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Der Franzose wählt den Mann, nicht die „Liste", die Partei. Freilich ist auch das sranzö- ische Wahlrecht deswegen nicht durchaus vollkommen, denn sie Wähler müssen am nächsten Sonntag zum zweitenmal ihre Stimmen abgeben überall dort, wo beim ersten Wahl gang ein Kandidat nicht die absolute Mehrheit erhielt. Das ist aber bei etwa zwei Dritteln der Wahlkreise — die mit den Arrondissements, also etwa unseren Landkreisen, zusammenfallen — bei dem ersten Wahlgang der Fall ge wesen, so daß am 22. dieses Monats erst etwa ein Drittel Abgeordneter endgültig gewählt worden ist, man daher aber die endgültige Zusammensetzung der Kammer vor läufig kaum etwas sagen kann. Allerdings ist aus der Stimmenabgabe schon jetzt fest zustellen, daß die Hoffnungen Poincarss und seiner Freunde auf einen überwältigenden Sieg doch «icht ganz in Erfüllung gegangen sind. Gewiß wird er in ser kommenden Kammer auf eine sichere Mehrheit rechnen !önnen. Aber einen Wermutstropfen haben die Wahlen »och in den Siegesbecher Poincares gemischt: das ist das Wahlergebnis in Elsaß-Lothringen, wo sie „Elenden", die „franzosenfeindliche Clique" — wie vor lurzem Poincarö in einer Straßburger Rede die Auto- lomisten bezeichnete — einen großen Abstim mung s s i e g errungen haben. Die Elsässer haben Wie ser einmal „protestiert", genau so, wie sie vor 50 Jahren m Deutschen Reichstag als „Protestler" sogar eine eigene Partei gebildet haben. Das Vorgehen der Pariser Regierung gegen diese .Autonomisten" hat also gerade den Erfolg gehabt, den eder Kenner elsässischen Volkstums Voraussagen konnte: »er Elsässer läßt sich nicht „regieren", von oben herab, also »on Paris aus, kommandieren. Genau sowenig — wir ^aben dies leider viel zu spät gemerkt —, wie er sich dies ron Berlin aus gefallen ließ. Es hat der Pariser Regie- mng nichts genützt, daß sie alle „Verdächtigen" verhaften äeß und kurz vor den Wahlen noch den großen Apparat Üner — bisher nur angekiindigten — Schwurgerichtsver- sandlung aufzog. Diese Mitglieder des „Heimatbu n- ses für Elsaß-Lothringen" sollten schnell noch tls „Verbrecher gegen die Sicherheit und Ordnung" infa- niert werden, sollte, um mit Poincarö zu sprechen, das ilsässische Volk durch seine Stimmabgabe weit abrücken wn dieser „Clique" — und nun ist der Vorsitzende dieses Heimatbundes, Ricklin, einst deutscher Reichstagsabgeord- teter, jetzt Untersuchungsgefangener, drauf und dran, in ne Deputiertenkammer einzuziehen. Die Front der elsäs- ischen Heimatbündler wäre noch viel breiter, viel ge- chlossener, wenn nicht innenpolitische französische Streit fragen sie umwogen würden. So sind die Sozialdemokraten wm Elsaß ihr 'ferngeblieben, sind Anhänger der Pariser Regierung, weil sie deren antikirchlichen Gesetze auch im Llsaß durchgeführt wissen wollen. Ein kleines Gefühl der Schadenfreude wird man in Deutschland nicht zu unterdrücken brauchen: diePariser Regier ungspolitik hat Schiffbruch erlit ten, die „erlösten" Provinzen haben mit größter Deut lichkeit gegen jene Maßnahmen protestiert, die dieses Sand, das elsässisch und nur elsässisch, „autonom" sein will, durchaus in die französische Uniform stecken wollen. Das deutsche Geld, das französischen Behauptungen zu- 'olge angeblich in der Heimatbundbewegung eine so zroße Rolle spiele, ist Schwindel; das wird auch der 'ommende Autonomistenprozeß hoffentlich beweisen. Wir Deutschen knüpfen darum an den Wahlausgang im Elsaß feine eigensüchtigen Wünsche, aber wir freuen uns, daß sie Elsässer durch die Wahlen ihrem Willen Ausdruck »eben, Stammesart und Eigenleben auch in Zukunft zu ivahren. Erdbeben m Griechenland. Korinth