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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- iag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag Uhr. Inserate werden mit p Pf. 'für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 133. Freitag, den 6. November 1903. 2. Jahrgang. Bekanntmachung. Alle diejenigen, welche ihre Kranken- und Jnvaliditätsversicherungsbeiträge vom Al 4. Oktober bis 31. Oktober 1903 K noch nicht abgeführt haben, werden nach Z 20 des Statuts ersucht, selbige bis spätestens den 7. November 1903 abzuliefern. Andernfalls wird das geordnete Mahnverfahren eingeleitet. Die Krankenkaffenverwaltung. Stein, Vors. Oertliches und Sächsisches. Bttendors-Gkrilla, 5. November 1903. Dresden. Am Donnerstag abend ließ sich nahe der Militär-Etablissements von einem Eisenbahnzuge der erst diesen Herbst beim 48. Artillerie-Regiment eingetretene Rekrut Hempel überfahren. Er soll seit einigen Tagen schwermütig gewesen sein. — Der große Spielerprozeß, der gegenwärtig vor dem königl. Landgericht verhandelt wird, wird wahrscheinlich noch die ganze Woche in Anspruch nehmen. Eimr der am meisten Ge- rupfien, der Kaufmann Herzfeld, Inhaber des größten Dresdner Warenhauses, verlor au einem Abend 7000 Mark. Der Bierhändler Renner sogar 10000 Mark und verschiedene Rentiers Summen in Höhe von 2000 bis 9000 Mark. Bei den Glücksspielen handelt es sich zumeist um Leute, die ihren angegebenen Beruf nur scheinbar nachgehen, deren Hauptenverbsquelle das Glücksspiel war. Mehrere gelten aber als gute bürgerliche Existenzen. Mit Kleinigkeiten haben sich die Angeklagten nicht abgegeben- Es sind Leute, die nach einem regelmäßigen Plane die Nacht zum Tage machen, abends an die „Arbeit" gehen, am Tage schlafen und dabei höchst nüchterne, kalt berechnende, äußerlich tadellos feine, vornehme Menschen sind. Die Angeklagten wandten die raffiniertesten und ge wagtesten Mittel an, um ihr Ziel zu erreichen. Im Cafo König und im Viktoriahaus sprengten sie Skatklubs reicher Leute. Insbesondere hatte man es dabei auf den reichen Kaufmann Renner abgesehen, dem die Spieler sogar bis nach Bad Gastein nachreisten, um ihn zu rupfen. Als die erste Nachricht von einer gerichtlichen Unter suchung in die Oeffentlichkeit drang, verdufteten die Spieler nach Budapest und Wien, wurden aber dort als gefährliche Ausländer alsbald ausgewiesen. Tas abends in der 9. Stunde verkündete Urteil lautete für Lehmann auf 1 Jahr 3 Monate Gefängnis, 600 Mk. Geld strafe oder 120 Tage Gefängnis und 5jährigen Ehrenrechtsverlust, für Hirsch, unter Wegfall stellung einer ihm am 29. Mai d. I- zuerkannten Zmonatigen Gefängnisstrafe, auf insgesamt acht Monate Gefängnis und 2000 Mk. Geldstrafe oder 200 Tage Gefängnis, für Albinus, Berthold und Lau auf je l O Monate Gefängnis und 600 Mark Geldstrafe oder 120 Tage Ge fängnis, für Petras auf 10 Monate Gefängnis und 1200 Mark Gelostrafe oder 240 Tage Gefängnis, für Eichhorn, /Schieritz und Wey mann auf je 4 Monate Gefängnis und 300 Mark Geldstrafe oder 60 Tage Gefängnis, für Herschel auf 6 Monate Gefängnis und 1200 Mk. Geldstrafe oder 240 Tage Gefängnis, für Forker und Glänzel auf je 150 Mark Geldstrafe oder 30 Tage Gefängnis, für Ernst Minne senior auf 100 Mark Geldstrafe oder 20 Tage Ge fängnis, sowie für Oskar Minne junior auf 300 Mark Geldstrafe oder 60 Tage Gefängnis. Bei Albinus gelten 2 Monate, bei Petras 1 Monat und bei Lehmann 3 Monate als verbüßt. — Gestern vormittag