Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt* erschein: an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. re, Haus, bei Postdestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanftalten, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Falle Höherei S ewall, —' - " Krieg oder fonstiger Be- riedsstörungen besteht Keti Anspruch auf Lieserung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreise-.-- Rücksendung eingeiandter Echriststüche erfolgi nur. wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 geixollere Raumzelle 20 Rpsy., die 4gefpaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 2 eict s- Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Aachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor. gefchriebeneErfcheinungs- er läge und Platzvorfchriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. b berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.ioühr. » - Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine E-arantie. Jeder Aadattanfpruch erlischt, wenn der Betrog durch Klage eivgezogen werden must oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 265 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 11. November 1932 Genfer Gewehrschüsse. Wenn die Weltgeschichte hier und da einmal einen Witz macht, dann ist er bisweilen mehr blutig als grotesk, und anstatt eines Lachens reicht es höchstens zu einer — Grimasse. Solch ein Witz mit blutigem Hintergrund ist es ja auch, weun ausgerechnet in Genf, der Stadt also, in der nun schon jahrelang an der Weltabrüstung herum- gebastelt wird, wenn in der Schweiz, diesem einzigen Lande der Milizverfassung und ohne jedes stehende Heer, das Militär mobilisiert werden muß und die Salven der Gewehre, die Garbe eines Maschinengewehrs ein Dutzend Menschen niederstreckten und viele Dutzend anderer mehr oder minder schwer verwundeten. Auseinandersetzungen zwischen den bürgerlichen Parteien einerseits, den Sozial demokraten und Kommunisten andererseits, verschärft noch durch bevorstehende Kantonals- und Gemeinderatswahlen, haben zu Tumulten geführt, die zn bewältigen die Polizei sich für zu schwach hielt. Da holte man ein paar Kom panien und ließ schießen. * An und für sich wäre das eine nur traurig-blutige Angelegenheit angesichts der zahlreichen Opfer, wäre auch lediglich eine innenpolitische Sache der Schweiz allein, — aber uns Deutschen kommen nun dabei doch ein paar „ketzerische" Gedanken und kritische Zusatzbemcrkungen. Wir wissen nicht, ob die Herren der Abrüstungskonferenz die Gewehre in Genf knattern hörten, die sehr rauh die sonst so friedliche Stille dieser europäischen Konferenzstadt störten, — wo man doch bisher nur die rhetorischen Leistungen als meist recht überflüssige und noch öfters als nutzlose Geräusche zu hören bekam. Uns Deutsche inter essiert auch herzlich wenig, daß in der Schweiz schon lange sich der a n t i s o z i a l d e m o k r a t i s ch e Kurs, noch mehr der gegen den Kommunismus, verschärft hatte, nachdem man dort während des Weltkrieges den Revolu tionären aller Länder ein weitgeöffnetcs Heim gewährt hatte. Aber das schnelle und scharfe Vorgehen des Militärs in Genf läßt doch in gar seltsamem Licht all die Spötteleien, schlechten Witze oder ernstgemeinten Kritiken erscheinen, die nicht zuletzt ans der Schweiz am deutschen „Militarismus" geübt worden sind. Trotz der furchtbaren innenpolitischen Erschütterungen und trotz der ins Grenzenlose angewachsenen Not, die ja den günstigsten Nährboden für Partei- oder sozialpolitische Zusammen stöße abgibt, ist seit 1920 in Deutschland das Militär zur Nicdcrzwingung solcher Unruhen nicht mehr eingesetzt worden. Auch der aus ganz anderen Gründen 1923 erfolgende „Einmarsch" der Reichswehr in Sachsen verlief fast unblutig. Die Schutzpolizei schaffte es allein, — und