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Adorter Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Dreizehnter Jahrgang. 'Preil für de« Jadrzanz bei Bestellung v,n der Post: t Thaler, bei Bestellung de« Blatte« durch Botenqelegenhekt 2» Neugroschen. 19. ,<>. Mai 1848 Der Wahlkampf in OelSnitz. Partei! Partei! wer sollt« sie nicht nehmen, Die noch die Mutter aller Sieg« war! G. Herwegh. Meine Bcschreihnng gilt vorzüglich euch Urwählern des dreizehnten Wahlbezirks, die ihr nicht Gelegenheit hallet in eigener Person das Schlachtfeld unserer Par teien zu überschauen, und daher nicht selbst mit ansehen konntet, wie sich die Leute eueres Vertrauens dort auf- geführt haben. Es war in der That die interessanteste Wahl, die jemals im Voigtlantc vorgekommen ist. Schon am frühen Morgen des 7. d. M. versammelte sich allmäh- tich die Schaar der Wahlmänner. Die Demokraten zogen schon bei Zeiten rin Korps von circa 40 Mann zu einer Vorvorberathung im Kasino zusammen; Bür- germeister Zinke aus Schöneck präsidirte. Der erste Redner war der (>an«I. ideal. und Schulmeister Röller von Siebenbrunn, der sich recht trefflich über die rcpu- dükanische Regicrungsform aussprach und die Wahl- n anner aufsorderre, sich nicht vor dieser zu fürchten. Trefflicher und praktischer sprach der zweite Redner, Wahlmonn Rödiger Mi. von Schönberg. Er warnte die Wahlmänner vor den falschen Profeten, die jetzt überall Freiheit schreiend auftauchten und die noch vor wenig Wochen öffentlich und unverschämt gegen die Freiheit de- Volkes auftratcn: Die Rede gefiel unge- »nein und der Präsides sprach dem Redner im Namen der Versammlung seinen Dank aus. Hierauf gicng man zum Vorschlägen der Wahlkandidaten selbst über. Mödiger bekannte, dass er für Bühlern sei, weil er den selben schon seit zwanzig Jahren als Kämpfer für die Freiheit kenne; sah aber auch zugleich ein, bass bei der herrschenden Stimmung, Böhler als Deputirter wohl mchl gut durchzubringcn sein werde, und erklärte sich daher für den Wahlkandidaten Trützschler, nachdem zwischen diesem und Rödigern einige kleine Differenzen, die Trützschler in seinem Programm zu erwähnen ver gessen hatte, beseitigt waren. Schließlich entschied man üch noch für öffentliche Vorberathung und Wahl, und gab sich daS Verbrechen, bei etwaigem Widerstande alle Mittel anzustrnden, diese Forderung durchzusetzen. — Bald daraus gieng öS zur eigentlichen Vorberathung aller Wahlmänner im Rathhaussaale. Die Borbera- lhung war öffentlich und einige Hundert Zuhörer hal ten sich eingefunden. 0r. Grimm aus Neukirch«» wur de durch Akklamazion zum Präsidenten erwählt. Dr. Grimm und Rektor Lohse aus Adorf schienen nicht übel Lust zu haben, die zu wählenden Deputirlen vorher die eidliche Versicherung abzunehmen, ja nicht für Republik zu stimmen, indem sie beantragten, den Deputirlen eine Art Mandat mitzugeben. Natürlich fiel diese Zumu- thuüg glänzend durch. Bürgermeister Wehner aus Auerbach bekämpfte sie besonders, indem er behauptete, wenn wir das wollten, so könnten wir jeden beliebigen Kutscher mit unseren Briefen versehen, hinschicken, und er würde dasselbe leisten, was solch' ein Deputircer lei stete. Trützschler wieß darauf hin, daß dies sogar ge setzlich verboten sei und wir uns doch nicht vom gesetzli chen Wege abwenden möchten. Da trat Rödiger auf. Mit sicherer Taktik holte er freilich ein wenig zu weit aus, um seiner Partei die Herzen der Bauern zu ge winnen, indem er den Druck schilderte, unter welchem seit Jahrhunderten der gemeine Mann seufzte. Wie die Patrizier in den Städten den kleinen Burger und Handwerker tyrannisirt hätten, auf dem Lande der Adel die Bauern maltraitirt und kujonirt und wie der dritte Erbfeind des Volkes, das Pfaffenthum, allen zusammen Sand in die Augen gestreut habe, damit ja „kein räu- tiges Sckäflcin" ein« andere Weide suche, als die von ihm empfohlene, bitterlich gewürzt mit Lehn und Frohn, Zins und Zehnten. Es wäre gewesen, als wenn der liebe Gott die schöne Well seil lausend Jahren an den Teufel verpachlel gehabt hätte, da konnte eS ein Philister aus Neukirchen nicht länger mit anhören, er wollte wahrscheinlich den Präsidenten bitten, Rödigern das Maul zu verbieten. Der kam aber schön an! Ein fürchterlicher Sturm brach los. Alles erhob sich, Stöcke und Fäuste wurden sichtbar — und nicht undeutlich gab man zu verstehen, daß man Eingriffe in die Redefreiheit mit aller Energie zurückweisen werde. „Rödiger spricht", waren die einzigen Worte, die man vernehmen konnte. Insonderheit waren die Wahlmänner von Auerbach und Falkenstein, Lottermann ausRautenkranz, Dölling und Müller aus Adorf und vr. Schmidt aus Planschwitz wüthend. Rödiger sprach weiter, machte es zwar kurz, indem er meinte, der Deputirte selbst sei das beste Warr