Volltext Seite (XML)
Aumhal -Zeitung. Lokalblatt für Aue, Auerhammer, Zelle-Klöfterlein, Rieier- u Oberpfannenftiel, Lauter, Bockau und die umliegenden Ortschaften. Erscheint »tttwoch», Kreitag» u. Lonntag». incl. der 3 werthvollen Beilagen vierteljährlich mit Bringerlohn t Ulk. SV Pf. durch die Post 1 M. SS Pf. Mit 3 ilkustrirten AeiStältern: Deutsches Aamittenötatt, Kute Krister, Zeit spiegel. Verantwortlicher Redakteur: Emil Hegemeister in Lu« (Erzgebirge). Redaktion u. Expedition: Ul»e, Marktftraße. Inserate die einspaltige Corpu-zeilSIOMf.,? di« »olle Seit- 3V, >/, S. 15, >/« St. S Mk. bei Wiederholungen hoher Rabatt. All« Postanstalten und Landbrtestriiger nehmen Bestellungen an. Sonntag, den 29. October 1893. 6. Jahrgang. No. 128. Die Weltlage wird interessant beleuchtet in der „Gegenwart*. Zwar ist die Auffassung pessimistisch. Aber Schwarzseherei ist mo dern unter den Nachkommen des BolleS von 1870/71. Das Blatt schreibt: „Der Schwerpunkt Europas hat sich, kein Zweifel da ran, nach Osten verschoben. Ganz allmählich, ganz un merklich. Bon Berlin schied er am 20. März 1880. Zur Zeit des Kampfe- um die Militärvorlage befand er sich im Hinterposenschcn, in jenen Bezirken» ans denen die Freisinnige Vereinigung ihre Geldmänner und die Polensraktion ihre KvecielSki'S holt. Von dort her kam da- erlösende, ausschlaggebende Ja. Heute muß man den Schwerpunkt bereits in St. Petersburg suchen, und über rin Kleines im Herzen veS PanslaviSmuS, bei Mütterchen Moskau. Nicht in fünfzig Jahren, wie der etwa- optimi stische Napoleon annahm, aver in hundert wird Europa kosackisch geworden sein. Der slavische Ansturm hört nach und nach auf, ein Märchen für unartige politische Kinder zu sein ; er schickt sich ap, Thatsache zu «erden, und läßt man den Dingen ihren Lauf, so ist der Tag vielleicht nicht fern, wo dieser erschrecklich kinderreiche Völkerstamm un» aus Europa fortfegt, wie wir es mit den Ureinwoh nern thaten. Im «ohlverschanzten Schlöffe von Gatschina thront der Slaven Oberster und Abgott, der schon jetzt mäch tigste Mann. Glücklicherweise ist er nicht auch ihr klüg ster, weitschauendster und entschlossenster. Wäre Alexander III. in demselben Maße unternehmungslustig und verwe gen, wie er friedliebend und vorsichtig ist — man wird freilich vorsichtig, wenn man ein Borkt überstanden hat und aus Dynamitminen wandelt wie andere Leute aus Smyrnateppichen —, pulste in seinen Adern auch nur ein Tröpslein von dem heißen Blute der liebe- und erobe rung-frohen Katharina, so würden die Lustschlösser der Panamisten nicht auf Sand gebaut sein. Ein kluger und waghaster Slavensürst, der der Zukunft Zeichen zu deu ten vermöchte, holte schon jetzt, wo ihn da» stärkste ro manische Volk Europas daber mit Leid und Seele unter stützen will, zum vernichtenden Stoße gegen da- stärlste gerumnische Volk Europa» au» mit allen anderen, auch mit seinen jetzigen Verbündeten, hätte er dann leich te» Spiel. Aber Kaiser Wilhelm II. war im Recht, al» er tischredend daran erinnerte, daß der alte Gott im Him mel, Gott sei Dank, nicht jungtschechisch denkt, und eS mit Deutschland im großen Ganzen wirklich immer recht gut gemeint hat. Ein Bund zwischen Frankreich und Rußland habe er nur Angriffs- oder nur VerleidigungSabsichten, wäre nach Lage der Dinge dir sürchterlichste Gefahr, die dem Vater lande seit dem Mongoleneinfall und den Türkenkrirgen gedroht hat. Vielleicht gleicht der Patriotismus unserer Soldaten, die glühende, wild begeisterte Rachsucht der Franzosen, die Raublust und Anspruchslosigkeit der an Snbehrungen aller Art gewöhnten Koiacken im nächsten Feldzug au». Vielleicht. E« wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wenn man bezweifeln wollte, daß dieser nächste Krieg «in Volkskrieg sein wird, daß er allein siegreich durchgesührt werden kann, wenn jeder mit dem ganzen Herzen dabei ist und freudig sein Letzte» giebt. Es wird um Szepter un» Krone, es wird um die Zukunft der Welt gewürfelt — wehe un«, wenn