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Aliklihal-Zkilmg. Lokalblatt für Aue, Auerhammer, Zelle-Klöfterlrin, Rieder- u Oberpfannenstiel, Lauter, Bockau, Bernsbach, Beyerfeld, Lachsenfeld nnd die umliegenden Ortschaften. schein, Wit 3 issustrirten Neiökättern: Jns^at. «Utwoch», Freitags»-««tag». Deutsches Aamilienblatt, Hute Heister, Zeitspiegel. Abonnementspreis " lacl. dn ^erlbv°llen "df. r' Verantwortlicher Redakteur Emil Hegemeister in « ue (Erzgebirge). durch die Post 1 M. 28 Pf. Redaktion u. Expedition: An», Marktstraß«. die einspalltge EvrpuSzeile 10 Pf., die volle Seite 30, >/r S. 20, >/, St. 6 Mk. bei Wiederholungen hoher Rabatt. Alle Pvstanstalten und llandbriestrLger nehnien Bestellungen an. No. 25. Sonntag, den 26. Februar 1893. 6. Jahrgang. Wasserwerk Aue. Wir bringen hierdurch zur ösfenllicheu Kenntniß, daß die städtischen Eollegien den Preis für 1 odm Wasser vom I. Januar 1893 an auf 15 P^g festgcfetzl haben. Aue, am SO. Februar 1893. Der HlcrtH der Stadt. vr. Kr etz schmor. E. Kealschlilkm. PnWMGm zu Mbrrg j.Eyßkb. Anmeldungen für das neue Schuljahr werden baldigst erbeteu. Die Schecke legt neben der Pflege tüchtiger wissenschaftlicher Kenntnisse besonders Gewicht auf Erziehung und Bildung de» Charakters. Gute und billige Unterkunst in hie sigen Familien vermittelt, sowie jede nähere Auskunft ertheilt Der Direktor: liiisvdv. Bestellungen auf di« WM-Auerthat'-Ieitung (No. 665 der ZellungSprei-liste) für Monat März werden in der Expedition (Aue, Marktstraße), von den Aus trägern des Blattes, sowie den Landbriefträgern jederzeit gern angenommen. Krpedilion der „AuertHal-Aettung," L)i»N Politische Nachrichten. Deutschland. Berlin, den 23. Februar. — Die Regierung hat nach der Erklärung an die Landwirte, daß sie sich durch Drohungen nicht einschüchtern lassen werde, durch den Mund Caprivis davor warnen lassen, an den Grundfesten les Staates zu rütteln. Der Staat gehe schweren Zeiten entgegen, und doppelt gefähr lich sei es deshalb, die Klassen gegen einander aufzuhehen. Caprivi selbst würde gern zurücktreten, wenn er nicht den Glauben hätte, durch Verharren bei seiner „verfluchten Pflicht und Schuldigkeit" dem Staate zu nützen. Auch die Landwirtschaft möge das allgemeine Wahl bedenken. Wir glauben, daß diese Worte in den Wind gesprochen sind. Die Erregung der preußischen Agrarier ist zu groß, da- Rad ist zu lehr ins Rollen gekommen, als daß jetzt noch der Hemmschuh ruhiger Uebcrlegung angelegt werden könnte. Der Handels-Vertrag mit Rußland ist heute noch »eit vom Abschlüsse entfernt, ja noch nicht einmal die Vorverhandlungen sind beendet. Und doch schon diese tiefgehende Erregung! Welch ein Sturm vollend« wird sich erheben, wenn der Abschluß gelingen sollte und der Vertrag vor den Reichstag käme? Es wird Austritte geben, wie sie unsere Volksvertretung noch nicht geschaut hat. Denn ebensowenig, wie die ReichSregierung sich einschüchtern lassen will, werden auch die Vertreter der Landwirte zurückweichen. Man hat aus Anlaß der neuen Militärvorlagr öfter an einen Konflikt zwischen Reichsregierung und Reichstag ge dacht. Wahrscheinlich bleibt er hier aus, um desto sicherer an einer anderen Stelle, eben bei der Beratung des rus sischen Handelsvertrags, emporzusteigen. Er wird sich nicht in der Form der Sieichstag«auflösung äußern, sondern in einer unversöhnlichen Verstimmung eines großen Teiles der konservativen > artei, nicht als hitziges sondern schlei- chendes Fieber. ES sei nochmals kurz die Entwicklungsgeschichte dieses bedenklichen Konfliktes wiederholt. So lange Fürst Bis marck Reichskanzler war, bestanden über landwirtschaftliche