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Zreltag, 23. Mai 1S13. Ar. NS. /luer Tageblatt MMer für -as erzgebirge AW mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. Spr-chstmi-, »er tte-akN»« mit -tusnahm» »er Seantag» nachmittag, 4—s Uhr. — relegramm-ftüress» r Tageblatt Meerzgebtrg«. -mmfhrrch«» ss. »»«« «« k»w>k» »», Lchm'Ä'-W-üL ,°M" ra» n°-«laagt tt°g,pm0te Manuskript, kam, Snvtihr nicht S-l-g^ »«»«. s. Jahrgang. Dies« Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Kronprinz Georg von Sachsen, Leutnant a la suite des Garde-Schützen-BataillonS, wurde zum Oberleutnant befördert. a Die Retch-tag-ersatztuahl in Salzwedel. Gardelegen wurde auf den 2. 3 ult festgesetzt. Der preußische Landtagsabgeordnete von Arnim-Züsedom (kons.) ist am Donnerstag früh in Prenzlau im Alter von 66 Jahren ge storben. I Die englische Presse rühmt in herzlichen Wor ten den liebenswürdigen Empfang, den das englische Königspaar bei seinem «In zug in Berlin gefunden hat. Der Kaiser von Japan ist nach kaum einjähriger oregterungszett in der vergangenen Nacht ge- storben.*) Vie Italiener erlitten in den längsten Kämp- len bei Derna schwere Verlust« und muh ten sich zu einem Nückzug» verstehen. »> Nö-nl fi«hi an and«« *««!«, Mutmaßlich« Witterung am 24. Mair Westwind«, viründerllche Bewölkung, gering« Lemperaturitnderun«, zeit weise Regen. 'M«: Die Hochzeit als ^rieäensstisterin. >0? Dem Gedanken, den Zwist zweier Häuser durch ehe liche Verbindungen ihres jüngeren Geschlechte» zu lösen, ste hen auch kleinbürgerliche Kreils« erfahrungsgemäß nicht fremd gegenüber. Bei politischen Gegnerschaften und Verfeindun gen hat er vollend» von altersher eine große Rolle gespielt. Eine nachhomerische Legende, der bekanntlich unser Schiller in seiner Tassandra folgt, weih sogar schon au» dem Tro- janerkriege von einem Versuche zu erzählen, den Streit der Völker durch eine Heirat de» herrlichen Peliden Mit Prt- ams schöner Tochter Polyxen« zu beschwichtigen. Durch die geschichtlichen Zeiten gehen dann solche Erinnerungen hin durch, über die wenigsten» für ein paar Jahre vorhaltende Verschwägerung de» Pompeju» mit Julius Eaesar» Tochter und Heinrich von Navarra» Ghsbündni» mit Margarethe Valois, da» allerdings in «ine fürchterliche Tragödie, ähn lich der de» Achilleus, ausklang. Doch näher al» solche Pa- rallelfälle unerfreulichen Angedenkens liegt dem Ereignisse, dessen wir un» fetzt erfreuen, der Vergleich mit jenem Hein rich von Richmond der englischen «Geschichte, der einst nach langem, schwerem Streite die beiden Rosen zusammenband und sich mit der letzten Plantagenet vermählte, die außer ihm noch von dem alten Hause übriggeblieben war. Auch Prinz Ernst August «von Braunfchwetg-Lü- neburg ist heute «in Einsamer geworden, da unser sali- sche» Erbrecht die Thronfolge ja auf die Männlichen Ab- kömmltnge beschränkt.. Sein« beiden älteren Brüder hat er durch schwere Unglückefälle verloren. Die männliche Nach kommenschaft de» einst in zahlreiche Aest« regierender Ge schlechter verzweigten Hause» Welf-Este, ja auch die Le» mit Söhnen gesegneten Georg» III., der vor kaum hundert Iah. ren König von England und Hannover hieß, ist auf die bei- den Häupter de» jungen Prinzen und seine» Vater» zusam mengeschmolzen. In England regiert heute eine Familie, die sich von vatereseit« al» Coburger bezeichnen muß. Und der ältere Zweig der Dynastie, dem de» Löwen Heinrich alt ehrwürdige erste Hauptstadt bei den Länderteilungen mit. telalterlichen Brauche» zugefallen war, ist an der Neige des IS. Jahrhundert» auch