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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Rossen, Li eben lehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. I vierteljährlicher Pränumcrationspreis 10 Ngr. — JnsertionSgebühren für den Raum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf. — Annahme von Inseraten bis Montag resp. Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. F 22. Freitag, den 8. War 1888. Im Tempel Hinaus, hinaus in die Natur! Wo Berge ragen, Wälder rauschen, Wo auf der bunten Wi.jenslur Di« Blumen liebend Küsse tauschen; Wo über Flüsse, Seen und Land Der Himmel seine Kuppel spannt! Hinaus, hinaus! Hier ist mein Dom, Hier fühl' den GotteSgcist ich walten; Ihm braust der Sturm, ihm rauscht der Strom, Millionen Blüthen sich entfalten Und hauchen ihren, süße» Dust Zum Preis des Schöpfers in die Luft. Hinaus, hinaus! Wenn still die Nacht Den Sternenschleier ausgcbreitet, > In ihrer Hoheit heil'gen Pracht Die Blicke nach dem Himmel leitet, Und all' der Sonnen funkelnd Licht Ein stilles „Bater unser" spricht! Dann fühl' auch ich! Du bist mir nah, Du ewig unerforschlich Walten! Bist, wie vor Ewigkeiten da, Um ewig Neues zu gestalten. Dein Auge nur vermag zu seh'n, Wie Sonnen kommen, Sonnen geh'». Und schlagen Töne an mein Ohr, Erhab'ner Harmonien Rauschen, So tragen sie mein Herz empor. der Natur! Und betend möcht' ich ihnen lauschen. Und in Entzücken still versenkt Mein Geist der cw'gen Liebe denkt. Und was die Kunst sonst Großes schasst, Was herrlich sie weiß zu gestalte,!, Was genial mit Geisteskraft Bekundet schöpferisches Walten. Ich ehr' in ihm den Schöpfergeist, Der schaffend durch das Weltall kreist. Ich fühl' ihn in des Dichters Sang, Wenn er auf der Begeiferung Schwingen In seiner Seele heil'gem Drang Auch niir mag Herz und Geist bezwingen, Auch mich für Edles froh belebt Und zu dem Ewigen erhebt. Ich fühl' ihn in des Denkers Wort, Das neue Welten mir erschließet; Das für der Wahrheit heil'gen Hort In mächt'gem Strome sich ergießet; Das klar, vernünftig, rein und hell Entsprudelt dem Gedankenquell. Ich bete, wie man beten kann: Wenn selbst ich schaffend Gutes thue; Wenn ich als wack'rer Biedermann Auf wohlverdientem Lorbeer ruhe; Ich bet' so recht im schönsten Sinn, Wenn ich vergnügt und glücklich bin! T a g e s g e s ch i ch t e. In den ersten Tagen des Juni soll eine Versammlung der Di- rcctoren von Creditvercinen (Genossenschaftstag) in Meißen statt- smden, wozu auch Schulze-Delitzsch seine Anwesenheit zugcsagt hat. Am 20. Mai wird in Löbau eitle Ausstellung von Oberlausitzer Fohlen mit Preisvcrtheilung stattfinden. Der Verein für Pferdezucht im Königreich Sachsen hat zu Prämien die Summe von 150 Thlrn. ausgesetzt. Jonsdorf b. Zittau, 1. Mai. Gestern Nachmittag in der 6. Stunde entlud sich über unserm Orte ein schweres Gewitter, welches von einem furchtbaren Schloßenwetter und heftigen Sturmesbrauscn ^'gleitet war. Die Schloßen fielen fast gleichzeitig mit den ersten ».MEopsen und erreichten hin und wieder die Größe von welschen Aüstcn und haben besonders durch Zerstörung der Fensterscheiben lau manchem Halise blieb auch nicht eine Scheibe ganz) vielen Scha den angerichtet. Wie sich Süddeutsche und Norddeutsche im Zollparla- went zu einander stellen, ist die Spannung nicht nur Deutschlands, sondern mehr noch des lauernden Auslandes. Die Herren sind um der Zölle willen zusammengckommcn und es wäre bedenklich, wenn sie um der Politik willen auseinander kämen. Die Verhandlungen über eine Antwort-Adresse an den König wird wahrscheinlich eine Prüfung der Geister werden. In der Adresse wird der Nordbund leise über den Main hinübergeführt; darin liegt der Anstoß für die Süddeulschcn, während ein Theil der Norddeutschen Werth daraus legt, daß die Süddeutschen in irgend einer Weise erklären, Frankreich gegenüber sind wir alle einig und zur Abwehr bereit. Der von der nativnallibcralen Fraetion im Zoll - Parlamente eingebrachte Adreßentwurf lautet: Allcrdurchlauätigstcr, Grcß- mächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Tas von Ew. Majestät berufene deutsche Zollparlament suhlt sich als Vertretung deutschen Volkes gedrungen, Zeugniß abzulegen von dem Streben der -"ation. Ew. Majestät bestätigen, wie das Bedürfnis; des deutschen Volkes nach der Freiheit inneren Verkehrs und die Macht des natio nalen Gedankens den deutschen Zollverein allmählich über den griß- ten Theil Deutschlands ausgedehnt hat. Wir leben der Uebcrzeugung. daß jenes Bedürfniß unserer Nation die Freiheit auf allen Gebiete.! fördern und die Macht dieses nationalen Gedankens auch die voll ständige Einigung des ganzen deutschen Vaterlandes in friedlicher und gedeihlicher Weise herbeiftthrcn wird. Eine naturgemäße Ent wickelung hat zur Vertretung der gcsammten deutschen Nation bezüg lich ihrer wirthschaftlichen Interessen geführt. Die seit Jahrzehnten vom deutschen Volke erstrebte und seiner Zeit von sämmtlichen deut schen Regierungen als unabweisbares Bedürfniß anerkannte nationale Vertretung für alle Zweige des öffentlichen Lebens kann unserem Volke auf die Dauer nicht vorenthalten werden. Die Liebe zum deutschen Vaterlande wird die inneren Hindernisse zu beseitigen wissen. Die nationale Ehre wird das ganze Volk ohne Unterschied der Par teien zusammenführen, falls von Außen versucht werden sollte, dem Drange des deutschen Volkes nach größerer politischer Einigung ent gegen zu treten. Unsere Nation achtet fremdes Recht und wünscht friedlichen Verkehr mit allen ihren Nachbarn. Sie darf daher Gleiches von Anderen erwarten, falls ihr das eigene Wohl eine Aenderung in ihren inneren Einrichtungen nöthig erscheinen läßt. Die angekün digten Vorlagen werden wir mit pflichtmätzigem Ernst prüfen. Das gemeinsame deutsche Interesse wird unsere Beschlüsse leiten. Den Handelsvertrag mit Oesterreich nehmen wir mit besonderer Genug- thuung entgegen. Wir legen auf die freundlichen Beziehungen zu dem durch Stammcsverwandtschaft und mannichfache Bande eng mit uns verbundenen Nachbarlande einen hohen Werth. Wir vertrauen, daß es Ew. Majestät vergönnt sein werde, getragen durch die vereinte Kraft der deutschen Nation und im Einverstäudniß mit Ew. Majestät hohen Verbündeten den Ausbau des gemeinsamen Werkes zu vollen den, dessen Abschluß Sicherheit, Macht und Frieden nach Außen die materielle Wohlfahrt und gesetzliche Freiheit nach Innen verbürgt. Die Erhaltung und Erziehung der Waisen in Ostpreußen, deren Eltern am Typhus gestorben sind, übernimmt der Staat.