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Lagevlait für die Stadt Aue und Umgevung. «rschetut tögtich Nachmittan«, anher an Sonn- u. Feiertagen. — Preis pro Monat srei ins HauS LV Psg-, auswärt« 25 Pfg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" 5 Psg. mehr. — Bei der Post abgeholl pro Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Bricsträger 1.40 Mark. Nr. 138 Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. VerautwsrtUcher Redakteur: Ernst Auuk»,Mue jErzgebirge.j Redaktion u. Expedition: Aue, Marktstraße. Donnerstag, den 24. August 1899. Inserate die einspaltige Petitzeile 1V Pf-., amtliche Inserate die Corpus-Zeile 25 Psg., Reklamen pro Zeile 20 Psg. Bei 4 maliger Aufnahme 2ko/<> Rabatt. — Bei größeren Inseraten «. mehrmaliger Aufnahme wird entsprechend höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten und Landbriesträger nehmen Bestellungen an. IS. Jahrgang erscheint jetzt täglich, k o st e t PPS Msirsrt nur LV PfcimM. «Es* Welt. * Berlin, 22. August. Nach einer Mitteilung aus parlamentarischen Kreisen soll aus den Kaiser am meisten verstimmend die Thatsache gewirkt haben, daß man ihn so lange über die parlamentarische Lage im Unklaren gehalten habe. * Berlin, 21. August. Der Landtag wird jeden falls am Sonnabend geschlossen. Ob alsdann die Auflösung des Abgeordnetenhauses erfolgt, ist noch unbestimmt. In der innerpolitischen Lage Preußens ist noch keine Klärung eingetreten. Gestern kehrte der Kaiser nach Berlin zurück, man dürste also un mittelbar vor wichtigen Entschließungen stehen. * Nach der „Köln. Ztg." wurde preußischen Strafrichtern, sowohl Mitgliedern der Land- als der Amtsgerichte, welche das 65. Lebensjahr erreicht und daraufhin sich zum Rücktritt vor dem 1. Jan. L9OO bereit erklärt hatten, der überraschende Bescheid zuteil, daß ihnen die Vergünstigung des bezüglichen diesjährigen Gesetzes nicht gewährt werde, weil diese nur für Richter bestimmt sei, welche das neue bür gerliche Recht anzuwenden haben. Das ist wieder ein Stückchen Miquelscher „Sparsamkeit" I * Aus Wien verlautet, Oberst Schneider werde den Major Cuignet fordern. * Zu Straßenkämpfen kam es am Sonnlag in der nahe der sächsischen Grenze gelegenen böhmi schen Stadt Graslitz. Am Sonnabend sanden dorr vor dem Amtsgebäude der Bezirkshauptmannschast Kundgebungen statt, wobei sämtliche Fensterscheiben im ersten Stock durch Lteinwürse zertrümmert wur den. Infolge dieses Vorfalles wurde am nächsten Tage die Gendarmerie um 15 Mann verstärkt. Am Sonntag Abend kamen neuerdings Kundge bungen vor, wobei es 2 Tote uud 1 Verwunde ten gab. * Die Verhandlung des Kriegsgerichts in Ren- neS von gestern: Erster Zeuge war General Fabre. Dieser schilderte Dreysus als prätentiös; er sei seinen Kameraden ebenso wenig sympathisch gewesen wie seinen Vorgesetzten. Dreysus habe ost seinen Dienst vernachlässigt, um sich Nachrichten zu verschaffen. Die Art seiner Arbeiten habe ihn sehr wohl in d>n Stand gesetzt, dem Auslande Nachrich ten zu liefern. Als das Bordereau vorgelcgt wurde, sei dem Zeugen die Schrift im ersten Augenblick ganz unbekannt erschienen; aber aus dem Inhalte lei aus Dreysus geschlossen ivorden. Er, Zeuge, sei heute wie im Jahre 1894 fest überzeugt, daß Drey sus der Urhebe: des Bordereaus sei. (Bewegung). Gefragt, ob er etwas zu sagen habe, erwidert Dreysus, es sei seine Pflicht gewesen, sich über gewisse militärische Fragen aus dem Laufenden zu halten. — Zeuge d'Abovibe giedt eine Schil derung des Eingangs des Bordereaus und der Art und Weise, wie der erste Verdacht sich auf Dreysus lenkte. — Sicherheitsches Cochefet bemerkt, Ende 1894 habe ihm General Mercier mitgeteilt, daß einer auswärtigen Macht Schriftstücke auSgeliesert worden seien. Der Verdacht lenke sich auf Drey. fus. - Der