erloschen. G» hatte sich wohl kaum «in irgend noch ernsthaft zu nehmender Recht«drut«r gefunden, der bei Herzog Wilhelm» Tod« -«stritt, daß da» Unfallsrecht drr jüngeren Linie auf da, Herzogtum Braunschweig dadurch nicht erschüttert «ar, daß st» ihren früheren hannöverschen Besitz durch den uw glücklichen Krieg mit Preußen verrann hatte. Drr Wider- sprach Bwmarck» gegen des Herzog» von Cumberland Nach folge gründet« sich vielmehr «»»schließlich auf «ine angeb, lich bestehend« Behinderung diese» Anwärter», solange er seinen Frieden mit der Krone Preußen nicht gemocht habe. Man mochte dem Altreichskanzler nun ja auch zugestehen, daß es nicht angängig gewesen wäre, wenn «in in off«n«r Feindschaft mit einem andern Bundesfürsten, der noch dazu der Vertreter de« Reichseinheit war, verharrender Fürst al» Herrscher in den Buichesstaat Braunschweig einge- zogen wär«. Aber andererseits hatte der Herzog doch auch schon durch seine ausgesprochene Bereitwilligkeit, die Reichs- Verfassung anzuerkennen, wie nicht minder dadurch, daß er nach dem Tode feine» Vaters nicht den Titel «ine« Königs von Hannover angenommen hatte, sein Entgegenkommen gezeigt und alle hervorgekehrts Feindseligkeit gegen di« Hv- henzollernherrschaft vermieden. Nichts destoweniger erwirk te Bismarck im Jahre I88S einen Bundesratsbeschlutz, der die Einsetzung einer braunschweigischen Regent schaft zur Notwendigkeit machte. Da» Anrecht de» Her zog, von Cumberland wurde seitdem al» ruhend behan delt. Die Braunschweiger selbst, die niemals und später noch minder als zu Anfang sich von ihrem angestammten Haus« abgewandt haben, trugen wenigstens in den letzten Jahren di,sm» verhäftniss« auch dadurch Rechnung, daß der Name des Herzog» im Kirchengebete genannt werden durfte. Seit dem Thronwechsel, der in Preußen am S. Miiq 1888 eintrat, haben auch auf der Berliner Seite die Bemüh- ungen nicht mehr geruht, die alte Gegnerschaft mit ihren fortwirkenden Schwierigkeiten zu mildern und dadurch da» Provisorium in Braunschweig aus der Welt zu schaffen. An den Weg, der jetzt zum Ziel« geführt hat, konnte damal» natürlich noch nicht gedacht werden. Der Prinz, der morgen mit der Kaisertochter vor dem Altar tritt, war eben in» Le ben gelangt, und im Hause de» Kronprinzen Wilhelm gab es noch kein« Tochter, al» während Kaiser Friedrichs kurz währender Regierung die ersten Werständigungsversuche ge macht wurden. Indessen gab der Berliner Höf bereit» bald nach Bismarcks Rücktritte ein erste» Zeichen, daß auf seiner Seite die persönliche Gereiztheit der vergangenen Jahr zehnte gewichen war, durch die Rückerstattung de» beschlag nahmten sogenannten Welfenfond» an den Herzog. Man kann nicht sagen, daß diese» Entgegenkommen damal» in Gmunden viel Gegenliebe gefunden habe. Manche persön lichen Annäherungsversuche Kaiser Wilhelm» II. wurden mit auffallender Kühle zurückgewiesen, die notwendiger weise Rückschläge erzeugen mutzte. Da« trat denn wohl zu Tage, al» nach Beendigung der ersten Regentschaft der Her zog «inen positiven Kompromtßvorschlag macht«, daß sein jüngerer Sohn für sich und seine Nachkommen aus alle han növerschen Ansprüche verzichte, ,r selber aber mit dem äl teren sich seiner braunschweigischen Anwartschaft Legeben wolle, Damal» veranlaßte Fürst Bülow den öSundesrat zu einer Zurückweisung diese» Bergleichsvorschlage». Der Tod de» Prinzen Georg Wilhelm hat vor Jahresfrist da» Hindernis htnweggeräumt. Wenn der all« Herzog nicht ausdrückltch seinen Protest zurückzieht, so ist da» nunmehr sachlich bedeutungslo« geworden. Dis