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Soansbenä» äen 21. Juli 1928 23. Jahrgang Der Aelchsrat genehmigt die Lohnsteuersentung die Popttz, auch die ReichSregrerrmg sei mit dem «eich»' rat darin einig, daß in diesem Falle grundsätzlich der Weg über den LieichSrat der normal« sei. Gr werd« auch beschritten werden^ wenn im Herbst weitere A«- derungen der Steuergesetze notwendig werden sollt«. Für die Vertreter der Provinzen Ostpreußen. Brandenburg, Pommern, Ntederschlesien und West« falen gab der von Ostpreußen bestellte Bevollmächtigte. Fchr. v. Gahl, eine Erklärung zu Protokoll, um zu begründen, warum diese Provinzialbevollimüchttgtrn im vorliegenden Falle gegen das preußisch« Staat-Mini sterium mit Bayern für die Erhebung de» Einspruches stimmten. In der von Bayern beantragten namentlich« Ml- stimmung wurde der Einspruch mit 38 gegen 30 Stim men ab gelehnt. In schneller Beratung erledigt« der Reichsrat dann die übrigen 25 Punkte der Tages ordnung. Der ReichSrat vertagte sich dann bis Ende September. Für die nächste Vollsitzung ist der 27. September in Aussicht genommen. Auffassung aller am -Rettungswerk Beteiligten hoben WM die in den zerstörten Wagen befindlichen Reisen den durch Quetschungen und die erhebliche Splitter wirkung der ineinander und übereinander geschobenen Holz- und Eisenteile den sofortigen Tod gefunden. Durch die Anwendung von Schneidebrennern zur Rettung der Verletzten entstand ein Brand. Das Feuer konnte je doch bis zur Rettung der schwerverletzten Reisenden niedergchalten und die Bergung durchgeführt werden. Tie Gesamtlage an,dep Unfallstelle Hat sich etwa um 22.25 Uhr dadurch erheblich verschlechtert, daß sich plötz lich von dem letzten Wagen her ein Brandherd ent wickelte, der in der Polsterung dieses Wagens reiche Nahrung fand und in wenigen Augenblicken auf den vorletzten Wagen Übergriff. Etwa 15 Minuten vor dieser Wendung wurde von der Unfallstelle aus die i» Pf«»»!« Der ReichSrat lehnte gestern mit 38 gegen 30 Stimmen Anträge, gegen das LohnsteuersenkungSgesetz Einspruch zu erheben, ab. .Das Gesetz ist damit end gültig beschlossen. Der Reichsrat Hielt gestern seine letzte Vollsit zung vor der Sommerpause ab. Im Mittelpunkt des Interesses stand die Frage, ob gegen das vom Reichstag beschlossene Gesetz zur Aenderung des Einkommensteuer gesetzes (Senkung der Lohnsteuer) Einspruch.eingelegt werden soll. Der Berichterstatter, Preußischer Ministerialdirektor Brecht, trug kurz vor: Der Reichstag.hat auf Initiativantrag beschlossen, daß die Lohnsteuer, die schon durch Gesetz! vom 22. Dezember 1927 um 15 v. H.. höchstens zwei Mark monatlich- herabgesetzt worden ist, in Zukunft um 25 v. H., Höchstens drei Mark, monat lich, gekürzt werden soll. Diese Kürzung soll nicht nur, was bisher, den Einkommen bis zu 8000 Mark, sondern bis zu 15 000 Mark zugute kommen. Ent sprechend sollen die Steuersätze für die veranlagten Etnkommensteuerpflichtlgen sich! senken. Diese Steuer senkung hängt mit Artikel 4 des Gesetzes vom. 22. Dezember 1927 Mammen, wonach! die Lohnsteuer ge senkt werden sollte, wenn sie im Kalenderjahr 1928 mehr als 1300 Millionen Mark — die im Haushalt angesetzte Summe — ergibt. Eine solche Ueberschrei- tung ist bei den bisherigen Sätzen tatsächlich zu erwar ten, und es ist ferner anzunehmen, daß nach! den neuen Sätzen, jedenfalls für 1928, dis 1300 Millionen Mark gesichert bleiben. Der Berichterstatter trug weiter