stürzte ein Klempner lehrling, der sich unbefugterweise an Dacharbeiten auf der Antonstraße beteiligt hatte, ab und erlitt schwere Verletzungen, die seine sofortige Ueber- führung in das Friedrichstadter Krankenhaus notwendig machten. An seinem Aufkommen wird gezweifelt. — Durch die Unsitte, von einem in voller Fahrt befindlichen Straßenbahnwagen abzu springen, kam am vergangenen Sonntag ein Lokomoiivenführer auf der Pillnitzer Straße zu Falle und zog sich eine Armverstauchung zu. Kleinzschachwitz. Der hier wohnhafte Arbeiter Bunde wurde am Montag in der Schneidemühle von O. Spalteholz in Laubegast durch die Kopfsäge an der rechten Hand schwer verletzt. Niedersteina bei Pulsnitz. In begreiflicher und gewaltiger Aufregung befindet sich seit Mittwoch die Gemeinde. War doch seit Montag den 26 Oktober nachts die lahme und gebrech liche 28 Jahre alte, bei der Gutsbesitzerin Schäfer in Niedersteina bevienstete Magd Josepha Schnelenska aus Kempten verschwunden und am 30. Oktober in einem der Schäfer gehörigen, wenn auch nicht tiefen, jedoch sehr schlammigen Teich tot aufgefunden worden. Es war sofort einleuchtend, daß an der Schnelenska ein Mord begangen worden war. Durch die vom Ober gendarm Krauß in Kamenz und Gendarmerie- Brigadier Grellmann in Großröhrsdorf gehaltenen eifrigen und umsichtigen Recherchen wurde noch am 30. Oktober abends der Täter in der Person des 18 Jahre alten Maurerlehrlings Max Garten aus Niedersteina festgestellt, verhaftet und an das königliche Amtsgericht Pulsnitz eingeliefert. Obgleich die Schnelenska kein öffentliches Vergnügen besuchte, hat sich Garten ihr doch zu nähern gewußt und mit ihr intimen Verkehr gepflogen, der nicht ohne Folgen ge blieben war. Dieses Vorkommnis und daß Garten oft von seinen Jugendfreunden gehänselt wurde, mögen der Beweggrund zu der Tat gewesen sein. Garten hatte am 26. Oktober abends 10 Uhr sein Opfer aus dem Gehöft herausgelockt, um daS Mädchen angeblich nach einem in der Nähe gelegenen Oct zu einer Hebamme zu führen. In dem etwa 2000 Schritte vom Gute entferntliegenden Teiche ist dann die Tat ausgesührt worden. Der Täter hat dann den Regenschirm seines Opfers wieder mit zurückgenommen und ihn ihm Gehöfte Schäfers niedergelegt. Geradezu empört war die Bewohnerschaft, als G. bei Gegenüber stellung der Leiche die Frechheit besaß, die Ermordete nicht zu kennen. Wenn sich auch Garten von Haus aus aufs Leugnen legte, so hat er sich doch eines Besseren besonnen und die Tat unter gewissen Umständen eingestanden. Die Leiche ist in die Parcntationshalle nach Pulsnitz übergeführt worden. Nossen. Ein freches Bürschchen wurde am Abend des Neformationsfcstes auf dem hiesigen Bahnhof festgenommen. Der zehnjährige Junge, namens Mißbach aus Roßwein, war am Vor mittag des genannten Tages in den Parterre räumlichkeiten eines Geschäfts auf der unteren Bahnhofstraße eingestiegen und hatte daraus ein Kästchen mit Briefmarken und Wechselstempel marken entwendet. Später brach er in den Wagen der Kleinbahn ein, in welchem sich die Fahrkarten befanden, und stahl daraus zirka 100 Stück Fahrkarten. Radeburg. Gestern früh machte in Bärns dorf der Wirtschaftsbesitzer und Gemeindevorstand H. auf dem Boden seiner Behausung seinem Leben ein jähes Ende. Ueber den Grund zu dieser Tat ist bis jetzt nichts weiter bekannt. Frankenberg. Ein Unglücksfall mit töd lichem Ausgange ereignete sich beim Brunnen bau auf dem Grundstücke des Bauunternehmers Uhlig in