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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche GerichLsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 41. Freitag, den 26. Mai 1876. TagesgeschichLe. Wir erinnern unsere Leser wiederholt daran, daß die 5-Pfennig- Groschen-, 2- und ä^-Groschenstücke im öffentlichen Verkehr nur noch bis Ende dieses Monats bleiben dürscn. Dresden, 23. Mai. Laut eines heute an die Kammern ge langten kgl. DecretS soll der Landtag Mitte Juni geschlossen werden. — Die Regierungsvorlage wegen des Ankaufs der sächsisch-thüring- schen Eisenbahn für den Staat wurde heute von der zweiten Kammer an die Finanzdeputation zur Berichterstattung verwiesen. Die sächsische Negierung halte beim gegenwärtigen Landtage eine Vorlage wegen einer nochmaligen Bewilligung von 480,000 M. für den Neubau des Dresdner Polytechnikums eingebracht., Der hier über von der Finanzdcputation der 2. Kammer erstattete Bericht äußert sich sehr ungehalten über die enormen Kostenüberschreitungen, welche bei diejcm Staatsbau abermals vorgckommcn sind. Ursprünglich sollte er annährcnd 500,000 Thlr. kosten und nunmehr muß das Land über 1,000,000 Thaler dafür ausgeben. Die Deputation sagt, daß die ganz außerordentlichen Ueberschreituugen des Veranscblages unent schuldbar bleiben, weil die am Bau Betheiligten in keiner Weise den von den Ständen bewilligten Mitteln entsprechend ihre Einrichtungen getroffen hätten. Nichtsdestoweniger schlägt die Deputation die Be willigung der Nachfordcrung vor und nur betreffs einer an den Leiter des Baues, Baurath Heyn, zu zahlenden Remuneration sind Meinungs verschiedenheiten entstanden. Nach einer Meldung der „B. B.-Ztg." aus Dresden ist am 22. Mai daselbst ein Vertrag wegen des Verkaufs der Chemnitz-Kommotaucr Eisenbahn an den Staat von beiden Parteien vollzogen worden. In den Loschwitzer Bergen ist Wein und Obst fast völlig er froren, ja sogar viele Eichen, Buchen und Nußbäume, selbst Heidel und Preißelbeercn haben gelitten und der Spargel ist tief in die Erde hinein erfroren. — Auch in der Lößnitz und in den Lockwitzer Wein bergen hat die niedrige Temperatur sehr bedeutenden Schaden gcthan. An vielen Orten sank das Thermometer bis 2 Grad unter Null und es sind infolge dessen Weinschößlinge, junge Kartoffel- und sonstige Gemüsestauden und fast alle Blüthen erfroren. In Großenhain wird auf Aregung des GewerbcvereinS zu Bautzen auf Kosten des Verbandes der Oberlausitzer Gewerbevercine zu Ehren des Nentamtmanns Preusker, des Vaters der Gewerbe- Vereine, bei Gelegenheit des nächsten sächsischen Gcwcrbecongresses eine aus Eisenguß hcrgestellte Votivtafcl am Nentamtgebäude errichtet und enthüllt werden. Zwöni^, 21. Mai. Gestern brannten in der Kirchgasse 8 Wohn häuser und 2 Scheunen nieder. Nachmittag Uhr ausgcbrochen, Verbreitete sich das Feuer über die alten Holzgebäudc mit rasender Schnelle, so daß von den anwesenden 22 Spritzen der Umgegend nur die Werke von unseren Nachbargemeinden Kühnhaide und Nieder- zwöuitz erfolgreich eingreifen konnten. Der Brand hat vorzugsweise Unbemittelte betroffen, die durch die Feuergefährlichkeit ihrer Woh nungen in keiner Versicherungsgesellschaft Aufnahme fanden. Auch unsere Kirche erleidet einen erheblichen Verlust. Durch das Stürmen mit den Kirchenglocken erhielt die große Glocke einen Sprung, der sie unbrauchbar macht. Der Schaden an der Glocke wird auf circa 3000 Mark geschätzt. Die Uebcrführung der Leipzig-Dresdner Bahnen in den Staats besitz hat mit Eröffnung der Confcrcnzcn zwischen den Organen der Königl. Staatsrcgierung und der Leipzig-Dresdner Eiscnbahngescll- schafl am Mittwoch ihren Anfang genommen. Die Verhandlungen finden im Königl. Finanzministerium selbst statt und läßt alles er warten, daß am I. Juli der Uebergang der Bahnen an den Staat vollendet sein wird. Bis zn diesem Tage wird die Auflösung des Directoriums und Ausschusses dieser Bahn bewirkt, die Bahn förm lich dem Staate übergeben sein. Die materielle Ucbergabc der Ge schäfte, Gebäude, Transportmittel