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Wochenblatt für WW WrM UoD, Siebenlkhn mb die UmgeMbkN. L Amtsblatt Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrsntamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich zweimal n.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne I Nummern 10 Pf. No. S1. « Uill Freitag, den 13. November 1891. Auctis n. Dsnnerstag, den dies. Msn., Nachmittags t Nhr, gelangen in Serzogsmalde 2 Kühe, 1 Zuchtbulle, 1 Kalb, 2 Zuchtsauen, 1 Pferd, ea. 30 Schock ungedroschenes Korn und ca. 50 Schock ungedroschener Hafer gegen Baarzahlung zur Versteigerung. Bieterversammlung im Gasthof daselbst. Wilsdruff, den 12. November 1891. Ger.-Vollz. Tagesgeschichte. Eine eigenartige Ueberraschung hat der Kaiser, wie eine Potsdamer Lokal-Korrespondenz meldet, in dec Kaserne des Leib-Garde-Husarenregiments dem wachthabenden Offizier be reitet. Der oberste Kriegsherr erschien des Morgens gegen 6 Uhr zu Pferde vor der genannten Kaserne, mit der Absicht das Regiment zu alarmiren. Nachdem er vor der Kaserne aus dem Sattel gestiegen war, ließ er im Stillen die Wachmann schaften aus der Wachtstube Herausrufen und schickte dieselben nach dem nahegelegenen Offizierkasino. Nur den Trompeter hatte der Kaiser zurückbehalten, und dieser mußte nun Alarm blasen. Eiligst stürmte auf dieses Signal der wachthabende Leutnant hinaus und wurde nicht wenig erschreckt, als der Kaiser ihn fragte: „Wo ist die Wache? und er nach derselben vergeblich Umschau hielt. Der Kaiser, der in hohem Grade be lustigt war über diese Situation, nahm später eine Besichtig ung des Regiments vor, das sich auf dem Kasernenhofe ver sammelt hatte. Beim Reichstage sind 6314 Petitionen mit 1,081,000 Unterschriften für die Rückbcrufung der Jesuiten und 15,136 Petitionen mit 1,125,000 Unterschriften gegen die Rückberufung der Jesuiten eingegangen. Man ist also auf beiden Seiten recht fleißig gewesen. Auf konservativer bezw. antisemitischer Seite wird, wie man hört, beabsichtigt, die jüngsten Vorgänge in der Berliner Börsen- und Bankwelt demnächst im Reichstage zur Sprache zu bringen. Mit Bezug auf eine Erweiterung des Strafgesetzbuches in, Punkte der Bestimmungen über Unsittlichkeit ist dem Bundes- rathe bereits ein Antrag der Braunschweigischen Regierung zu- gegangen, welcher den Paragraphen über Verbreitung unzüchtiger Schriften dahin verschärft, daß auch der Verfertiger solcher Schriften, Bilder u. s. w. der vorgesehenen Strafe verfallen soll. Wenn man den Ankündigungen und Drohungen sozialde mokratischer Blätter trauen darf, ist der gegenwärtige Buch druck e r au sst a n d nur der Vorläufer einer um fassenden neuen Streikbewegung auf den ver schiedensten gewerblichen Gebieten. Um so mehr ist zu wünschen, daß dieser höchst leichtfertig unternommene Streik nicht zu dem beabsichtigten Erfolg führt, wie es ja auch allen Anschein hat, und damit für andere eine Warnung vor ähnlichen Unternehm ungen enthält. Bei der Aussicht auf eine neue Streikaera ist es, wie heute auch die „Nat.-lib. Korr." hervorhebt, bedauerlich, daß in der jüngsten Gewerbeordnungsnovelle diejenigen Be stimmungen, welche den Kontra ktbruch erschweren, oder sühnen und der gewaltsamen wieder rechtlichen Verleitung zum Anschluß an Coalitionen und Arb eitseinst e ll ung en entgegentreten wollten, in den we sentlichsten Punkten vom Reichstag abgelehnt wurden. Auch bei dem gegenwärtigen Buchdruckerausstand sind die vertragsmäßigen Abmachungen keineswegs überall eingehalten worden, wenn der Kontraktbruch auch nicht so grell und schamlos auftrat wie bei andern Streiks. Fast alle