jetzt könnten die Schweizer in ihren Zeitungen mal Nach lesen, was alles dort gegen den deutschen „Militarismus" im allgemeinen und gegen die deutsche Schupo im be sonderen während der letzten Monate recht oft in einem Sinne geschrieben worden ist, der in — Paris sicherlich viel Beifall gefunden hat! Diese Wiederholnngslektüre wäre recht großen Kreisen in der Schweiz nach der Genfer Straßenschlacht eindringlichst zu empfehlen! Gewisscns- erforschungen haben nämlich bisweilen ihr Gutes, weil sie die Selbsterkenntnis stärken und den anderen zu verstehen lehren, der sich seiner Haut wehren will! Vielleicht vermeidet man es dann doch, in nicht mehr recht angebrachter „Selbstgcrechtigkeit" zu machen! Wir sind nun auch nicht so lieblos — wie es gewisse Leute waren, als in Deutschland im Sommer unseres politischen Mißvergnügens einige Unruhe herrschte —, nun im Hinblick auf das viel blutigere Ereignis in Genf gleiches mit gleichem zu vergelten und, wie es damals uns gegenüber geschah, nun sofort mit erhobenem Zeige finger vor einer Reise nach der Schweiz zu warnen. Der artige Übertreibungen, bei denen damals das materielle Interesse doch recht deutlich sichtbar war, liegen uns nicht. Wir enthalten uns auch jeglicher Vermutung darüber, ob nicht in solchen ernsten Fällen, wie dem in Genf, der Einsatz von wirklichem Militär als eine weniger blutige, aber nachdrücklichere Maßnahme anzusehen ist, als wenn eben nur die Miliz mobilisiert wird, Männer also ein gesetzt werden, die morgen schon wieder den „Rock des Bürgers" tragen. Aber ob stehendes Heer oder Miliz, — es ist kein Witz mehr und kein Stoff zu einer gewissen, auch noch so berechtigten Schadenfreude, wenn der Soldat zur Verteidigung der staatlichen Sicherheit und Ordnung gegen eigene Volksgenossen das Gewehr erheben muß. Oie Sitzung -es Michsrais, Scharfe Erklärung Dr. Brechts gegen die Neichsrcgierung, Der Reichsrai trat am Donnerstagabend wieder zur Erledigung einer umfangreichen Tagesordnung zu sammen. Für die Reichsregierung war Reichs innenminister Freiherr von Gayl, der den Vorsitz führte, zusammen mit Staatssekretär Dr. Zweigert und Ministe rialdirektor Goltheiner erschienen, für Preußen die Ministerialdirektoren Dr. Brecht, Dr. Badt und Dr. Coß mann. Ministerialdirektor Dr. Brecht gab vor Eintritt in die Tagesordnung namens der preußischen Staats regierung eine Erklärung ab, in der es heißt: Der Staatsgerichtshof hat den Vorwurf der Pflicht verletzung gegen das Land Preußen in vollem Umsange Ur upbegründet erklärt. Er bat die Anwendung des Ser Reichskanzler Kei WeMg. Papen und die Parteiführer. Reichskanzler von Papen wurde vom Reichspräsiden ten empfangen. Bei diesem Empfang legte der Kanzler dem Reichspräsidenten dar, welche Folgerungen die Neichs- rcgicrung aus der Wahl zu ziehen gedenkt. Er erbat vom Reichspräsidenten die Vollmacht, mit den Parteiführern zu verhandeln. Diese Fühlungnahme mit den Parteiführern wird wahrscheinlich sofort beginnen, da der Kanzler in der nächsten Woche eine Reise nach Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim und Darmstadt plant. Uber den Zweck der Fühlungnahme verlautet an zu ständiger Stelle, das Kabinett habe ernsthaft die Absicht, sich mit den Parteiführern auszusprechen und eine n a t i o n a l e K o n z e n t r a ti o n zu erreichen. Es wird jedoch ausdrücklich betont, daß der Charakter des Präsidialkabinetts bestehen bleiben soll und man auch keine parlamentarische Mehrheits regierung anstrebt. Man wolle lediglich die Basis der Reichsregierung erweitern und den Versuch machen, die Parteiführer für das Programm der Reichsregieung zu gewinnen. Die bisher vorliegenden Äußerungen der Parteien zu dem Programm der Reichsregierung wird man zwar unter dem Gesichtspunkt bewerten müssen, daß sie in der Siede hitze eines erbitterten