n. s. w. dürfte wohl schon in den nächsten Wochen vorbereitet und ausgeführt werden. Vom landwirthschaftlichen Kreisvereinc im Voigtlande werden in nächster Zeit mehrere Zucht-Rindvich-Ausstcllungen veranstaltet, und zwar am 31. Mai in Plauen am 7. Juni in Werdau. — Für die aus dem Vereinsbezirke zu diesen Ausstellungen ge brachten Thierc hat die königliche Gcneraldircction der säch sischen Staatsbahnen insofern eine Transportvergünstigung gewährt, als die unverkauft nach der Aufgabestation zurückgehenden Zucht-Rind- Vieh-Stücke frachtfrei zu befördern sind, wenn der Frachtbrief über den Hintransport und ein Zeugniß des Directoriums des landwirth- schaftlichcn Kreisvcreins darüber, daß die Thiere unverkauft zurückge hende Ausstellungsobjccte sind, beigebrachl werden. Das preußische Herrenhaus hat ebenso wie das Volkshaus das Reichseisenbahngesctz angenommen und zwar mit 60 gegen 31 Stimmen. Für dasselbe hatten Bismarck, Camphausen und Achenbach das Wort genommen. Das alte Wort, daß ein Unglück selten allein kommt, hätte in Berlin dieser Tage beinahe eine neue Bestätigung gefunden. Der vielfach erprobte und bewährte Finanzminister Camphausen stand bereits auf dem Sprunge, seinem Freunde und Gesinnungsgenossen Delbrück in den Ruhestand nachzufolgen. Die Gefahr scheint jetzt wieder gehoben und vorüber zu sein, vielleicht um so schneller, je größer der Eindruck gewesen sein soll, den auf den Fürsten Bismarck das einstimmige und sehr entschieden ausgesprochene Bedauern der ganzen deutschen Presse über den Rücktritt Delbrücks gemacht hat. Es huschen aber noch immer Schatten hin und her wie Gespenster. Unter den Bekanntmachungen des Berliner Stadtgerichts in der Sonnlagsnummer der „Voss. Ztg." befindet sich folgender Steckbrief hinter Graf Harry von Arnim: Der kaiserlich deutsche Botschafter z. D., Wirkliche Geheime Rath Or. zur. Graf Harry von Arnim, am 3. October 1824 zu Moitzelfitz geboren, ist wegen vorsätzlicher Bei- sciteschaffung amtlich anvertrauter Urkunden zu neun Monaten Gc- sängniß, wovon ein Monat der erlittenen Untersuchungshaft auzu- rechuen, rechtskräftig vcrurthcilt. Diese Strafe hat bisher nicht voll streckt werden können. Es wird ergebenst ersucht, auf den Grafen Harry von Arnim zu vigilircn, ihn im Bctretungsfalle festzunchmcn und mit allen bei ihm sich vorsindenden Gegenständen und Geldern mittelst Transports an die königliche Dircction des Strafgefängnisscs am Plötzensee abzuliefern. Es wird die ungesäumte Erstattung der dadurch entstandenen baaren Auslagen und den verehrlichen Behörden des Auslandes eine gleiche Rcchlswillfährigkcit versichert. Berlin, den 16.'Mai 1876. Kgl. Stadtgericht, Abth. für Untersuchungssachen. Deputation VII. für Vergehen. Es ist dieses dieselbe Abtheiluug des Stadtgerichts, die unter dem Vorsitze dcS Stadtgerichtsdirectors Reich am 19. December 1874 das Urtheil erster Instanz gegen Graf Harry von Arnim fällte und nach beschrittener Rechtskraft die Vollstreckung des Urtheils zu ver fügen hat. Den Frühling konnten auch die mächtigen Kanzler in Berlin nicht machen, aber den Frieden. Gottlob! sagte Kaiser Franz Joseph zu den Ungarn, wir brauchen unsere Uchatius-Kanoncn noch nicht! — Und sein Minister Graf Andrassy sagte aufathmend: Wir sind mindestens auf ein Jahr wieder über dem Wasser. — Der alte Moltke ist aus Italien zurückgekehrt und will den Frieden auf seinem Gute in Schlesien genießen. Wenn die Zeitungen aller Zungen ehrlich sein wollen, so müssen sie sagen, wir wissen von dem, was die Kaiser und die Kanzler in Berlin über den Orient beschlossen haben, blutwenig. Das Miß trauen gegen Ruhland ist groß und allgemein, Peters des Großen Testament weist seit mehr als 100 Jahren auf Constantinopel und nie ist ein Testament strenger befolgt worven, wenn auch der Vollzug langsam vor sich geht. Rußland weint sich die begehrlichen Augen nicht blind, wenn der kranke Mann etwas rascber nach Asien „abge schafft" wird, wie die Oesterreicher sagen. Der Sultan weiß das und träumt Tag und Nacht böse Träume. Wie alle Despoten schleppt