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Adorker Wochenblatt. M i t t h e i l n n g e n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Zehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bci Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung des Blattes Lurch Botengelegenheit: SU Neugroschcn. ^-31. Erscheint Jeden Mittwoch. 30. Inli t84o. Das neunte Gefangfest. (Beschluß.) Unter prächtiger Instrumentalmusik setzte sich der Zug in Bewegung und begab sich den Markt hinauf in die Kirche zur Hauptprobe. Diese war der auf fallendste Schattenpunkt des ganzen Festes. Alles trug dazu bci, die Sänger zu langweilen. Diejeni gen Sätze, welche Instrumentalbegleitung hatten, muß ten oft wegen des Orchesters mehrmals wiederholt werden, wahrend die Musikanten recht gut diese Par- riren vorher hätten üben können. Ein größeres Quar tett, das füglich ganz ohne die Gegenwart der Ge- sammtheit hätte geübt werden sollen, nahm beinahe Z Stunden Zeit weg. Die Chöre selbst waren von manchen einzelnen Vereinen sehr leichtfertig oder gar nicht eingcübt. Die traurige Redensart: „die Ande ren werden es schon gelernt haben, wir singen ein Bißchen mit",— einen Ausdruck großen Mangels an Begeisterung, habe ich auch in diesem Jahre daheim bei manchen Vereinen, wie früher, gehört. Um so be trübender war es, daß die große Mehrzahl der Sin genden schon nach kurzer Zeit aus der Kirche fortlief, und statt der 3 volle Stunden dauernden, allerdings sehr ermüdenden Probe beizuwohnen, sich am Billard oder am Trinklische vergnügte. — Endlich war auch dieser Stein des Anstoßes (die ziemlich mißlungene Probe nämlich), den man gewiß auch dadurch noch beseitigen könnte, daß man die besten Sänger eines jeden Vereins zusammcnstellte, und dadurch, daß die Nachbarvereinc, wie z. B. Treuen, Lengenfeld und Auerbach,— Netzschkau, Mylau und Reichenbach eine Vorprobe hielten, vorüber — und mit starken Schrit ten sah man die Hungerigen den gastlichen Thüren der Auerbacher zuschreiten. Lasten wir diese jetzt im traulichen Gespräche am Familientischc sitzen und essen und trinken, und folgen wir dem Zuge derer, die wie der hinaus in. die „Harmonie" eilen, um dort ein gemeinschaftliches, ziemlich mageres Mahl einzuneh- mcn. Desto lebendiger trank und redete man dort. Der Cantor von Plauen brachte einen Toast auf den Volksschullehrerstand, der doch der Stifter der voigt- ländischen Gcsangfcste sei.— Obgleich nun dieß wahr ist, so finden wir doch die Folgerung, daß nun auch jetzt noch das Gesangfcst den Namen: Männergesang- fcst des Voigtländischen Volksschullchrervereins, be halten müsse, eine unerfreuliche. Laßt immerhin die Lehrer die Veranlassung sein — ist's doch ihr Beruf, das Volk heranzubilden! — jetzt ist das Fest nicht mehr Verein der Lehrer — es hat diese enge Schranke bereits überschritten und wird und soll es immer mehr, damit es ein rechtes Volksfest werde. Ist doch ohne hin bei uns das Gesangfest noch die einzige Gelegen heit, das Volk zum Bewußtsein seiner selbst, zum Gefühl der Gesammthcit zu bringen. Darum nicht mehr „Lehrerfest", sondern schlechthin: „Voigtländi-- sches Gesangfcst". So mochte wohl auch Sammler aus Altensalz meinen, als er kurz nach dem Cantor austrat: „Nicht ein einziger, alle Stände sollen le ben — wcnn's aber einmal einer sein sollte, so laß ich den Widerstand leben". Und nun berührte er in Kurzem alle Oppositionspunkle der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit. — Daß er dabei manches früher in Reichenbach Gesprochene fast wörtlich wie derholte und daß er obendrein am Nachmittag mit seinem -Vereine ein Liedchen sang, wobei er abermals auf die Schneidemühle, Johannes Ronge u. s. w., Gegenstände, die die periodische Presse fast zu Tode . gehetzt hat, zu sprechen kam, war gewiß nicht zu sei nem Vortheil. — Er selbst fand auch sogleich den Stand, den er eben Halle leben lassen, den Widerstand in der Person deS „großen" Thieme von Mylau: „Mit dem Widerstande ist's Nichts, mit dem Rückstand und Abstand auch Nichts: so soll der Bestand leben". DaS fand denn auch freudigen Anklang, weit gewiß