namens der Aus schüsse Bedenken vor. die der ReichSrat gegen das Vor gehen des Reichstages und der NeichSregierung im vor liegenden Falle gehabt habe. Er führte .hierzu aus: „Die Ausschüsse machen auf einen schweren Fehler deS gegenwärtigen Systems der Finanzwirtschaft zwischen Reich und Ländern aufmerksam. Die Ergebnisse der Einkommensteuer stehen zu drei Vierteln den Ländern und Gemeinden zu. Eine Herabsetzung schmälert also weniger die Einnahmen des Reiches als die der Länder und Gemeinden. Die Ausschüsse halten eS grundsätzlich für einen Fehler in der deutschen Finanz wirtschaft, daß der Reichstag, der nach der Reichsver fassung nicht für die Finanzwirtschaft der Länder ver antwortlich ist. Steuern, deren Ertrag den Ländern zusteht, ohne Zustimmung der Länder senken, ja, wie in diesem Falle, darüber beschließen könne, bevor die Angelegenheit dem ReichSrat zur Stellungnahme vor gelegen hat. Diese grundsätzlichen Bedenken sind ganz unabhängig von der Frage, ob die Aenderung der Steuer im Einzelfalle volkswirtschaftlich! oder sozial be rechtigt sei. Es handelt sich dabei evtl, um die Frage des Ersatzes für den Ausfall der Länder. Nachdem der Reichstag dj,e Reichsregierung durch Resolutionen auf gefordert hat, weiter« Steuersenkungen zu erwägen, er warten die Ausschüsse von der NeichSregierung, daß sie solche Erwägungen nur im Zusammenhang mit dem neuen Finanzausgleich unter frühzeitiger Beteiligung der Länder durchführt." Der Berichterstatter beantragt« dann namens der Ausschüsse, diese Erklärung .zu Protokoll zu nehmen, und bemerkte noch, daß die letzten grundsätzlichen Er klärungen Yon dm Ausschüssen einstimmig be schlossen worden sei«. Für Bayern gab der Gesandte von Preger, für Sachsen der Gesandte Gradnauer, .für Württem berg der Gesandte BuSler längere Erklärungen ab, die in dem Anträge gipfelt«, .gegen das Gesetz Ein spruch zu erheben. Für die RetchSregtsruns erklärt« Staatssekretär tionen eingefunden. „ mit der Jn chrift mitgefül grüßen Max Hölz, den Si DK am Münchener Eisenbahnunglück Schuldigen! Berlin, 19. Juli. Der Einheitsverband der! Eisenbahner Bezirk Süddeutschland veröffentlicht «ine Erklärung zur Katastrophe aus dem Münchener Haupt- bahnhof, .aus der das „Berliner Tageblatt" in einer Meldung aus Augsburg folgendes wiedergibt: Drei Stellwerksbeamte hat die Staatsanwaltschaft wegen Verdunkelungsgefahr in Haft genommen. Was können diese armen Teufel verdunkeln? Nichts! Die Gefahr der Verdunkelung liegt vielmehr bei den wirk lich Schuldigen. Die Schuldigen sind: 1. Der Vorstand des BetrtebSamteS l München, NeichSoberbahnrat Will, 2. der für die Betriebsaufsicht Verantwortliche zweite SkationSvorstand, . Reichsbahnoberinspektor Gögler und 3. der die Rangieranfsicht führende Oberbahn inspektor Felser. Den Antrag auf Personalvermeh rung hat der Betriebsvorstand Will rücksichtslos schon seit Jahren Hintertrieben. Schon in: Jahre 1923 sagte ein Vertreter des Eisenbahnerverbandes zu Will, wenn di> Dienstvorschriften eingehallen werden sollen, ist das Personal aus dem Stellwerk- und Rangierdienst zu wenig. Will antwortete darauf: „Wer nach den Vor schriften der Reichsbahn arbeitet, treibt Sabotage und wird bestraft." Falls ein Beamter im Münchener Hauptbahnhof .ich unterstehen sollte — gleich ob im Stellwerk-, Rangier- oder Zugbegleitdienst —, di« Dienstvor schriften einzuhalten, so würde er von seinem Posten als unbrauchbar entfernt. (!!) Unter