nächste Zeuge ist der Archtvist Gri- bilin. Es ist dies derselbe, der, verkleidet und mit einem falschen Barte angethan, du Patys nächtlichen Zusammenkünften mit Esterhazy beiwohnte. Zeuge schildert den Charakter Dreysus in sehr abfälliger Weise. Dreysus habe Beziehungen zu einer Dame gehabt und mehr Geld ausgegeben, als es mit seinen Einkünften sich vereinbarte. Dreysus habe auch gespielt. Esterhazy habe er niemals im Nach richtenbureau gesehen, und er habe ihm auch nie mals Geld auszuzahlen gehabt. Im Kreuzverhör gesteht Zeuge, daß Picquart zur Ueberwachung Esterhazys 5000 Franks fausgegeben, während der Generalstab bisher immer von 100 000 Franks ge sprochen hatte. — Major Janck schildert den Charakter des Angeklagten aus das Abfälligste. Dreysus habe gespielt und Beziehungen zur Halb welt gehabt. Zeuge bekundet weiter über den Besuch Henrys im Kabinett Bertulus. Dreysus widerlegte hieraus ausführlich mit lauter Stimme mehrere Punkte, welche von den letzten Zeugen vorgebracht worden waren. — Zum Schluffe erklärt Bertulus nachdrücklich, er habe nicht gesagt, daß Esterhazy nichr ein Verräter sei, seine tiefe und unerschütter liche Ueberzeugung sei im Gegenteil, daß Esterhazy es ist, der den Verrat verübt habe und daß er es allein ist. * Die Zahl der amtl'ch sestgestellten Fälschungen, die vom Generalstab begangen worden sind, um Dreysus zu verderben, sind auf zehn gestiegen. * Rennes, 22. August. Das Gerücht erhält sich aufrecht, der Mann, der den Mordversuch aus Labori verübte, werde in der Nähe von Rennes aus einem Bauernhöfe versteckt gehalten. Die Aerzte haben s Labori weitere Schonung auserlegt. Es ist daher fraglich, ob er den SitzrWgey des Kriegsgerichts wird beiwohnen können. * Rennes, 22. August. In Lonere beging ein Unbekannter Selbstmord. Man vermutet, daß es der Attentäter auf Labori ist. * Die Straßenkämpse in Paris am Sonntag waren erbitterter, als die ersten Meldungen ersehen ließen. Namentlich im Umkreise der Festung Gue- rins ging es scharf her. * Paris, 22. Aug. Der österreich. Militärat- tachee Oberst Schneider ist aus Ems hier ein- getroffen. * Paris, 22. August. Oberst Schneider beab sichtigt eine Klage wegen Fälschung einzureichen. * Paris, 22. Aug. Eine von der Polizei ver- öffentlichte Note besagt, daß die am Sonntag an gegebene Zahl der Verwundeten überirieben sei. Die Zahl der verwundeten Schutzleute betrage 71. — Sämtliche Kirchen werden militärisch bewacht. * Paris, 22. August. In der Umgebung der Rue Chabrol werden nach wie vor umfassende po lizeiliche Maßregeln getroffen. * Paris, 22. August. Die Lage gilt allgemein als sehr bedenklich, obwohl vor Uebertreibungen gewarnt werden muß. Zweifellos planen die An tisemiten und Nationalisten einen Ausstand für den Fall der Freisprechung Dreysus'. Man beginnt ernstlich zu glauben, daß die Regierung den Stan- dal in »der Rue Chabrol nicht beendet, weil sie kein Vertrauen zu den Truppen besitzt. * Die Ermordung zweier französischer Offiziere im französischen Sudan durch Kameraden, gegen die jene eine Untersuchung einleilen sollten, hat in Paris gewaltige Aufregung hervorgerusen. Der un erhörte Vorgang ist ein entsetzenerregendes Zeugnis von der Disziplinlosigkeit in der französischen Ar- mee, die hier freilich durch die koloniale Verwil derung noch verstärkt worden ist. * Paris, 22. August. Guerin hat sich heute Morgen 2 Uhr dem Commandanten der ihn über- wachenden Truppen ergeben. Die Capitulation Guerins ist erfolgt, nachdem seine Freunde sowie die Geschäftsleute der Rue Chabrol einen Protest gegen die Verlängerung seiner Verbarrikadirung eingereicht hatten. Theilweise ist die Uebergabe auch'deshalb erfolgt, weil die Lebensmittel am Ende waren. * Die Lage in der Transvaalfrage hat sich in den letzten Tagen verschärft. Die