Fragen selten oder niemals größere Streitigkeiten. Nun liefen mit dem Jahre 1892 die Handelsverträge ab, welche Deutschland mit fremden Staaten geschlossen hat, und wie dec Reichskanzler Graf Capr-.vi wieverhvtt ausgefühcl hat, würde Deutschland sämtliche Absatzgebiete, für welche die Verträge beendet waren, verloren Haden, wenn es sich nicht zu den Handelsverträgen entschlossen hätte. Der Reichskanzler tilgte hinzu, daß trotz aller Bemühungen die Verträge nicht anders zu haben gewesen wären, als in der abgeschlossenen Form. Von feiten der landwirtschaftlichen Vertreter wurde auch zugegeben, daß die Zollheradsetzung nicht allein den wesentlichen Preissturz sür Getreide her- beigesührt habe. Der Widerstand regte sich aber, als auch dem russischen G-treide, dessen Einfuhr gewaltig nachgelassen hatte, die Zollvergünstigung gewährt werden sollte, und als es schien, als ob die Regierung überhaupt mehr Gewicht aus die Industrie al- auf die Landwirtschaft löge. Die Reichsregierung unter Fürst Bismarck erhob di« Landwirt schaft zum ersten der Nährstände, heute betonen die ver bündeten Regierungen, daß Landwirtschaft, Industrie und Handel in einer Reihe stehen, und die verschiedenen In teressen sich gegenseitig auSzugleichen haben. Währen» Bismarck jederzeit behauptete, das Ausland trage den Zoll, erklärte Caprivi, daß das Reich sür die Landwirtschaft große Opfer gebracht habe und daß die Kornzöll« eine schwere Last sür das Volk seien. Diese Erklärung »ar Oel ins Feuer, denn sie bewies klor di- Richtigkoit »es Verdachts, »aß Caprivi in der LandwirlSschajtssrage anderen Ansichten huldigt als sein Vorgänger. Damit rüttelt «r alle die konservativen Landwirte des Reichstages zu eenem Widerstande auf, der sich über den russischen Handelsverwag hinaus erstrecken wird. Wenn sich, wie gesagt, die Regierung auch nicht rin- schüchtern lassen wird, jo beweist doch ihr vorsichtig»« Unterhandeln, daß sie sich von den wirts hastlichrn Bedenken nicht sreimachen kann. Im August vorige» Jahre«, haben die Besprechungen auf Antrag der Petersburger Regierung — nicht der deutschen Reichsregierung — begonnen und noch heute ist mon nicht über die Vorverhandlungen hinaus. — Durch Kaiserliche KabinettSordre »«den die näheren Bestimmungen für die diesjährigen Kaisermanöver erlassen. Dieselben finden in vekannter Meise beim 8., 14. und 16. Armeekorps statt. :vuch da« 13. Armeekorps wird teilweise in die Uebungen mit eingreifen. — Zwischen dem bisherigen Generalgouverneur »on Deutsch-Ostafrika, dem Freiherrn von Soden, und der Reichsregierung herrscht ein sehr gespannte« Verhältnis. Herr von Soden hat seinen Amtssitz Dar-eS-Salaam (Nachdruck verboten). Aeuilleton. Kriminal-Skizzen. Die Gericht«kneipe. E« ist eine Beobachtung, die man in allen größeren Städten macht, daß in der Nähe de« GerichtSgebäude« sich «ine Anzahl Restaurationen etabliren, die hauptsächlich auf di« Kundschaft solcher Personen rechnen, welch« von »er Madame Themis zu Gast geladen werben. In besonder» auffälliger Weise tritt dies« Erscheinung in Moabit zu Tage, wo sich da« große Berliner Krimi- nalgerichtSgebiude befindet. Eine ganze Menge größerer und kleinerer Kneipen sind in der Umgebung des Justiz palaste« entstanden. Wenn sich des Morgen« die Säle und Korridore de« GerichtSgebäude« zu füllen beginnen, dann entwickelt sich muh in diesen Kneipen ein reges Leben. Versuchen «vir, einig« der Szenen, d e sich hier abspielen, fcstzuhalten. Ein Man,« in der Kleidung eines Arbeiters betritt die Gaststube und verlangt mit finsterer Miene einen Schnaps, während er in lebhafter Aufregung den kleinen Raum