Parteileivenschaften oder zerschmetlernde soziale Not unsere Kämpen müd' und lustlos gemacht haben I Freilich ist auch im entgegengesetzten Falle der Sieg noch nicht gewiß. Frankreichs unv Rußlands Truppen massen haben in hundert Schlachten ihre Standarten zum Triumphe geführt; von den Dreibundvölkern darf nur Deutschland eine kriegerisch tüchtige Nation genannt «er den. Frankreich ist noch immer das reichste Land Europa». Die soziale Bewegung hat zwar in ihm bedeutsame Fort schritte gemacht, steckt aber doch noch in den Kinderschu hen ; der Bauer hat Geld, massenhaft findet sich der kleine der 20000-Franken-Kapitalist, der Rentier vulAuris. Frankreich hat eine der günstigsten Handelsbilanzen der Wett, zahlt in Europa die besten Löhne; es stellt für die erste Uno zweite Klasse der Eisenbahn einen fast dreifach so hohen Prozentsatz von Reisenden al» Deutschland. Selbst die Gaunerlompagnie, die sich dort Parlament nennt, kann Galllen nicht so rasch zu Grunde richten, wie wir es pa triotischerweise wünschen müßten; immerhin verdienen viese unsere wertvollen Verbündeten alle- Lob. Rußland ist da» ärmste Land Europas; weil aber seine Bauern noch nicht zur Erkenntnis ihrer Armut gekommen sind, oder weil e», wie der VolkSwirtschastSrat Barth behaupten würde, noch keinen „Sozialistenzüchter L I» Bismarck* gehabt hat, blieb es bis heute von tiefgehenden wirtschaft lichen Kämpfen verschont. Wie Frankreich sendet e» eine geschlossene, mit ihrem Loose zufriedene und patriotisch hypnotisierte Menschenmenge in die Schlacht, d>e außer ihrem nackten Leben noch allerlei hübsche Kleinigkeiten zu verteidigen hat: der seine Rententitel, der fein Hüttchen am Dou. Der Dreibund war, al- man ihn begründete, eine große und segensreiche That; heute, wo die Verhältnisse sich wesentlich geändert haben, wird Vernunft Unsinn, Wohl- that Plage, kann er un» aus der einen Sette leicht ge fährlich werden und auf der anderen wenig nützen. E» wird schwer halten, die nach Rußland laufenden, durchge schnittenen Drähte wieder fest zu verknoten, aber dir Reichsregierung wird den Versuch wagen müssen. Dem Zuge nach Osten vermöchte heute vielleicht ein diploma tische- Genie zu widerstehen, rin DnrchschnittStalent kann und darf eS nicht. Alle Kunst besteht jetzt darin, Frank reich oder Rußland zu isolieren» den Bund zwischen ih nen, der unnatürlich ist und Sprengsugen offen läßt, zu zerstören. Mit Frankreich einigte sich vielleicht Herr Wil helm Liebknecht, der nicht sentimental ist und nicht am Elsaß hängt; wir anderen sind auf die Verständigung mit Rußland angewiesen.* Politische Nachrichten. Deutschland. Berlin, den 27. October. — Eine schneidende Kritik de» Alter«- und Jnvalidi- tätSversicherungSgesctzeS liescrt die jetzt gemachte Mitteilung über das VersicherungSergebniß im letzten Jahre. Nach Ausweis de» VerwaltungSberichtS hat der Staat als Er lös für verkaufte Beitragsmarken 4,610,000 Mark verein nahmt. Hiervon wurde an Invalidenrente 10,335 Mark, an Altersrenten 174,856 Mark, also zusammen rund 185,000 Mark ausgezahlt. Die Verwaltungskosten be trugen 130,000 Mark. Der Widersinn eiueS solchen Verhältnisses leuchtet auch dem konservativen „ReichSbo- ten* em. Er schreibt: Zahlen reden! Und diese Zahlen sNachdruck verboten.) JeuMeton. Die Gouvernante. Roman von Rudolf Scipio. Fortsetzung. Da Felde« aus eigenem Antriebe auch wohl an diesem Tage nicht gekommen sein würde, so hatte der Schloßherr ihm eine besondere Einladung zukomwen lasten, welche denn auch angekommen war. Schon seit dem Morgen wogte e« in und um da» Schloß von kriegerischen Gestalten und bunten, blitzenden Uniformen. Die Dienerschaft, zu der noch von Schloß Felben Verstärkung herbeigeholt war, hatte alle Hände voll zu thun und rS war als eine große Annehmlichkeit anzu sehen, vaß das milde Herbstwetter noch immer den Aufent halt im Garten gestattete, da die Gesellschaftsräume de» Schlöffe» wohl nicht im Stand« gewesen wären, rin« sehr groß, Anzahl von