Tatsache, daß Prinz Ernst August nicht allein an seinem persönlichen Verzichte auf Hannover sestgehcklten hat, sondern -atz er auch dem König« von Preutzen al» dessen Offizier einen Fahneneid geleistet hat, und datz er jetzt gar al» Schwiegersohn in sein Haus eintritt, datz aber der alte Herzog durch seine Anwe senheit in Berlin der Verbindung seinen väterlichen Segen gibt und somit da» Werk der Versöhnung besiegelt, bedeutet reichlich dasselbe, wie ein förmlicher Rücktritt von dem frü heren Proteststandpunkte. Die junge Prinzessin aber darf sich zu der wichtigen politischen Rolle beglückwünschen, die ihr zugefallen ist, irwem sie «ine einfache fteie Tat ihres Her zen» erfüllt. Und alle Gemüter gute« Deutscher jubeln ihr bereitwillig Lei diesem Werks de» Frieden» und der Ver söhnung zu. Politische Tagesschau. Aue LS. Mat. * Eine Anfrage über di« deutsch-englisch«« vagdad» Vahw-Berhandlunae«. Von freisinniger Seite ist folgende Anfrage im Reichstage eingKracht wvr- ununtrrbrochen. Mitunter -amen an einem Tag« Polen, Russen und wieder Polen. Die -etzjagd «ar im sthöns Gange. Ui^ ' " au». Veson!... kamen. Ich werde es nie vergessen, wie sie uns da» «stemal ihren Besuch abstatteten. In einem starken Trupp kamen st« Rus Polens letztem Rufstanä. Zur öü jährigen wiedmckHe der Erhebung von 18ÜS/S4. Nach den Erinnerungen einer Augenzeugin erzählt von vr. Paul Gimber«. (Fortsetzung.) u-qd»-«»-»»-««». Der junge Mensch wurde in die Nachthaube und Nacht jacke der alten Schaffnerin gesteckt und in ihre dunkle Kam- mer ins Bett gelegt, wo er die Rolle der kranken, alten Frau in seiner-entsetzlichen Angst recht natürlich spielte. G» war die höchst« Zett, daß wir mit diesen Vorkehrungen fertig wurden. Einige Minuten später zog der Trupp russischer Infanterie «hon auf den Hof und drang sogleich in alle Türen und Tor» ein. E» wären Polen im Haus», wir soll ten sie Herausgeber» l Wir leugneten unter Herzklopfen, aber standhaft, und mutzten st« schltetzltch überall herumführen. Auch in di« Kammer der Alten steckten sie di« Nase: das tap fer« Hausmädchen aber hielt sie davon ab; sich näher darin umzusehen, indem sie ihnen wiederholt entrüstet zurief: Still, schämt Ihr Tuch nicht, der kranken alten Frau solchen Lärm aufzuführen?! Da gaben st» sich denn schließlich zu- frieden und ließen nun dafür um so lauter den -mischen Ruf-hören: Wutkt, Schnaps! Bedien'un»! Einige Stunden später zogen endlich die Verfolger ab, und wir atmtten wie der einmal erleichtert auf. Nach »in ppm Tagen, sobald ,» ihr Zustand erlaubte, wurden die verwundern nach Litn-ow in» Krankenhaus geschafft. Indessen, lang« sollt» unser« Ruh« nicht dauern^ Bald folgt«« derartig« Httmsuchungen d wieder Polin. Die -etzjagd «ar im Plinsten ns,re Küche und Vorratskammer sah erbärmlich invers schlimm mär'» immer, wenn die Kosaken ihren Besuch abstatteten. Jn'einem starken Trupp kamen st« lärmend, ohne Ordnung in den Hof -«ritten, sattelten ab und lagerten sich. Es befand sich unter ihnen auch «in» Frauensperson, die ganz wie ein Mann angezogen rittlings zu Pferde saß und stch zu den Offizieren hielt. Reisig und Feuerung wurde herbeigeschleppt, Küsel darüber gesetzt, und nun sollte das Schinausen angehen. Schreiend kam die Wirt schafterin zu mir gelaufen und wehklagte» daß man ihr alle ihre Hühner «egnehme, trotzdem man den Kerlen schon «in paar Hammel gegeben habe. Ich wollte hinausetlen, aber ein baumlanger Kosak hatte sich breit in die Tür gestellt und lieh niemanden hinaus und hinein. Alle» Unterhandeln half nicht»; inzwischen