Ebersdorf. Als der Maurer Seltmann sich in den Brunnen hinablassen wollte, riß das Seil und Seltmann stürzte hinab. Letzterer erlitt dabei so schwere Verletzungen, daß er ihnen unter entsetzlichen Leiden erlag. Seltmanns Witwe sieht ihrer Niederkunft entgegen. Geyer. In der Luxuspapierwarenfabrik zu Elterlein kam der im 16. Lebensjahre stehende Arbeiter Plütsch in die Transmission und wurde sofort getötet. Oberoderwitz. Ein köstliches Kleinbahn- Idyll wird den „Bischofsw. Nachr." berichtet. Seit 1. Oktober ist von Oberoderwitz aus eine Sekundärbahn nach Neukunnersdorf in Betrieb, aber die Läuteglocke auf der Lokomotive dieser „Bimmelbahn" ist gleich nach den ersten paar Wochen geplatzt, so daß sie nicht mehr zu ge brauchen war. Nun hätte man ja einfach eine neue kaufen können, aber da kam ein intelli genter Kopf auf den Gedanken, einfach einen Puffer auf den Tender zu legen, den der Lokomotivführer mit einem Hammer bearbeiten muß, um das nötige „Gebimmel" zu erzeugen. So „bimmelt" man denn auf der Strecke Oberoderwitz—Neukunnersdorf fröhlich auf einem Puffer und dem Staat bleibt die Ausgabe für eine neue Glocke erhalten. — Durch ein Schadenfeuer wurde gestern abend hier das zweistöckige Wohnhaus der Witwe Bartsch bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Infolge dichten Nebels war das Feuer nur in nächster Nähe wahrzunehmen und Rad fahrer mußten nach Spritzen ausgesandt werden. Bei den Löscharbeiten wurden durch den Ein sturz des Schornsteins drei Feuerwehrleute leicht verletzt, während ein Nachbar besinnungs los vom Platze getragen werden mußte. Das Feuer war in der an das Haus angebauten Scheune entstanden. Bischheim. Die Frau eines Hausbesitzers wurde von einer an Krämpfen erkrankten Ziege in die Hand gebissen. Nach einigen Tagen stellten sich in der geringen Wunde heftige Schmerzen mit Anschwellung des Armes ein und der Arzt ordnete die Ueberführung der Frau nach Dresden in ein Krankenhaus an, wo diese an Blutvergiftung gestorben ist. Roßwein. Eine ungeahnte Ueberraschung wurde dem früheren Friseur, jetzigen Fleisch beschauer Illgen hier zu teil. Als derselbe noch sein Friseurgeschäft hatte, entwendete ein an gestellter Gehilfe aus der Ladenkaffe nach und nach in 10-Pfennig-Stücken einen kleineren Betrag, ohne daß hiervon Illgen etwas gemerkt hatte. Jetzt nun, nach reichlich zehn Jahren, kam die Reue über den einstigen Missetäter, der durch einen Freund seinem früheren Chef als Deckung der unterschlagenen Summe 5 Mk. sandte und die erbetene Verzeihung seiner Jugendsünde von seinem früheren Chef erhielt. Leisnig. Eine gemeine Tat, die jedenfalls auf einen Racheakt zurückzuführen sein dürfte, wurde gestern früh im Schützenhause verübt Als das daselbst in Stellung stehende 17jährige Dienstmädchen die Küche betreten hatte, um dort eine Kehrichtschaufel zu holen, wurde sie von einem daselbst verborgenen Individuum plötzlich überfallen und durch Messerstiche in Hals und Arm erheblich verletzt. Die polizeilichen Re cherchen nach dem Attentäter sind im vollen Gange. Da Geld oder Wertgegenstände nicht vermißt werden, ist ein Raubmordversuch wohl ausgeschlossen. — Ein Meteor wurde am Montag früh ^5 Uhr am westlichen Himmel wahrgenommen. Es verbreitete einen intensiven grünlichstrahlenden Schein, der so grell war, daß trotz des starken Nebels kilometerweit entfernte Häuser deutlich sichtbar waren. Auch in der Oberlausitz wurde ein Meteor bemerkt. Freiberg. Produkte aus der Kaninchenzucht (lohgar gegerbtes Kaninchenleder in schwarzer Zurichtung zu Schuhledern, weiter für Sattler zwecke in verschiedenen bunten Farben, fertiges Schuhwerk aus Kaninchenleder usw.) waren erstmalig auf der diesjährigen, reichbeschickten Kaninchenausstellung, welche vom 31. Oktober bis 3- November der hiesige Kaninchenzüchter verein im Hotel „zum goldenen Stern" ver anstaltete, ausgestellt und erregten allseitiges Interesse. Zittau. Durch Verschüttung fand am Dienstag auf dem hiesigen Kohlenwerk „Germania" der Häuer August Finger aus Oberseifersdorf seinen Tod. Der Verunglückte konnte erst nach einstündiger angestrengter Tätigkeit unter den Massen als Leiche hervor gezogen werden. Olbernhau. Bei der Gemeindebehörde zu Niederneuschönberg wurden im Laufe des dies jährigen Sommers 129 Kreuzottern abgeliefert, für die eine Prämie von je 50 Pfg. gewährt wurde. Meißen. Die heurige Weinernte in den der Stadt gehörigen Bergen, im Ratsweinberge, in dem der Stadt durch Vermächtnis zu gefallenen Crassoberge und in dem neuerworbenen v. Hagenschen Weinberge in Oberspaar hat insgesamt rund 160 Zentner Trauben ergeben. Es wurden daraus 5700 Ltr. Most gepreßt, von denen 1440 Ltr. verkauft wurden, das Liter zu 70 Pfg., und 4260 Ltr. in den Keller zum Vergären kamen. Die Qualität war befriedigend. Pirna. In selbstmörderischer Absicht hat sich am Sonntag früh eine Person, welche nur mit Hemd und Jacke bekleidet war, der Wetter säule an der Brückcnstraße gegenüber auf die Schienen der Bodenbacher Bahnlinie gelegt. Der Lokomotivführer eines die Strecke passieren den Güterzuges bemerkte den weißen Gegen stand und hielt den Zug an, konnte aber nicht verhindern, daß einige Wagen darüber hinweg- rollten. Als der Zug stand, zog man die Unglückliche hervor. Die Frau hatte nur leichte Verletzungen am Rücken und wurde sofort in ärztliche Pflege gegeben. Großschönau. Dis Gasexplosion, die am 17. v. M. im Hause des Gemeindevorstandes Eichler hier stattfand, hat ein Opfer gefordert. Die Wirtschafterin des Herrn Eichler, Frau Weimark, die damals erhebliche Brandwunden im Gesicht und an den Händen erlitt, ist im Krankenhause in Zittau gestorben. Großenhain. Angesichts des fortdauernden Andranges von Amerika-Auswanderern über die österreichische Grenze hat das sächsische Ministerium des Innern eine schärfere polizei liche Ueberwachung des fremden Auswander verkehrs an der ganzen sächsischen Grenze an geordnet. Leipzig. Mit einem vierpferdigen Motor fahrrade soll auf hiesigem Sportplätze eine Radrennschleife durchfahren werden. Zwar hat jedermann das unveräußerliche Recht, sich den Hals zu brechen, wenn er Lust hat; hoffentlich verbietet aber die Polizei dennoch endlich diese wahnsinnigen Sportsauswüchse. — Die Sammlungen für die Crimmitschauer Weber kommen hier jetzt in lebhafteren Schwung; eine Volksversammlung beschloß, daß jeder Ge nosse pro Woche 50 Pfg. zu zahlen habe, so lange der Kampf dort dauert. — Das Gebäude der ehemaligen Leipziger Bank in der Klostergasse wird nach anderweiten Dispositionen nicht fallen, sondern erhalten bleiben, um ein großes Restaurant aufzunehmen. Sollte der Besitzer des letzteren um dessen Be zeichnung verlegen sein, so schlagen wir vor: „Zum blonden Exner" oder „Zum fidelen Bankdirektor" oder sonst so etwas ganz zeit gemäßes. Plauen i. V. In einer Sandgrube stürzte eine Kieswand ein und verschüttete die Arbeiter Gotischald und Gröschel. Beide wurden ge rettet, doch schwer verletzt.