den Eisenbahnern im Münchener Hauptbahnhof ist bekannt, daß sie niemals die Dienstvorschriften ein halten, weil sonst der ganze Verkehr stockt und sie auch bestraft werden. An diesem Zustande trägt der Betriebsvorstand Will mit die Hauptschuld. Der stell vertretende Stationsvorsteher Gögler hat Schuld in sofern, als er das Vorgehen des BetriebSvorstandes Will unterstützte und nicht dafür sorgte, daß die nötigen Tienstpvsten geschaffen werden. Ter Oberinspektor Felser hat die Oberaufsicht über den Rangierdienst. Er gehört zu den größten PersonalauSnützern. Wo er einen Mann einsparsn kann, tut er es. Vielfach müs sen die Rangierleiter mit nur zwei Mann Herumschu stern. Für den Unglückstag verlangte das Personal aus der BetrieöShütte I, das jetzt verhaftet ist, einen weiteren Mann. Felser lehnt« das mit den Worten ab: „Das muß auch "so gehen." Nach« dem Unfall sagte Felser: Ich Habe das faulste Rangterpersonal. — Daß Felser im kritischen Augenblick den Kops verlor, be weist die Tatsache, daß er, als das Unglück sich ereignet«, auf dem Stellwerk X sich! befand, wo .er Telephon zur Verfügung hatte, die sämtlichen Stellen, namentlich die Fahrdienstleiter, .nicht verständigte. Erst durch, die tu den Bahnhof zurücklehrenden Reisenden konnte man von dem Unglück etwas erfahren. .FelserS Verschulden ist es auch, daß die Sanitäter, der Staatsanwalt, die Feuerwehr und die BahnhofSpvlizeiwachs viel zu spät verständigt wurden. Felser war anscheinend auf die naive Idee verfallen, die ganze Sache vertuschen zu können. Und diese drei höheren Beamten befinden sich! noch auf freiem Fuß, trotzdem gerade bei ihnen Verdunkelungsgefahr am größten ist. wie Sie KekchsbahnSlrektlon München Sie Elfenbahnkataflrophe fleht. München, 19. Juli. Zu verschieden« Presse äußerungen über das Eisenbahnunglück im Münchener Hauptbahnhof am vergangenen Sonntag teilt die Reichs- bahndtrektion München u. a. mit: Auf dem Münchener Havptbahnhof ist der mittlere Teil noch nicht zentrali siert, d. h. die Weich« werden hier noch an Ort und Stelle bedient. Der Umbau für die Zentralisierung ist bereits genehmigt, und 350 000 RM sind als erste Rate hierfür zur Verfügung gestellt. Di« Behauptung, daß das System der Personaletnsparung an dem Unfall Schuld trägt, ist nicht zutreffend. 'Bei der Station München—Hauptbahnhof beträgt gegenüber der Vor kriegszeit die Kopfvermchrung im Bahnhofs- und Ab- ferttgungSdtenst 82 Köpfe ---- 14 Prozent. Daß Be amte am Sonntag von 4 bis 12 Uhr und dann wieder von 20 bis .Montag früh 4 Uhr Dienst hatten, ist richtig. Das Bestreben de- Personals geht allgemein dahin, 'daß eine Reihe von Dienstschichten nur durch die zulässig kürzest« Ruhezeiten getrennt werden, um dadurch dann mehr und längere freie Tag« innerhalb einer Dienstwechselperiod« zu erzielen, als die» bei der Trennung der einzelnen Dienstschichten durch längere Ruhezeit« der Fall wäre. Di« um 21.37 Uhr ange fordert« Htlsszüge trafen um 21.50 Uhr an der Un- fallstelle ein, also 13 Minuten nach! Eingang der Mel- düng beim Oa-nöetriebsamt. Lach Mereinstimnender I städtische Feuerwehr dringend angesordert. An Wasser hat es an der UnfaNstelle nicht gefehlt. Der Brand ist weder durch die Gasbeleuchtung deS ein« Wagend entstanden, noch hat er daduuH eine Wetter« Ausdeh nung gewonnen. Nach den Eintragung« in der Unfall- ruftafel soll das Poltzeikommissariat aM Bahnhos durch den Telegraphist« von dem Unfall uM 