Ibn Saud auch jetzt die aufständischen Mohammedaner mit englischen Waffenn versorgt, um dadurch den Aufstand der Mohammedaner in Palästina recht blutig zu gestalten und den Engländern möglichst große politische Schmie- rigkeiten zu bereiten. Da» ist ihm nicht schlecht geglückt. Von den 54 Staaten, die gegenwärtig dem Genfer Völker bund angehören, werden 53 auf der Völkerbundstagung vertre ten sein, die am nächsten Montag eröffnet wird. Argentinien allein hält sich fern. Eine bessere Vertretung läßt sich kaum wünschen. Dieses Mal ist sie geradezu überraschend, zumal schwere Schatten auf der bevorstehenden Tagung liegen. Die letzte Aölkerbundsversammlung vom September 1928 hinterließ eine Enttäuschung nach der anderen. Obwohl «ine Reihe von Fragen spruchreif war, wurde keine einzige gelöst. Da gegen hatte Briand in der „potentiellen Kriegsstärke" Deutsch lands eine neue Erfindung gemacht, die allgemeines Staunen erregte. Mit anerkennenswerter Offenheit setzte dagegen der ungarische Vertreter Graf Appony die ganze Un-Haltbarkeit der Lage auseinander, als er die großen Gegensätze zwischen den ununterbrochen weiterrüstenden Nationen einerseits und den ent waffneten Nationen andererseits herausarbeiie-te, die sich nicht einmal gegen die Greuel eines chemischen Krieges schützen können. Die Stagnation der Adrüstungsoestrebungen war vollkommen. Dagegen wurde die Slot der nationalen Minderheiten -um ersten Maie auf Betreiben Deutschlands etwas ernstlicher an-gefaßt. Inzwischen ist einweiteres Arbeitsjahr des Völ kerbundes abgelausen. Das Ab rüstungs Problem kam kaum einen Schritt voran. Zunächst ist die «weite Lesung des Doreniwurfes. der überhaupt nur ein« Scheinlösung bringt, noch nicht beendet. Der -Inhalt dieses Entwurfes ist derart, daß der deutsche Vertreter, G r a f B e r nst o rks, in der letzten Sitzung des Vorbereitenden Ausschußes klar und schaff von ihm «drückte und die volle Verantwortung für die weiters« Folgen den wett rüstenden Großmächten überließ. Was Wunder, daß unter die sen Umständen auch die -Kontrolle der Waff« nher - st ellung nicht vorwärts kam. Deutschland und alle übrigen Staaten, die abgerüstet haben oder keine Munitionsindustne be sitzen, ver-lungbli gleiche Oeffentiichkeit für die Herstellung wie für den Handel mit Waffen. Lasten sich die Franzosen und ihre Verbündeten daraus nicht ein, dann werden die meisten Länder, die über keine Waffenindustrie verfügen, auch das Wafsenhan- delsäbkommen von 1925 nicht ratifizieren. Aiff wirtschaftlichem Gebiete hatte die Weltwirt- schaftskonfereng Grundsätze aufgestellt, die in der ganzen Wett lebhaft begrüßt wurden. Dennoch ist, wie Dr. Lamm«r», der deutsche Vertreter -im Wirtschaftsausschuß des Völkerbund«, jüngst erklärte, die -ollpolitisch« Lage Europas beklagenswert. Wohl fehlt «s nicht an wissenschaftliche« Erkenntnist«,, an handelspolitischem guten Willen. Di« Lage ist so rxrfchren, auf der letzten Tagung de» beratend«« WirtschapsauBchusi«» «r Auer Tageblatt Anzeiger Dr -as Erzgebirge Nr- 204 Sonntag, cken 1. September 1S2S