Wahlkampfes gefallen sind oder noch unter seinen Nachwirkungen stehen, immerhin wird man doch schon soviel sagen können, daß der Reichskanzler keinen Wichten Stand haben wird. Für die N a t i o n a l s o z i a l i st c n erklärt D r. Göbbels im „Angriff" folgendes: Wir versagen uns keineswegs grundsätzlich einer „nationalen Kon zentration", und wir sind überzeugt, daß wir mit den anderen für eine „nationale Konzentration" in Frage kommenden Kräften sehr Wohl zu einer Einigung über ein Wirkliches Aufbauprogramm kommen könnten, das unter Führung der NSDAP, als der weitaus stärksten Partei durchgeführt werden könnte. Zum hun dertsten Male aber sei es gesagt: Die nationalsozialistische Bewegung kann nur dann «m der Regierung teilhaben, wenn ihr selbst die F ü h r u n g, die ihr ihrer Stärke nach zukommt, übertragen wird, d. h. wenn man Adolf Hitler mit der Kanzlerschaft betraut. Der Vorstand des Gesamtverbandes der christ lichen Gewerkschaften crläßr einen Aufruf, in dem es u. a. heißt: Die christlichen Gewerkschaften wenden sich an den Reichspräsidenten, seinerseits die Rechtssicherheit wiederherzustellen und dem sozialen Willen des Volkes kraft seiner Autorität Raum zu geben und damit zugleich Ruhe und Ordnung zu sichern. Vom neugewählten Reichstag als dem souveränen Organ des souveränen deutschen Staatsvolkes erwarten die christ lichen Gewerkschaften, daß er die ihm von der Verfassung für Volk und Reich übertragenen Aufgaben entschlossen aufgreist und durchführt. * Berlin, 11. November. Wie die „Dörsen-Zeitung" er fährt, dürften die Einladungen an die Parteiführer der Deutsch- nationalen, der Nationalsozialisten, des Zentrums, der Bayri schen Volkspartei und der Deutschen Volkspartei noch im Lause des heutigen Tages abgehen. Besprechungen mit anderen Parteien kämen nicht in Frage. Der Kanzler werde mit den Parteiführern einzeln verhandeln, die Reihenfolge hänge von dem Zeitpunkte ab, an dem die Antworten der Parteiführer in der Reichskanzlei einlaufen. Man rechne damit, daß die erste der Zukammenkünfte am Sonntag stattfinden werde und die weiteren Unterredungen sich dann über die nächste Woche verteilten, ausgenommen Montag und Dienstag, auf welche Tage der Staatsbesuch des Kanzlers bei der sächsischen Re gierung in Dresden fällt, Im allgemeinen nehme man in poli tischen Kreisen nicht an, daß die Bemühungen des Kanzlers, soweit es sich um die NSDAP., das Zentnm und die Bayri sche Vvlkspartei handelt, von Erfolg begleitet sein werden. Die „Germania" schreibt in einer Stellungnahme zu der amtlichen Mitteilung über den Empfang des Reichskanzlers durch Hin denburg unter anderem: Wenn sich die Mission des Reichskanz lers, wie aus dem letzten Satze der amtlichen Mitteilung her vorzugehen scheine, tatsächlich auf die Feststellung beschränken solle, ob die in Frage kommenden Parteien gewillt seien, dis Regierung in der Durchführung ihres Programms zu unter stützen, dann dürfe man schon heute prophezeien, daß die na tionale Konzentration auch weiterhin nur die Partei des Herrn Hugenberg und ihr volksparteiliches Anhängsel umfassen werde. Die Frage ob die Parteien — und in ihnen das deutsche Volk — bereit seien, die jetzige Reichsregierung zu unterstützen, habe bereits in zweimaligen Wahlen und auch in der Reichstagsab stimmung des 12. September eine überwältigende Ablehnung erfahren. Es lohne sich kaum, sie heute mit gleichem Sinn und Inhalt nochmals zu stellen. Das Blatt nimmt deshalb an, daß der dem Reichskanzler erteilte Auftrag nickt jene enge Be grenzung habe, die aus dem Wortlaut der amtlichen Mitteilung zunächst zu entnehmen sei, und daß, wenn er nicht zu ver wirklichen sei, noch andere umfassendere Lösungen angestrevt würden. * Oer Reichskanzler antwortet Braun. Der Reichskanzler hat jetzt dem preußischen Ministerpräsidenten Braun