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Tageblatt für -ie Stabt Aue «nb Umgebung. Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. Erscheint täglich Nachmittags, außer an Sonn-«. Feiertagen. — Preis pro Monat srei ins HauS HO Psg, auswärts 28 Psg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zcitspiegcl" 5 Pfg. mehr. — Bei der Post abgeholt pro Vierteljahr 1 Ml. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. Nr. 143 Auerthnl-Zeit»»ng erscheint jetzt täglich, k o st e t nur SO Pfennige. Ar»» oUev Welt. ',2* Trotz der offiziellen Ankündigung ist der Schluß der Session des preußischen Landtages um einige Tage hinausgeschoben worden, da das Abgeordneten haus am Sonnabend das Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch nach den Beschlüssen des Herrenhauses nicht angenommen,sondernAenderungen daran oorgenommen hat. Nunmehr ist eine neue Sitzung des Herrenhauses aus Dienstag Mittag I Uhr anberaumt zur nochmaligen Beratung des Aussührungsgesetzes. Der Landtag wird voraussichtlich an diesem Tage geschlossen werden. Wie verlautet, wird Ministerpräsident Fürst Hohenlohe dabei eine Erklärung verlesen, welHe die Abficht der Regierung, die Kanalvorlage ui der 'nächsten Session zu wieder» holen, zu erkennen giebt. — Von einer Auflösung des Abgeordnetenhauses wird also abgesehen. * Elne soeben ergangene kaiserliche Verordnung sieht zur Verhütung der Einschleppung der Pest die Beschränkung der Einfuhr aus Portugal vor. * Der Deutsche Fleischerbund hat sich mit einer Eingabe an den Kaiser gewendet, um eine Abände- rung der Verordnung von 27. März d. I, betr. die Gewährsmängel beim Viehhandel, zu erwirken. * Die Sitzung des Kriegsgerichts zu Rennes am Sonnabend. Schriftkundtger Bertillvn fährt in seinen Erläuterungen fort. Er erklärt, Dreysus habe den Ausruf: „O dieser Elende!" sich ent schlüpfen lassen, als er eingesehen, daß er, Bertillon, sein System durchschaut habe. Alsdann sucht Ber- tillon den Mitgliedern des Kriegsgerichtes durch Karten und photographische Aufnahmen zu bewei sen, daß Dreysus das Bordereau nach der von ihm - erklärten Methode angesertigt haben müsse. Ber- tillonS Erklärungen währen 2 Stunden lang. ^9 Uhr schließt Bertillon mit den Worten: „Ich erkläre aus meinen Eid, daß das Bordereau das Werk des Av geklagten ist." Aus die Frage eines Richters, wie Bertillon sich die Ähnlichkeit der Handschrift des Bordereaus mit der Schrift Esterhazys erkläre, antwortete der Schriftkundige, die Schriften ähnelten sich zwar, aber das Bordereau könne nicht von Esterhazy sein. Plötzlich, als er von Esterhazys Behauptung spricht, der llutor des Bordereaus zu sein, wird er wütend und schreit: „Esterhazy ist ein Lügner!" (Große Heiterkeit.) Verteidiger De mange fragt nun Bertillon, ob er denn einmal sein System zur Herstellung der Schrift Esterhazys angewendent habe. Bertillon antwortet auswei chend und ganz konfus. Hierauf stellt Verteidiger Labori eine große Anzahl Fragen. Er konstatiert zunächst die Widersprüche zwischen dem von Bertil- lcn angewandten System von 1894 und dem Heu- ttgen und fragt dann: Wie könne Bertillon, wenn er zugebe, das Bordereau sei mit der Schrift Ester- hazyS geschrieben, sagen, das Bordereau sei nicht von Esterhazy geschrieben. Präsident Jouaust lehnt es ab, die Frage stellen zu lassen. Labori bittet alsdann, Bertillon zu fragen, ob er in seinem Laboratorium nicht sehr geschickte Zeichner habe. Präsident Jouaust entgegnet: „Was soll das?" Labori: „Dann will ich sagen, daß in dem Labo ratorium das Faksimile des gefälschten Brieses „Weyler" (jenes Briefes, der Dreysus nach der Teufelsinsel gesandt wurde) fabriziert worden. Wir Möchten wissen, wozu?" Dreysus bemerkt ruhig; Verantwortlicher Redakteur: Ernst Au«k», Aue lErzgebirge.) Redaktion u. Expedition: Rue, Marktstraße. Mittwoch, den 30. August 1899. „Alles, was Zeuge bekundete, ist für mich unerheb- lich. Den