22.08 verstän digt worden sein. Der Eingang diese« telephonischen Nachricht wird jedoch von dem PolizeikoMmtssartat nicht bestätigt. Es ist aber immerhin ein Eintragungsfehler möglich. Die Polizeidtrektton und die Staatsanwalt schaft wurden vom Stationsvorstand kurz nach 22.3g Uhr verständigt. Zweifellos Hätte dies« Verständigung sofort erfolgen sollen. Zum Schluß dankt die Reich«, bahndirektion nochmals für die Hilfeleistung durch di« Santtätskolonnen, Aerzte, Feuerwehren, Schutz- und LandeSpoltzei und nicht zuletzt d« vielen Reisend«, die bet dem .Rettungswerk in hervorragendem! Maß« mttgeHolfen Haben. Beschlüsse de- englischen Bergarbeiterverbande-. London, IS. Juli. Die Jahreskonferenz des englisch« Bergarbeitervcrbandes hat mit 620 000 gegen 8000 Stimmen die Entschließung des Exekutivausschusses veS Verbände« ge billigt, in der in scharfer Form die Taktik der Kommunisten und der Minderheit zurückgewiesen wird. Weiterhin wurde eine Entschließung angenommen, in der verlangt wird, daß der Verband seine Propaganda für die Nationalisierung der Bergwerke fortsetzt, da diese Frage für die Neuorganisation der Kohlentndustrie von weittragender Bedeutung ser. Mare Hölz in verlin. Berlin, 19. Juli. Anläßlich des Eintreffen- von Ma- Hölz, der gestern aus dem Zuchthaus Sonnenburg entlasten worden ist, veranstalteten die Kommunisten eine Massendemon stration, zu der heute die Rote Fahne in einer Extraausgabe aufgcrufen hatte. Die Veranstaltung begann vor oem Amt«- aerichtsgebäude Norden auf dem Brunnenplatz, wo sich dis kommunistischen Verbände der umliegenden Stadtteile mit Musik und zahlreichen roten Fahnen versammelt hatten. Max Hölz und Delegierte verschiedener kommunistischer Organisationen hielten Ansprachen, die mit einem Hoch auf die Weltrevolution endeten. Unter den Klängen der Inter nationale bewegte sich dann der Zug durch mehrere Haupt verkehrsstraßen des Nordens nach dem Lustgarten. Hölz hatte mit seinen engeren Bekannten auf einem großen Plattenwagen Platz gcnomnien und antwortete auf die Hochrufe seiner An hänger durch Schwenken einer roten Fahne. Im Lustgarten hatten sich inzwischen die übrigen kommunistischen Organtsa« " Im Zug wurde ein riesiges Transparent mitgesührt: „Die Wedding-Junaproletarter „ Schrecken der Bourgeoisie. Auch im Lustgarten hielten Hölz und Vertreter der kommunistisch« Verbände verschiedene Ansprachen. Zwischenfälle find bisher nicht gemeldet. Einheitliche Ausbildung der Anwälte und Richter. Berlin, 19. Juli. Reichsiustizmtnister Koch-Weser be absichtigt der „Vosstschen Zeitung" zufolge eine Einheitlichkeit der Ausbildung zum Rtchteramt und zur Rechtsanwaltschaft vorzuberetten und durchzusühren. Eine solche Einheitlichkeit kann herbetgeführt werden durch ein einfaches Retchsgesetz, in dem das jetzt bestehende Gertchtsverfassungsgesetz ausgestaltet wird. Die volle Freizügigkeit der Rechtsanwälte kann erreicht werden durch eine Aenderung der RechtsanwaltSordnuna. I« Anschluß daran werden dann wohl Verhandlungen mit v« Ländern stattfinden müssen, um zu einer Vereinbarung zu kommen. RickllnS Begnadigung wird beantragt. ! Paris, 20. Juli. Der französische Justizminister will I nunmehr auch die Begnadigung Ricklins Vorschlägen, nachdem sdas Urteil gegen ihn rechtskräftig geworden ist. Mer Tageblatt Anzeiger Mr das Erzgebirge e-s<«»aftottdUes, enthalte»--I«amtliche«öekaaatmachllngea-«»Rate«-eeSta-tunü-esflmtögerichtsflae. Nr. 16g