teilweise zerstört. Die Erdbebenwarten in Hamburg, Heidelberg und Jena hatten ein neues starkes Erdbeben verzeichnet. Der Erdbebenherd mußte nach den wissenschaftlichen Schätzun gen in einer Entfernung von 1700 bis 2100 Kilometer liegen. Jetzt weiß man, daß diese Erderschütterung in Griechenland erfolgt ist, und zwar in Patras und am Patrasgolf. Am schwersten gelitten hat die Stadt Korinth, die fast dem Erdboden gleichgemacht worden ist. Die Stadt bildet ein Ruinenfeld; fast sämtliche großen Gebäude sind ringestürzt. Die stehengebliebenen Häuser zeigen viele Riffe. Die Einwohner stürzten auf die Straße und durch ihre Schreie hindurch hörte man das Getöse der ein- stürzendcn Gebäude. In Kokonon find 25 Häuser ein- gestürzt. Ein Telegraphist von Korinth telegraphierte bis zum letzten Augenblick: „Hilfe, Hilse, alles verloren!" Dann erfolgte der Einsturz des.Telegraphenamtes und der Beamte wurde durch die Trümmer getötet. Das Ge fängnis von Korinth ist ebenfalls zerstört. Die Ge fangenen flohen, soweit sie nicht verunglückt sind. Auch viele Soldaten einer einstürzenden Kaserne wurden Opfer dos »eben«. llmtMm Wien I« IMM Ser erste französische Wahltag. Erst die Stichwahl entscheidet. Der Sonntag hat die Einleitung zu den französischen Neuwahlen für die Abgeordnetenkammer gebracht. Man muß von einer Einleitung sprechen, da höchstens ein Drittel der Abgeordneten Sonntag im ersten Wahlgang endgültig gewählt wurden, während zwei Drittel sich der am nächsten Sonntag, den 29. April, stattfindenden Stich wahl unterziehen müssen. Vorläufig sind folgende Re sultate festgelegt: Von den 612 Abstimmungen sind 602 bekannt. 175 Mandate sind besetzt, über 427 Mandate mutz in Stichwahlen entschieden werden. Von den 175 Gewählten gehören 72 der Republikanisch-Demokratischen Union an (Nationale Vereinigung), 41 sind Linksrepu- blikaner, 31 Radikale und Sozialistischradikale, 17 repu blikanische Sozialisten und 14 Sozialisten. Die Wahlen haben sich in ganz Frankreich ohne be sondere Zwischenfälle vollzogen. Der Wahlakt begann um 8 Uhr und wurde um 6 Uhr geschlossen. In Paris zeigte sich vor den einzelnen Wahllokalen die übliche Tätigkeit, die im Heranschleppen der säumigen Wähler besteht. Die Wahlbeteiligung ist beträchtlicher gewesen als bei der letzten Wahl im Jahre 1924. Bekannte Gewählte. Bei den ersten definitiv Gewählten fällt eine größere Anzahl Anhänger der Richtung Poincarös auf, zu denen gut die Hälfte der Mandatsträger zu rechnen ist. Briand und Herriot wurden mit starker Mehrheit wiedergewählt, während Kriegsminister Painlevö cm Wahlbezirk Gex mit einem Sozialisten in Stichwahl kommt. In Dijon wurde der radikale Bürgermeister Görard mit 10 300 Stimmen gewählt. In Hagenau findet Stichwahl statt zwischen dem früheren Abgeord neten Walter und dem Autonomisten Hauß, dem Sohn des früheren deutschen Staatssekretärs. In Belsort wurde Tardieu wiedergewählt. Der frühere Vize präsident der Kammer, Patö, sowie der Sozialist Vincent Auriol wurden wiedergewählt. Dagegen kam der Soziqlistenführer Blum in Paris nur in Stichwahl in Parts gegen seinen kommunistischen Wettbeiverber. Wiedergewählt sind der Präsident der bisherigen Kammer, Ferdinand Bouisson (Sozialist), sowie der Radikalsozialist Malvy, der Vorsitzende der Finauz- kommission der bisherigen Kammer, der demokratische Republikaner Bonnefou, der Sozialist Paul- Boncour und der Handelsminister Bokanowski. In Stichwahl kommen der Kommunist Marcel Cachin, der frühere Minister Georges Bonnet sowie der be kannte sozialistische Gewerkschaftsführer Ury-Oise. Unter den nicht wiedergewählten Mitgliedern der bisherigen Kammer sind zu erwähnen Reynaldy, der