Arbeitseinstellungen neuerer Zeit sind von Kontraktbruch in großem Umfang, von Bedrohungen der in der Beschäftigung verbliebenen Arbeiter durch die Feiernden, von terroristischen Maßregeln zum Anschluß an die Arbeitsein stellung begleitet gewesen. Die Verwerfung der Bestimmungen, welche diesem Mißstand entgegentreten sollten, ist von der Re gierung hingenommen worden, weil sie die Wohlthaten des Ge setzes dem Arbeiterstand nicht länger vorenthalten wollte; sie er klärte dabei aber ausdrücklich, daß sie schärfere Strafbestimm ungen gegen den Zwang zur Arbeitseinstellung und gegen die öffentliche Aufforderung zum Kontraktbruch nach wie vor für unerläßlich halte, und deshalb der Reichstag darauf gefaßt sein müsse, später von neuem vor diese Frage gestellt zu werden. Unter der Ueberschrift „Es kracht weiter" schreibt u. A. der „Reichsbvte": „Es ist furchtbar — aber es ist, als wollte Gottes Hand unserem Volke die Abgründe zeigen, an denen wir wandeln, damit wir noch umkehren und Buße thun, ehe es zu spät ist. Es sind erschütternde Schläge an das Gewissen der Nation — diese Prozesse Heintze, die Prostitutionsmorde, die Prozesse Manchs und Liebmann und nun die Börsenkrache, welche die Früchte des Mamonismus offenbaren! Wem diese Vorgänge nicht mehr die Augen öffnen, dem ist nicht mehr zu helfen. Und wenn wir uns jetzt nicht aufraffen, um mit den eingerissenen naturalistischen Anschauungen, die zu solchen Ab gründen führen, aufzuräumen, was soll uns dann noch die Augen öffnen? Es ist allerhöchste Zeit, daß mit allem Ernste dem leichtfertigen oberflächlichen Geiste entgegengetreten wird; denn er breitet sich in alle Volksschichten aus. Es ist Zeit, daß alle ernsten Männer es für ihre Pflicht erkennen, hervor zutreten und an ihrem Theile mitzuhelfen, den bösen Geist der Zeit zu bekämpfen; Gelegenheit ist Jedem gegeben, schon durch sein eigenes ehrliches und christliches Leben; vor allem sollte Jeder den Träger dieses Geistes, die schlechte Presse aus dem Volksleben entfernen helfen. Die Zeit ist so ernst, daß es für die Gleichgiltigkeit gegen die öffentlichen Dinge keine Entschul digung mehr giebt. Wenn die Guten sich in die Ecken stellen und zurückziehen, so fallen natürlich die öffentlichen Dinge den Schlechten in die Hand, aber jene haben dann keine Ent schuldigung, wenn das Verderben hereinbricht. Jener Quitismus und jene Gleichgiltigkeit, die sich auf sich selbst zurückzieht, ist auch eine Selbstsucht, die verwerflich ist. Was hilfts, wenn der Kaiser Erlasse schreibt, wenn man denselben zustimmt und sich darüber freut, aber sie im Volksleben wie in einem Woll sack verpuffen läßt? Es ist schon schlimm genug, daß die Minister erst die Initiative des Kaisers abwarten, ehe sie etwas thun gegen so offenkundige Mißstände, sodaß es erst, wenn der Kaiser dahinterfaßt, in den Bureaus lebendig wird — es ist vor allem die Aufgabe der christlich gesinnten Volkskreise, die Fahne der sittlichen und sozialen Erneuerung voranzutragen, und wo der Kaiser sie erhebt, ihr um so freudiger und that- kräftiger zu folgen." In der Reichshauptstadt schwirren schon wieder allerlei Gerüchte über bevorstehende weitere Bank brüche in der Lrzft und man dürfte wohl auch nicht fehlgehen, wenn man den „R e i n i g u n gs p r o z e ß" im Bankwesen mit dem Selbstmord der Brüder Sommerfeld für keines wegs abgeschlossen hält. Reinigungsprozeß, so nennt die Bör senpresse die skandalösen Vorgänge; sie opfert mit wahrer Selbst verachtung ein halbes, oder sogar ein ganzes Dutzend fauler Börsen„aristokraten", um nur die Fiktion von der Unbescholten heit der Börse an sich aufrecht