durchmißt, wirft der Wirth ihm einige beobachtende Blick« zu. Sein kundige« Auge hat e« sogleich erkannt, daß dieser Mann gewisse Beziehungen zum Just zpalast unter hält. Nicht al« Zeugri Zeugen sehen in der Regel weit vergnügter au«. Ihr« sichere Position, der unsicheren des Angeklagten gegenüber, und da« erhebende Bewußtsein, daß sie „etwas wissen', »«lrtht ihnzn rinr beneibenAverthe Gemüthsruhe. Unser Mann aber ist sehr unruhig, und endlich erklärt er dem Wirth, der längst darauf gewartet hatte baß er heute „drüben" — er begleitete diesen Ausspruch mit einer bezeichnenden Handbewegung nach dem Kriminal,ebäude — etwas zu thun habe. Er sei mit irgend einem Pa ragraphen in einen unangenehmen Konflikt geralhen. Er weiß nicht, wie dieser Paragraph hecht, aber jedenfalls sei eS ein lügenhafter Paragraph, den» er besage, daß er, Wilhelm Schulze, bestraft «erden solle, «ährend sein Ge nüssen ihn sreispreche. Nach diese« Paragraphen soll er in der Trunkenheit einen Menschen durchgeprügell haben. „Ich ... in der Trunkenheit . ..", ruft er voll Hohn, „und dabei bin ich Dachdecker!" Er schüttelt den Kopf, der Wirth schüttelt den Kops, und di« Gäste, die sich inzrvischen eingesunden, schütteln ebenfalls die Köpfe, al» finden sie e« schier unbegreiflich, baß ein Dachdecker in der Trunkenheit einen Menschen prügeln könne. „Als Dachdecker," fährt der Mann fort, „darf ich mich ja garnicht betrinken, denn «ie leicht könnte ich in die- fem Zustande von den höchsten Thürmen herabstürzen Diese Beweisführung sür seine Nüchternboldenhajtig- keit ist s, überzeugend, daß Alle bewundernd zu ihm aus blicken. „Sie haben Recht, durchaus Recht," stimmt ihm ein Mann bei, der einen abgeschabten Rock trügt und rin schmutzige« Aktenbündel vor sich aus dem Tisch liegen h»>. „Sie müssen in die oberste Instanz." „Ist die zehr hoch?" fragt der Dachdecker, der dabei an sein Handwerk denkt. „Aus «einer Borladung steht ein« Treppe hoch." „Ich meine, Ei« müssen Berufung «inlegen, wenn Sie verurtheilt werden," sagt der Akten«,nn. Ich will Ih ¬ nen den Prozeß führen, ich habe schon Manchen f«v- bracht." - „Ahl ... Da sind Sie wohl Advokatfragt der Dachdecker. t Der Mann schüttelt energisch den Kopf und giebt pan tomimisch zu verstehen, daß er »on den Advokaten pilz lich wenig halte. Er sei Volksanwalt und sei» reiche» juristisches Wissen stelle er ganz in den Dienst de« Lr« ' beiter- und Mittelstandes. Mandate au« der voraehwr» Welt nehm« er grundsätzlich nicht an. Er »olle erwar ten, bi« Herr Schulz zurückkvmme unv Ihm dann sagen, wa« in seiner Angelegenheit zu thun sei. Herr Schulz trinkt noch «inen Schuap» und geht dann „hinüber". Nach einer Stunde kommt der Dachdecker zurück, er ist sehr niedergeschlagen, denn da- Gericht hat thn zu sechs Wochen Gesängniß verurtheilt. Der BolkSanwalt zuckt mit den Achseln. Bon einem Gerichte der untersten Instanz habe er nicht» andere» er wartet. Früher, als er noch Beamter im Justizdienst« go» wesen, da seien nur befähigte Leut« mit der Rechtspflege betraut worden. Aber, Gott sei Dank, es ged« ja noch oberste Instanzen. Er läßt dann ourchblicken, daß er mit den Richter» aus der „oberen Instanz" auf sehr vertraute« Fuß« stehe und manches bei ihnen auSrlchten könne. Ullerting» seien solche Unternehmungen mit Kosten verknüpft, «Md wenn er seine Arbeitskraft im Interesse der guten Sache auch ganz umsonst hergeben «olle, so müßten doch ««iß- sten» seine baaren Auslagen ersetzt werden. Der Dach decker zieht sein Portemonnaie au» der Tasche nnd bringt sieben Mark zusammen — fünf bekommt der menschen freundliche Anwalt und zwei «erde» sür Getränk« trftr» virt.