Beschlagnahme von Munition und Waffen durch die portugiesische Regierung in der Delagoa-Bat hat die Burenbe- völkerung in berechtigte Aufregung versetzt. e * nr i f etz t « 8 Pensioniert wurden in der deutschen Armee seit Ende Juni 1899: 2 Generäle der Infanterie, 4 Generalleutnants, 4 Generalmajore, 5 Obersten, 2 Oberstleutnants, 6 Majore, 19 Hauptleute, Ober leutnants und 14 Leutnants. In Summa 60 Offi ziere. Außerdeni wurden ohne Pension verabschiedet 2 preußische und 1 sächsischer Leutnant. Ferner „schieden aus" 3 preußische Oberleutnants und 10 preußische Leutnants, so daß der Gesamtverbrauch an Offizieren in den letzten 6 Wochen 76 :'tann beträgr. 8 Flensburg, 22. August. Bei einer Schiffs- Übung bei Siltrus sielen Funken in ein Pulverfaß. Durch die Explcston dieses Fasses wurden 4 Personen verletzt, darunter eine tötlich. 8 Wegen Unterschlagung von 50 000 Mk. wurde der Kaufmann Karl Lkardina aus Berlin in Luxem burg verhaftet und der Polizeibehörde in Trier übergeben. 8 Könitz, 21. Aug. Freiherr von der Goltz aus Gotzkow, Sohn des Rittergutsbesitzers Freiherrn von der Goltz aus Pagdanzig, wurde, als er mit seinem Freunde v. Hammerstein nach Hause ritr, vom durchgehenden Pferde abgeworsen und stürzte so unglücklich, daß er das Genick brach und sofort starb. tz Graslitz, 22. August. Ein Militärausgebot ist hier eingetroffen. Ein bei den hier stattgehabten Ruhestörungen schwer Verwundeter ist gestorben. 8 Nachod, 22. August. Unter der hiesigen Arbeiter schaft ist eine gewisse Aufregung bemerkbar, weil eine Fabrik Arbeiter nicht wieder aufnehmen wollte, die aus der Haft entlassen waren, welche sie wegen Plünderungen im April erlitten hatten. Militär ist hier eingetroffen. Ein Packet ist mit Pulver vorgesunden worden. Asch, 21. August. Da die Behörden große Kundgebungen gegen die Klerikalen und den 8 14 befürchteten, war der Zapfenstreich am Vorabend des Kaifergeburtstages abgesagt und auf Sonntag vertagt worden. Anläßlich di-ses Zapfenstreiches kam es zu heftigen Demonstrationen gegen die Re- gierung. Ueber die Köpfe einer vor dem Amtsge bäude postirten Truppe hinweg zertrümmerte ein Steinhagel alle Fenster und gegen das katholische Vereinshaus erfolgte ein förmlicher Sturm, weil dort die Gendarmerieoerstärkungen, welche nirgends unterkamen, Quartier sanden. Die Stürmenden schrieen: „Gebt uns unser Recht I" „Hoch die Ver fassung!" „Los von Nom!" Vom Zollamte ist der kaiserliche Adler verschwunden. Der Bürger meister erklärte, für die Ordnung und Ruhe nicht mehr einstehen zu können. Starker Gendarmerie- succurs wird erwarret. 8 Wien, 21. August. Aus Berlin wird der „Neuen Fr- Pr." mitgelhnit: In hiesigen diploma- tischen Kreisen besteht die Auffassung, daß eine neuerliche Verurtheilung des Dreysus nicht unwahr scheinlich sei. Etwaige neuerliche Erklärungen Deutschlands in dieser Sache seien nicht zu erwarten. In Deutschland wüßten Alle, daß DreyfuS unschul dig sei. Deutschland könne aber unmöglich den Namen seines wirklichen Agenten preisgeben. ß Ein gefährliches Abenteuer hatte der Luftschiffer Spelterini bei Bern zu bestehen, indem sein Ballon nach einem Ausstieg bis 4000 Meter und wunder voller Fahrt bei einem mißglückten Landungsversuch etwa 200 Meter vom User in den Thunersee nieder ging. Die Insassen des Korbes, Spelterini, ein Herr und eine Dame aus Bern, schwebten in Lebensgefahr, doch gelang es, die Personen wie den Ballon zu retten. 8 Als am Sonntag Abend aus dem Genfer See der Dampfer „Chillon" aus Evmn nach Ouchy zu- rückkehrte, verlor plötzlich ein auf dem Geländer des Schiffshinterteils sitzender junger Mann das Gleichgewicht und stürzte ins Wasser. Sein Begleiter sprang unverzüglich nach, um ihn zu retten, aber beide ertranken. Die Ertrunkenen sind zwei Reichs- Deutsche.