Schlüssel der geometrischen Rhythmik soll das Wort „interet" liefern, das auf einem Löschpapierblatt stand, welches in der Schreibmappe von Frau Dreysus beschlagnahmt wurde. Der Brief, aus den jenes Löschblatt gelegt worden war, wurde guten Glaubens von Frau Dreysus geschrie ben. Sie wird es bezeugen und (hier erhebt Drey sus die Stimme) das Wort von der Frau Dreysus wird hier niemand bezweifeln, Sie, Herr Vorsitzen- der, weniger als ein anderer." — Zeuge Kapitän Valery bemerkt, er werde zeigen, daß der Autor des Bordereaus der Angeklagte sei. Dreysus be merkt, er habe* dem Kapitän Valery die gleiche Antwort wie Bertillon zu geben. — Zeuge Ma jor Freystätter, 1894 Beisitzer des Kriegsgerichts sagt, seine Ueberzeugung von der Schuld des An geklagten habe er sich nach den Schriftgutachten und Henrys Aussage gebildet. Einen leichten Ein fluß hätten auch die geheimen Beweise gehabt. Diese hätten bestanden aus einer biographischen Note, aus dem Schriftstück „Canaille D.", aus einem Bries, der zur Vergleichung dienen sollte, dem so. genannten d'Avignonbrief und der Depesche eines fremden Militärattachees, mit den Worten beginnend : „Dreysus arretiert, Ministerium benachrichtigt. — General Mercier hat erklärt, von dein falschen Text der Depesche Panizzardi keinen Gebrauch ge macht zu haben. Labori verlangt, daß Oberst Maurel und General Mercier dem Zeugen gegen übergestellt werden" Maure! bemerkt, er habe bei seiner Vernehmung ausgesagt, er habe nur ein Schriftstück gelesen; er habe aber nicht gesagt, daß er das ganze Packet den Richtern mitgeteilt habe. (Allgemeines Ah! Ruse: „Jesuit!"). Labori fragt den Major Freystätter, ob er seine Bekundung auf recht halte, daß sich die Panizzardidepesche im Paket befunden habe. Major Freystätter: „Ja, ich habe sie gelesen. Ich erkläre auch, daß Oberst Maurel uns die Stücke nicht nur mitgeteilt, sondern auch mit Kommentaren begleitet hat". Maurel entgeg ne) in polterndem Tone, er verwahre sich gegen das Wort Kommentar. Er habe keine Pression ausge- übt; er hätte sonst nicht 5 Jahre geschwiegen. Nun werde er aber gar nichts mehr antworten (Geläch ter). Major Freystätter sagt, er habe lange ge schwiegen, er habe die juristischen Formen nicht ge nug gekannt, um gleich zu verstehen, daß' eine Jl- legalität begangen worden sei. Jetzt sage er, daß er schon 1898 an Oberst Maurel einen Brief ge schrieben habe, in dem er ihn seine Befürchtungen mitteilts. Maurel bestätigt dies. Labori fragt den General Mercier, ob er denn nichts mitzuteilen habe. Ec habe doch die Erklärung abgegeben, daß von der für gefälscht erkannten Depesche kein Gebrauch gc" macht worden sei. General Mercier richtet an Frey" stätter die Frage, was in der biographischen Notiz gestanden habe. Major Freystätter: „Es betras die Granate." General Mercier erklärt. Major Frey stätter sei nun auf einer Lüge ertappt worden. (Große Bewegung.) Der Verrat der Robingranate sei erst 1896 bekannt geworden. Niemand habe 1894 darum gewußt. Er, General Mercier, wieder hole, daß die Panizzardidepesche nicht verlesen wor den sei.- Freystätter erwidert: „Und ich wiederhole bei meinem Eide, die Depesche wurde verlesen!" Labori bittet den Präsidenten, du Paty doch einer medizinischen Untersuchung unterwerfen zu lassen, seine Anwesenheit hier sei dringend nötig. — Zeuge Schriftkundtger Bernard sucht nachzuweisen, daß alle Tabellen und Lichtbilder Bertillons einfache Fäl schungen seien. — Um 12 Uhr wird die Sitzung auf heute vertagt. * Die Sonnabend-Sitzung des Kriegsgerichtes kann als die bedeutsamste seit dem Beginn des Prozesses bezeichnet werden. Die Aussage Frey- stätters, eines der Richter aus dem Dreysus - Pro- zeß von 1894, rief gewaltiges Aussehen her.