auf dessen Brief an Hinden burg eine Antwort in dessen Auftrag erteilt, in dem er Braun mitteilt, daß er ihm zu einer Aussprache über die in dem Brief an den Reichspräsidenten angeschnittenen Fragen zur Verfügung stünve. Scharfe Kampfansage der SPD. Der Parteiausschuß der Sozialdemokratischen Partei gibt über seine Berliner Beratungen einen Bericht heraus, in dem erklärt wird, es habe volle Übereinstimmung dar über geherrscht, „daß es für die SPD. nach wie vor nur den schärfsten und rücksichtslosesten Kampf gegen die jetzige Reichsregiernng und ihre Pläne gebe". Aussprache Or. Held-Papen Der bayerische Ministerpräsident Dr. Held, der zusammen mit Staalsminister Dr. Stützel und Staatsrat Schäffer von München nach Berlin abgereist ist, wird bereits am Freitag mit dem Reichskanzler eine Aus sprache haben. Diese Aussprache geht aus die Initiative des Reichskanzlers zurück, der den Wunsch geäußert hat, mit den Ministerpräsidenten der Länder noch vor der Reichsratssitzung Rücksprache zu nehmen. Staatsrat Schäffer hat bei seinem Besuch in Berlin außer seiner Teilnahme an der Reichsratssitzung auch einige Fragen finanzieller Natur zu besprechen. Artikels 48 Absatz 1 für unzulässig erklärt Es gibt also keine Reichsexekution gegen Preußen. Der Staatsgerichts- hos hat ferner festgestelli, daß die auf Grund des An. 48 Abs. 2 bestellten Reichskommissare niemals Landesregie rung werden und auch niemals an die Stelle der Landes regierung treten können. Wenn Reichskommissare Zu ständigkeiten übernehmen, so können sie dies nur in einer Weise tun, daß sie der Landesregierung vorüber gehend Zuständigkeiten entziehen und sie vorübergehend auf das Reich übertragen. Die Reichsregiernng führt diese grundsätzlichen Gesichtspunkte der Entscheidung des Staatsgerichtshofes nicht durch. Die Reichskommissare bezeichnen sich weiter als kommissarische „Landesregie rung", also als Ersatz der Landesregierung Diese Lage berührt derart die Grundlagen der Reichsverfassung, daß die preußische Regierung dem Reichsrat davon Kenntnis geben muß. Die Reichsregiernng hat ihre Maßnahmen auch als Vorgriff auf die Reichsreform zu rechtfertigen ver sucht. Zum mindesten hätte die Reichsregierung gleich zeitig den Entwurf eines Gesetzes über die Reichsreform dem Reichsrat auf dem verfassungsmäßig vorgesehenen Wege zur ordnungsmäß'gen Beschlußfassung vorlegen müssen. Die Neichsregierung hat aber mehr als drei Monate fruchtlos verstreichen lassen, ohne dies zu tun. Die preußische Staatsregiernng richtet als Mitglied des Rcichsratcs von dicker Stelle aus nochmals an die Reichsregiernng die dringende Forderung, die unberechtigten Sondermaßnahmen in Preußen aüfzu- heben, mindestens aber die Entscheidung des Staats gerichtshofes in loyaler Weise durchzuführen und die Ttaatsautorität, die nicht nur in der Reichsregierung, sondern auch in den Landesregierungen verkörpert ist, selbst vorbildlich zu achten. Freiherr von Gayl gab danach die Erklärung ab, daß die ganze Angelegenheit nach Auffassung der Reichsregierung nicht vor das Forum des Reichsrates gehöre, nachdem das Urteil ergangen sei, sondern daß sie, wie das Urteil bereits fest - gestellt habe, Sache der Vereinbarung zwischen den Beteiligten sei, also zwischen dem preußischen Staatsministcrium und dem Rcichskommissar für Preußen. Der Reichskanzler, so betonte der Minister, hat als Reichskommissar in Gegenwart des Reichspräsidenten bereits gelegentlich seiner Ansprache mit dem Minister präsidenten Braun die loyale Durchführungdes Urteils zugesagt. Verhandlungen über die Einzel heiten, die zur Zeit gepflogen werden, werden demnächst in einer neuerlichen Verhandlung einen hoffentlich be friedigenden Abschluß finden. — Die Verlierer Württembergs, Sachsens, Hessens und der Rheinprovinz schlossen sich dann einer Erklärung des bavepischen