erhalten zu können. Aber dies mal dürfte es so glatt doch wohl nicht abgehen; diesmal wird es sich darum handeln, dem Publikum Garantieen vor ferneren Verlusten zu schaffen und Börse wie Banken unter Staatsauf sicht zu stellen. Werfen so die letzten Zusammenbrüche wieder ein grelles Schlaglicht auf das Leben, Treiben und die Moral der sogenannten Börsenaristokratie, so ist aus demselben aber auch nicht in letzter Reihe die Schädlichkeit der jetzt schon zwanzig Jahre lang auf uns lastenden „freiheitlichen" Gesetzgebung er sichtlich. Es wird, soll weiteren Vermögensverlusten vorgebeugt werden, in der That nothwendig sein, verschiedene' Revisionen, so beispielsweise der Koukursordnung, der Vormundschaftsord nung u. a. m. vorzunehmen. Wieviel Mündelgelder sind bei den gegenwärtigen Zusammenbrüchen verloren; wieviele Wittwen und Waisen kommen um ihre Existenzmittel! Und ist es nicht unverantwortlich von dem Börsenvorstande, daß er sich die in größtem Maßstabe unternommenen Ausbeutungen der Depots besitzer seitens der in der Oeffentlichkeit als „hochangesehen" geltenden Banken so in aller Ruhe ansehen konnte, währender wußte, daß die Firmen kein Vertrauen verdienten? „Es war in Börsenkreisen — so berichten Berliner Blätter — schon seit einigen Tagen bekannt, daß die Firma Friedländer u. Sommer feld die Depositengelder angriff"; .... trotzdem aber ließ man sie ruhig gewähren, und nur ein muthiger anonymer Denunziant wagte es, der Staatsanwaltschaft Anzeige zu machen. Wäre der Börsenvorstand rechtzeitig eingeschritten, so hätte vermuthlich noch viel gerettet werden können. Derartigen Verdunkelungen muß vorgebeugt, der Börse muß die Alleinherrschaft auf dem Geldmarkt endwunden werden. Der Verbrauch von Roßfleisch hat in diesem Jahre erheblich zugenommen. Amtlichen Meldungen zufolge wurden allein in der Central-Roßschlächterei in Berlin vom Januar bis Oktober 1890 rund 6300 Pferde geschlachtet, in dem gleichen Zeitraum des laufenden Jahres aber mehr als 7000. Drei Roßfleisch-Speiseanstalten erfreuen sich eines wachsenden Zu spruchs, für den im Ganzen 42 Berliner Roßschlächtereien das nöthige Fleisch liefern, und eine vierte derartige Anstalt soll nächstens eröffnet werden. Uebrigens haben überhaupt die ' Schlachtungen sich wesentlich vermehrt. Im vorigen Oktober sind 89 120 Thiere, im gleichen Monat dieses Jahres 96 394 Thiere geschlachtet worden, also 7274 Stück mehr. Besonders stark haben sich die Schlachtungen der Schweine vermehrt, von 47 418 auf 51 537. In entsprechender Weise hat sich die Ein fuhr geschlachteten Fleisches nach Berlin gehoben. Der parlamentarische Friedenskongreß in Rom wurde am Sonnabend geschlossen, und sein Ende hat aufs neue bewiesen, daß solche Verhandlungen viel mehr schaden, als nützen. Man hat einen Antrag auf Bildung eines internationalen par lamentarischen Komitees angenommen, welches im Interesse des Friedens wirken soll. Es ist vorauszusehen, daß ein solches Komitee nur den Ausgang von neuen Zänkereien bilden wird, die radikalen Elemente werden darin die Oberhand gewinnen, und statt Versöhnung wird es erst recht Zwist geben. Auf dem nächsten Friedenskongresse in Bern soll ja auch bereits ein Antrag berathen werden, durch welches das Nationalprinzip pro- klamirt werden soll, oder mit anderen Worten: die Ansprüche der Franzosen auf Elsaß-Lothringen und der italienischen Radi kalen auf Triest und Trient gebilligt werden sollen. Außer dem soll über die Rückgabe des Rechtes der Entscheidung über Krieg und Frieden an die Nationen verhandelt werden. Daß unter solchen Umstanden ein Krieg viel eher möglich ist, als