-or, weil Mercier sowohl wie Maurel durch sie der wissentlich falschen Zeugenaussage überführt erschei nen. Der Ministerrat soll denn auch beabsichtigen, Mercier in den Anllagezustand zu versetzen. die einspaltige Petitzeile 1v Pf--, amtliche Inserate die CorpuS-Zeile 28 Psg., Reklamen pro Zeile 20 Psg. Bei 4 maliger Ausnahme »va/o Rabatt. — Bei größeren Inseraten «. mehrmaliger Ausnahme wird entsprechend höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten und Landbriesträger nehmen Bestellungen an. IS. Jahrgang. * Der häufig aus dem ungarischen Ministerium bediente „Egyertes" will aus bester Quelle erfahren haben, der Brief des Obersten Schneider im ge heimen Dossier sei wohl echt, jedoch seien das Da tum und die Unterschrift gefälscht. Oberst Schnei der habe dieses Konzept kurz vor dem Esterhazy. Prozeß angefertigt, jedoch den Bericht an eine Re gierung nicht abgesandt, da er während des Ester- Hazy-Prozesses die Ueberzeugung erlangte, daß Drey- fus unschuldig sei. Das Konzept sei aus seinem Schreibtisch gestohlen worden. Oberst Schneiderist in Wien zu einer Besprechung mit dem Minister des Aeußeren und dem Kriegsmtnister eingetrosfen. * Die Zahl der von Demange und Labori dem Gerichte überwiesenen anonymen Drohbriefe beträgt 108. U. a. wird in einem Briefe gedroht, vas Lyceum in die Lust zu sprcngen. * Madrid, 27. August. Ein zu dem sanitären Mtlitärkordon gegen die Pest kommandierter spani scher Soldat wurde an der spanisch-portugiesischen Grenze bei Caldelas, Provinz Pontevedra, durch einen Schuß getötet, der vom portugiesischen Gebiet aus abgegeben war. * Der Mailänder „Corriere della Sera" bringt ausführliche Einzelheiten über die Verletzung des diplomatischen und auch des brieflichen Geheimnisses in Frankreich. * New-Jork, 27. August. Nach der „Franks. Ztg." haben in Santo Domingo die Negierungstruppen bei Monte Christi eine schwere Niederlage erlitten. * Washington, 20. August. Die Regierung faßte plötzlich den Beschluß, ivbald wie möglich 20Regi- menter nach Manila zu senden. * Birmingham, 26. August. Chamberlain hielt heute eine Rede, in welcher er auSsübrte, daß un geachtet der Verhandlungen, welche während der letzten drei Monate mit dem Präsident Krüger statt fanden, nur ein geringer Fortschritt zu verzeichnen und die Krise noch nicht beenden sei. * London, 26. August. „Reuters Bureau" mel- der aus Krügersdorp: Die hiesigen Burghecs tele graphierten der Negierung, daß sie sich weigern, in den Kampf zu ziehen, wenn das Dynamitmonopol nicht aufgehoben werden. DevirrisHtc * § Gerichtlich beschlagnahmt wurde die letzte Nummer des in Berlin erscheinenden anarchistischen Wochenblattes „Neues Leben" wegen oeS Leitartikels „Die bessere Gesellschaft". tj In Berlin ist L olimannBin Nase, der Bürger meister von Dae-eS-^ alaam, von Paris kommend, angelangt und hat im Hotel Kaiserlich mit einem Dolmetscher, ebenfalls einem Araber, Wohnung ge nommen. 8 Berlin, 28. August. Beim Achpringen von einem Wagen der elektrischen Straßen "ihn kam gestern Abend inder Berliner Straße derU'mnner Wolff so unglücklich zu Fall daß ihm beide Beine über dem Knie abgefahren wurden. — Am Sonnabend Abend wurde vor einem an der Ecke der Tegeler Straße belegenen Lokal der Schneider Wittmann erschlagen. Eine dort stehende Frau wurde von jungen Burschen belästigt. Sie ersuchte zwei Männer um Beihilfe; einer der Männer schlug Wittmann, welcher ihm gänzlich unbekannt war, so heftig auf den Schädel, daß dieser zertrümmmert wurde. 8 In Sachen der Ermordung der Witwe Ftelitz ist die unverehelichte Bertha Schröter dem Unter- suchungSgefängnis zugesührt worden. Ihre Angaben über die Ausführung der That werden sehr in Zweifel gezogen. 8 Frankfurt a. M., 28. August. Gestern Abend gegen 8 Uhr begann bei prächtigem Wetter der Fackel- zug, an welchem 6000 bis 7000 Personen sich be teiligten. 8 Frankfurt a. M., 27. August. Die Festlichkeiten zum ISO. Geburtstage Goethesjhaben heute mit einem HuldtgungSakte vor dem Denkmal des Dichters ihren Anfang genommen. Den Glanzpunkt der Feier bildet« da« große Konzert im Hippodrom,