im Ministerium Herriot Handelsminister war, und Paul Morel, früherer Ünterstaatssekretär der Finanzen. lleberraschmg in Elsaß-Lothringen. Unter starker Teilnahme gingen die Wahlen in Elsaß- Lothringen vor sich. Sic bedeuten schon jetzt eine ent schiedene Absage a» den Regierungsknrs und die nationalistischen Poincarö-Blätter stimmen ein Wehe- gsschrei an. Große Erfolge haben die Autonomiften errungen, obwohl oder weil ihre Führer meistens im Gefängnis sitzen. In Mülhausen im Elsaß hat der Sozialist Grum bach, der in Stichwahl steht, die höchste Stimmenzahl erlangt, an zweiter Stelle steht der aus dem Hägy-Prozeß bekannte Advokat Krähling (Autonomist). In Straß burg steht Peirotes (Sozialist) im StichwahlkamPf mit dem Linksrepublikaner. Der autonomistische ehemalige Redakteur der „Zukunft", Schall, hat 3600 Stimmen er halten. In Gebweiler ist der rechtsstehende Bilger ge wählt. Im Marne-Departement steht der Sozialcepu- bUkanel Forgeot in Stichwahl mit dem sozialistischen Kandidaten. Im zweiten Wahlbezirk von Straßburg muß der Sozialist Georges Weill sein Mandat in der Stichwahl verteidigen. Der inhaftierte Autonomisten- führer Dr. Ricklin erhielt in Altkirch 5000 Stimmen, der als Heimatsverteidiger bekannte katholische Kandidat 4000. Zahlreiche Autonomisten kamen in die Stichwahl. Die Resultate des Unterelsaß geben mit denen des Ober elsaß zusammengenommen den Wahlen den Charakter von Oppositionswahlen. Ein neuer Polarsieg Wilkins überstiegt das Nordpolgebiet In 22 Stunden von Alaska nach Spitzbergen. Die überfliegung des Nordpolgebietes durch Wil kins und Eyels o n, die in etwas weniger als zwei undzwanzig Stunden über eine Entfernung von 3400 Kilo meter von Alaska nach Spitzbergen gelangt sind, ist als ein Ereignis von allergrößter Bedeutung für die Polar forschung zu bewerten. Die Newyorker Presse feiert den Flug als die größte Tat der bisherigen Luftfahrt und die Vereinigte - Staaten - Negierung hat den kühnen Fliegern telegraphisch ihre Glückwünsche ausgesprochen. Frith jof N a n s e n, der ja für alle Polforschung als allererste Autorität zu gelten hat, erklärte, daß dieser Flug „unter allen Umständen" als eine großartige Tat betrachtet werden müsse. „Unter allen Umständen" — das soll heißen, auch wenn der Pol selbst nicht überflogen worden sein sollte. Der gleichen Ansicht ist auch Amundsen, der feststellt, daß Wilkins und sein Begleiter jedenfalls über dem Polarbassin aewesen seien. Der amerikanische Flieger WiMnS, der jetzt den Nordpol überflog. Dr. Bowman, Direktor der amerilanischen geo graphischen Gesellschaft, erklärt, daß Wilkins beabsichtigt habe, bei überfliegung des Polarmeeres einen Rechtskurs einzuhalten und so ein Gebiet zu erforschen, von dem man annahm, daß dort Land vorhanden sei. Der Flug habe diese Frage endgültig geklärt und gleichzeitig KLarhett über verschiedene Gebiete in Nordgrönland gebracht. Nach diesem Fluae sei es sicher, daß. die flache Grenze des Das Nordpolargebiet. Pokarmeeres entlang der Küste von Sibirien ausgenom men, künftige Polarforschungen kaum noch zu weiteren Landcntdeckungen führen würden. Kapitän Wilkins habe nicht beabsichtigt, über den Nordpol selbst zu fliegen. Wilkins selbst äußerte sich über seinen Flug von Barrow in Alaska nach Green Harbour Sval bard folgendermaßen: „Wir stießen schon beim Abflug, infolge der starken Belastung des Flugzeuges auf Schwie rigkeiten. Dreimal brachen die Metallkufen des Apparats, bis es endlich gelang, auf der 1300 Meter langen Abflug bahn einen guten Start zu bekommen. Während der ersten 750 Kilometer des Fluges war das Wetter günstig. Dann kam Nebel auf und entzoa das „Land" für 150 Kilo-