heute, liegt auf der Hand. Die französischen Chauvinisten schlügen am liebsten ohne weiteres los. Tief unten im Süden Rußlands, in dem paradisisch gelegenen Livadia, haben an diesem Montag Czar Alexander III. und seine Gemahlin Marie Fcodorowna, Prinzessin Dagmar von Dänemark, ihr silbernes Hochzeitsfest gefeiert. Die Feier lichkeit vollzog sich lediglich innerhalb des Rahmens eines Fa milienfestes und fehlte ihr alle glänzende Verbrämung, und zu dieser einfachen Begehung seines silbernen Ehejubiläums mag den russischen Herscher ebenso die ihm eigene Scheu vor der Oeffentlichkeit wie die Rücksicht auf den in weiten Theilen seines Reiches noch immer herrschenden Nothstand bestimmt haben. Der Feier selbst aber ist nicht nur in Rußland, sondern auch außerhalb der russischen Grenzen volle Sympathie ent- gegcngetragen worden, denn das überaus glückliche und wahr haft mustergiltige Familienleben des jetzigen Czaren ist ja aller Welt bekannt. Die Vorsichtsmaßregeln, welche getroffen werden, wenn der Zar sich von einem Orte nach dem anderen bezieht, sind immer so groß, daß sie selbst dem oberflächlichen Beobachter auffallen müssen; aber diesmal, bei der Rückreise von Däne mark nach Rußland, haben sie alle bisher gekannten Maße über schritten. Die zwei Hofzüge, welche den Zaren und sein Ge folge durch Rußland führten, passirten die Bahnhöfe unge wöhnlich schnell. Trotzdem und obwohl-schon die letzteren stark militärisch und von einer großen Polizeimacht besetzt waren, war der Zutritt dazu nur gegen Eintrittsscheine der Gendarmerie gestattet, und selbst hohe Offiziere, die es unterlassen hatten, sich mit solchen Legitimationen zu versehen, wurden von dem Chef der Gendarmerie rücksichtslos zurückgewiesen. Längs des ganzen Bahndammes stand Militär; ein Soldat links, der andere rechts, in Entfernungen von etwa 100 Schritten von einander; die Brücken, Tunnels und Wasserabzugsröhren waren besonders besetzt und die deni allgemeinen Verkehr geöffneten Brücken, insofern sie die Bahnstrecke passirten, schon 24 Stunden vor Eintreffen der Züge für jedermann, selbst für Offiziere, gesperrt. Für die den Wachtdienst versehenden Truppen war Standrecht proklamirt worden. Die an der Bahn belegenen Häuser wurden im Laufe der Woche von der Gendarmerie auf das sorgfältigste durchsucht, ganz besonders Keller und Böden, unbenutzte Räume amtlich abgeschlossen, und auf den Böden größerer, an der Bahn gelegener Häuser Militär postirt. Dienstboten ohne genügende Legitimation mußten entlassen werden und Familien, auf welchen auch nur der leiseste Verdacht ruhte, ihre Häuser räumen. Diese Maßregeln konnten natürlich nicht geheim gehalten werden. Gerüchtweise verlautet noch, daß die üblichen geheimen Maßregeln zum Schutze der Sicherheit des Zaren diesmal noch besonders verschärft waren und daß selbst hohe Würdenträger zum Gegenstand der sorgfältigsten Beobachtung seitens der Polizei gemacht wurden. Ob alle diese Vorsichts maßregeln einer Vergrößerung der Gefahr oder einer Vergrößerung der Aengstlichkeit des Zaren selbst oder seiner Umgebung zu geschrieben werden müssen, entzieht sich der Beurtheilung. Privatbcrichte von guter Seite schildern den Zaren als äußerst niedergeschlagen. Als er hörte, daß die Reserve-Korn speicher und die militärischen Getreidespeicher leer ständen, soll er furchtbar aufgebracht gewesen sein und ausgemfen haben: „Wer bürgt mir dafür, daß es mit den Pulvermagazinen nicht eben so steht? Schmach über die gewissenlosen Beamten!" All' die oben erwähnten Hiobsposten hatte er schon in Däne mark erfahren und sein einziges Denken und Trachten geh^