Gästen zu fassen. Man «ar »enöthigt gewesen, die Dienerschaft der Ge- neralin mit der Bewlrthung der Gäste in Anspruch zu nehmen; Gerda, welche gerne die Gelegenheit ergriff, sich von der Gesellschaft fern zu halten, hatte deshalb der Ba ronin da« Anerbieten gemacht, für den Tag die Sorge für die Kinder übernehmen zu wollen, womit sie deren Wunsche rntgegenkam. Sie speist« mit ihren Pflegebefohlenen, mit denen sie schon längst auf bestem Fuße stand, auf ihrem Zimmer und wanderte dann in Begleitung von „Tante* Leonor«, di« in dieser Stellung ein« gewisse hausmütterliche Würde aufgesetzt hatte und al« Gerda'« Gehülfi» sungirte, mit ihnen zur Schäferei hinaus, wo die kleine Gesellschaft in dem daranstoßeuden Walde einen höchst vergnügten Nach mittag verbrachte. Nach der Heimkehr wurden di« jüngeren Kinder alsbald zu Bette gebracht; da aber die beiden älteren Kna ben da« Privileg genossen, noch einige Stunden Ausblei ben zu dürfen, die Gesellschaft im Schlosse aber Dank de» vortrefflichen Stoffe« aus dem Weinkeller de- Baron» etwa« laut geworden war, so ging Gerda auf den Vor schlag LeonorenS, da» Abendbrot in dem am äußersten En de de» Park» gelegenen Bleichhäuschen rinzunehmen und dann noch eine Kahnfahrt auf »em daranstoßenden Wei her zu machen, «in und «achte sich mit den beiden Kna ben auf den Weg, während Leonore noch zurückblieb, um auf das Abendbrod für die kleine Schiffsmannschaft zu warten, welche» inzwischen in der Küche zurecht gemacht wurde. Die Gäste de» Baron» hatten sich theil» im Salon, thetl» auf der zum Garten führenden Terrasse versam melt, von wo Gläserklang und frohe» laute» Lachen er schallte. Gerda hatte da» Schloß auf dem Haupteingange ver lassen und «ar dann durch eine vom Hofe au» in den Garten führende Thür in diesen eingetreten, uw so «in Zusammentreffen mit den zu« Theil schon etwa« ange heiterten Giften zu vermeiden. Der Theil de» Garten-, welchen st« auf ihrem Wege be- schritt, war bereit» still und menschenleer, und dort, wo der Garten in den Park überging, schienen noch Spazier gänger zu lustwandeln. Man hört« von dort einzelne Stimmen und da« Klirren «ine» Sporn». Anfang« kümmert« sich Gerda nicht um da» gleich ihr dort di« Einsamkeit suchende Paar, zumal die gehörten Laute gleich daraus verklangen. Die beiden Spaziergänger mußten demnach, den breiten Parkweg folgend, die Rich tung zum Schlöffe eingeschlagen haben und Gerda, welche sich nun, um ihnen nicht zu begegnen, bereit» seitwärts gewandt hatte, kehrte deshalb auf ihren anfänglichen Weg zurück. Nicht gering war ihr Schrecken, al- sie beim Vorüber gehen an einer dort befindlichen ring» von Gebüsch um gebenen Ruhebank Plötzlich Klothilde vor sich sah, welche von Eisen» Armen umschlungen, an dessen Brust lehnte. Beide hatten so wenig Sinn für ihre Umgebung, daß sie Gerda'» Kommen nicht bemerkt hatten, die sich tief entrüstet sogleich wieder zurückzog. Sie war noch nicht zwanzig Schritt« weiter gegangen, al» sie abermals sich nahende Stimmen vernahm; die»mal waren «» die beiden Knaben, welche in Begleitung Felden» von dem Weiher zurückkehrten, wohin sie aus einem nähe ren Wege gelaufen waren. Gerda war mit sich im Zweifel, wa» sie thun solle. Wenn Felben weiter ging, so mußt« er gleichfalls jene Beiden finden und obgleich Gerda sich sagte, daß e» viel leicht für ihn rin Glück sei, wenn ihm auch solch« Weis« die Augen über Klothilden» Sharakter geöffnet wurden, ,so war e» ihr doch wiederum ein unangenehmer Gedanke, Felde» einer solch' peinlichen Lag« au-zvsetzen, deren Fol gen für ihn, wie für seinen Nebenbuhler außerdem ver- hängnißvoll «erden konnten. Ihre Berwirrung ließ sie im ersten Augenblick kaum «in Wort der Begrüßung finden; doch Felde» schien da» glück licherweise nicht zu bemerken. „Ich bringe Ihnen da zwei Deserteur« zurück, di« ich am VleichhäuSchen eingefangen habe,* sagte er scherzend. „Ich hatte einen Gang durch den Park gemacht, um mein« Braut aufzusuchen, welche ich schon seit geraumer Zeit