verkündete mörderische» Geschrei vom Hühnerhofe da» mörderische Gebaren der Einquartierung. In »reiner Angst lies ich in» Gastzimmer, wo die Offiziere Platz genommen hatten, und klagte dort meine Not. Einer von ihnen, ein Kurländer, versprach höflich, für Ordnung zu sor- gen und drr Edle rettete mir in der Tat den Rest meine» armen Hühnervolk«». Ja, er tat noch mehr, er rettete auch unser Silberzeug. Er zeigt« mir heimlich ein«n Kosaken- offizler, der sich sehr für unsere Wohnungseinrichtung zu in teressieren schien, und warnte mich vor ihm; er sei nicht ganz skrupellos im Punkt» de» Mein und Dein. Dieser wüLige Kamerad habe ihm selber schon ein paar Handschuh« und Brot gestohlen; silberne Löffel nehme er namentlich gern »um Andenken mit. Ich verfuhr denn auch entsprechend die- s«m freundlichen Winke. Nach dsm Essen bereit,t«n M di, H«rr«n Offizier« «in« klein« Abwechslung, indem si« auf dem Hof« draußen «ine Ezekutton mit «tnem jüdisch«« Händler vornahmen, der verdächtig «ar, den Aufständischen Kuri«rdt«nst» geleistet zu haben. Sein Leugnen half ihm nicht». G» gab Knuten hieb«. Aber wt« sehr sie auch d«n Aermsten mißhandelten: er leugnet« mit spartanischem, stillem Trotz, und kein «in- ztger Schmerzenilaut entrang stch seinen blutig gebissenen Lippen, so daß man schließlich den vor Schmerz ohnmächtig Gewordenen in Ruh« ließ. Endlich zogen auch diese Plage geister ab, nicht aber, ohne «inen Mrdigen Abschluß ihrer verheerenden Tätigkeit zu bewerkstelligen. Trotzdem sie mit «Heck, Mehl und Brot reichlich versehen worden waren, hat ¬ ten gar manche ein Huhn oder Ferkel heimlich erwischt, an dere hatten die Orangerie um ihr« Zitronen geplündert. Außerdem war die wilde Rott« in den Keller gebrochen, wo sie ihr Leibgericht, einige Fässer mit Sauerkraut entdeckt hatten, während hinten im Futtersack am Sattel «in Fer kel oder Huhn schreiend zappelt«. —< Don dem unglücklichen Sohn de» Hause» war in all der Zett nicht» zu hören. All« betrauerten ihn wie einen Verlorenen, namentlich der Va ter, der keine Anstrengungen und weiten Fahrten in die im Hellen Aufstand befindlichen Gegenden scheute, um bei den Insurgenten selbst etwa» von seinem Sohne zu hören. Nur durch Herrn Pawl, dem Bräutigam seiner Tochter, der trotz de» wiederholten ausdrücklichen Verbote» dann und wann in aller Heimlichkeit sich zu un» schlich, kam di« ungewisse Nach richt zu un», daß Xaver einem Freikorps zugeteilt gewesen war, da» zersprengt und dessen Trümmer über di« galizisch« Grenz« g«drängt worden waren. Von den mancherlei aufregenden Szenen, di« in Lunte« Wechsel einander drängten, steht mir ein« namentlich noch in frischer Erinnerung. Mehrere bekannte Damen au» Thed- lttz waren zum Besuch zu un» gekommen, und wir saßen Leim Gespräch um den Teetisch, al» «in Haufen berittener Aufständischer vor. Hau» kam und Einlaß und Verpflegung fordert«. Wir waren all« an» Fenster getreten, um die An kömmlinge zu -«trachten, al» di« «in« der Damen mit lau tem Aufschrei -usammenfuhr. Sie glaubt« ihren Bruder da runter zu sehen, den ste in Genf studier,« wähnte. St« haft« sich nicht getäuscht; al» die Reiter in unser« Wohnung tra ten, erkannten stch di« Geschwister sofort und schlossen stch tränenden Auge? in di« Arm«. Da» «ar »in rührend«», traurige» Wiedersehen. Der Bruder erzählte, wie er und seine Kamerad,n wi« ein gehetzte» Wild von Dorf zu Dorf flüchten müßten, immer di« Verfolge« im Nacken. Heut« hätten st« «inmal di« Meute glücklich auf «in« falsch« Fährt« gelenkt, und ste dürsten st- einig« vtmck«« der Erholung